Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse – Rohe Pökelfleischerzeugnisse und der Passus zum Formfleisch

Eine altes Juristen-Bonmot empfiehlt in Zweifelsfällen den Gesetzestext zu konsultieren. Bei der Diskussion um das vom NDR so genannte Klebefleisch war immer war immer die Frage nach den Leitsätzen und deren Erfüllung Thema. Die Leitsätze sind nach Definition nicht Gesetz sondern eine Art Obergutachten zu Lebensmitteln. Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse nach dem Stand vom 4. 2. 2010. Der vollständige Text findet sich [hier].

Gegenüber diesem Text haben wir eine leichte Anpassung an die neuere deutsche Rechtschreibung vorgenommen, die eigentlich für amtliche Texte verpflichtend sein müsste.

2.19 Formfleischerzeugnisse werden aus Fleischstücken nach mechanischer Vorbehandlung zur Freisetzung von Muskeleiweiß an den Oberflächen unter gleichzeitiger Auflockerung der Struktur (z. B. Poltern oder Tumbeln) auch unter Verwendung von Kochsalz oder Nitritpökelsalz hergestellt. Sie werden zu einer größeren Einheit (Stückware) zusammengefügt; sie behalten durch Hitze-oder Gefrierbehandlung ihre neue Form. Der Gewebeverband der verwendeten Fleischstücke bleibt im wesentlichen erhalten. Formfleischerzeugnisse weisen unbeschadet des bei der Herstellung eventuell erforderlichen Salzgehaltes die gleiche Zusammensetzung auf wie Erzeugnisse aus gewachsenem Fleisch, denen sie nachgebildet sind. Der bei der Herstellung auftretende Muskelabrieb (ausfreigesetztem Muskeleiweiß entstehende brätähnliche Substanz) übersteigt, soweit in den Leitsätzen nichts anderes angegeben wird, nicht den Wert von 5 Vol.-% (bei Geflügelfleischerzeugnissen von 10 Vol.-%) im verzehrsfertigen zusammengefügten Fleischanteil. Bei der Herstellung wird kein gewolftes, gekuttertes oder in ähnlicher Weise zerkleinertes Fleisch verwendet.

Zur Vermeidung einer Verwechslung von Formfleischerzeugnissen mit vergleichbaren Erzeugnissen aus gewachsenem Fleisch wird in der Verkehrsbezeichnung das Wort „Formfleisch-“ vorangestellt und außerdem in unmittelbarer Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung und in gleicher Schriftgröße darauf hingewiesen, dass Fleischstücke zusammengesetzt sind (z. B. Formfleisch-Schinken, aus Schinkenstücken zusammengefügt, Formfleisch-Roulade, aus Fleischstücken zusammengefügt, Formfleisch-Gulasch, aus Fleischstücken zusammengefügt.

2.4 Rohe Pökelfleischerzeugnisse

2.40 Rohe Pökelfleischerzeugnisse oder Rohpökelware, Rohschinken, Rauchfleisch, Dörrfleisch, süddeutsch auch Speck, Geräuchertes, Geselchtes sind durch Pökeln (Salzen mit oder ohne Nitritpökelsalz und/oder Salpeter haltbar gemachte, rohe, abgetrocknete, geräucherte oder ungeräucherte Fleischstücke von stabiler Farbe, typischem Aroma und von einer Konsistenz, die das Anfertigen dünner Scheiben ermöglicht.

2.40.1 Die Angaben „naturgesalzen“ oder „naturgereift“ werden nur bei Trokkensalzung (einschließlich der Salzung mit Eigenlake) unter ausschließlicher Verwendung von Kochsalz, Zuckerstoffen und Gewürzen verwendet.

2.40.2 Erzeugnisse, bei denen eine Aromatisierung und Stabilisierung durch Rauch nicht stattgefunden hat, können als luftgereift, luftgetrocknet oder schimmelpilzgereift bezeichnet sein.

2.40.3 Bezeichnungen in Verbindung mit Kate-, Tenne-, Diele- (auch Deele-) werden bei Anwendung von Reifeverfahren mit langsamer Abtrocknung und unterbrochener Zufuhr schwachen Rauches verwendet. Die Zusatzbezeichnung „Original“ oder „Echt“ setzt voraus, dass die Reifung in einer Kate oder dem benannten Ort erfolgt ist.

2.40.4 Bezeichnungen in Verbindung mit Katenrauch-, Landrauch- o. ä. werden bei einer speziellen Räucherung (z. B. Art des verwendeten Räuchermaterials) verwendet.

2.4.1 Rohschinken

2.411 Rohschinken, Rohschneiderwerden aus der Beckengliedmasse des Schweines (Schlegel) oder Teilen davon hergestellt. Vielfach haftet ihnen noch die Schwarte an. Isoliert hergestelltes Eisbein wird nicht als Schinken bezeichnet. Die Herstellung aus den entsprechenden Teilen anderer Tierarten wird entsprechend gekennzeichnet (z. B. Rinder-, Wildschwein-, Renschinken).

Werden Schinken nach der Herstellung aufgeteilt, so tragen die einzelnen Stücke die Bezeichnung der noch nicht portionierten Schinken. Blasenschinken werden stets in Hüllen hergestellt.

2.411.1 Knochenschinken sind Schinken (Unter-, Oberschale, Nuß, Hüfte), deren Knochen (Röhre) frühestens nach der Salzung entfernt wurden. Beim „Langschnitt“ haften den Knochenschinken noch Spitz- und/oder Eisbein an.

2.411.2 Spaltschinken werden vor der Salzung von Knochen befreit und weisen gegenüber den Knochenschinken eine flache Form auf. Sie bestehen aus Unterschale, Nuss und Hüfte, vereinzelt auch mit Oberschale oder Teilen davon.

2.411.3 Kernschinken, Kronenschinken, Papenschinken werden aus der Unter- und Oberschale hergestellt; dies gilt auch für Rollschinken.

2.411.4 Bauernschinken, Landschinken werden aus einem Teilstück oder aus mehreren Teilstücken des Schinkens geschnitten; dies gilt auch für Frühstücksschinken.

2.411.5 Nussschinken besteht aus dem von den Muskeln des Kniestreckers gebildeten Teilstück (Nuss, Maus, Kugel), dem noch die Kniescheibe (Nüssle) anhaften kann.

2.411.6 Schinkenspeck, Schinkenecke, Eckschinken werden aus der Hüfte gefertigt.

2.412 Rinderrauchfleisch, Neuenahrer Rauchfleisch, Hamburger Rauchfleisch, Nagelholz werden aus der Oberschale oder dem Schwanzstück oder der Blume des Rindes hergestellt.

2.413.1 Lachsschinken wird aus dem „Auge“ (M. longissimus dorsi) von Kotelettsträngen geschnitten. Ihm können noch die dünnen („Silberhaut“), nicht jedoch die groben Teile der Sehnenplatte (Fascia lumbodorsalis) anhaften. Ist Lachsschinken von einer dünnen Speckscheibe umhüllt, wird auch die Bezeichnung Pariser Lachsschinken verwendet.

2.413.2 Truthahn-Lachsschinken wird aus Brustmuskulatur (ohne Haut) eines Truthahns hergestellt.

2.413.3 Lachsfleisch, Karbonadenschinken besteht aus weitgehend von Fettgewebe befreiten Kotelettsträngen.

2.413.4 Räucherling, Räucherlendchen ist ungerötetes, geräuchertes Schweinefilet.

2.414 Von Knochen, Schwarte (1.312) und sichtbarem Fettgewebe (1.21) befreite Rohschinken (2.41) enthalten selbst im weichsten (zentralen) Magerfleischanteil [18] Wasseranteile von nicht mehr als

- 65% bei Knochenschinken (ausgenommen Katen-, Tennen-, Dielen-(Deelen-)schinken, Katenrauchschinken), Rinderrauchfleisch, Schwarzwälder Schinken, Neuenahrer Rauchfleisch, Hamburger Rauchfleisch, Nagelholz,

- 68% bei Rohschinken, Rohschneidern, Katenschinken, Spaltschinken, Kern-, Bauern-/Landschinken und Frühstücksschinken, Kronen-, Papen-, Katen-, Tennen-, Dielen- (Deelen-)schinken, Katenrauchschinken, Landrauchschinken, Schwarzwälder Schinken mit Oberschale,

- 70% bei Roll- oder Nussschinken, Blasenschinken, Karbonadenschinken, Schinkenspeck, Schinkenecken, Eckschinken,

- 72% bei Lachsschinken sowie Lachsfleisch.

Bei rohen Erzeugnissen mit hervorhebenden Hinweisen (z. B. Delikatess, I a) und Hinweisen wie luftgereift, luftgetrocknet, langgereift, naturgereift u. ä. verringert sich der jeweilige Wasseranteil um 3% absolut (z. B. bei Delikatess-Lachsschinken: 69%, bei Knochenschinken, langgereift: 62%).

2.42 Sonstige Rohpökelwaren

2.421 Bei aus anderen Fleischteilen des Schweines hergestellten rohen Pökelfleischerzeugnissen wird auf das verwendete Teilstück hingewiesen (z. B. Schulterspeck, Räucher-Nacken, Karbonaden-Rauchfleisch, geräuchertes Eisbein). Die Verwendung von Fleischteilen anderer Tierarten wird gekennzeichnet (z. B. geräuchertes Rinderfilet, gepökelte Gänsebrust, gepökelte Truthahnoberkeule).

2.421.1 Breitseite oder Ganze Seiten bestehen aus der von Knochen befreiten Schweinehälfte ohne Kopf, überwiegend ohne Bug und Schlegel.

2.421.2 Bauchspeck, Frühstücksspeck, Dörrfleisch werden aus von Rippen und Brustknochen befreitem, meist noch Knorpel und Schwarte enthaltenden Schweinebauch hergestellt.

Bei Delikatess-Bauchspeck, Delikatess-Frühstücksspeck beträgt das sichtbare Fettgewebe nicht mehr als 50%, und die Knorpel sind bis auf technologisch unvermeidbare Reste entfernt worden.

Quelle: Hemsbach [ Thomas Pröller ]

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