Gesund, convenient und originell: Getränke von morgen brauchen einen Plus-Faktor
10. Fresenius-Getränkekongress erörterte Marktchancen im Spannungsfeld zwischen Innovation und Regulation
„Prost!“ bedeutet bekanntlich „Es möge nützen!“ Dieser traditionelle Wunsch beim Anstoßen hat eine ganz neue Aktualität bekommen. Denn wenn die Verbraucher künftig ihr Glas (oder besser ihr Hightech-Trinkgefäß) heben, erwarten sie nicht nur einen Durst stillenden Effekt: Der Inhalt soll einen gesundheitsfördernden Zusatznutzen bieten, die Verpackung soll formschön, individuell und funktional zugleich sein. Auf dem Fresenius-Getränkekongress am 29. und 30. Januar in Mainz diskutierten 18 Experten, welche Trends die Branche bestimmen werden, welches Innovationspotenzial 2008 bietet und welche Rolle gesetzliche Rahmenbedingungen dabei spielen. Bereits zum zehnten Mal hatten die Akademie Fresenius (Dortmund) und das SGS Institut Fresenius (Taunusstein) zu diesem etablierten Jahresauftakttreffen der Getränkeindustrie eingeladen.
Die Gesellschaft ist im Wandel und mit ihr verändern sich auch die Ess- und Trinkgewohnheiten. Die Zahl der Single-Haushalte wächst, ebenso die der Doppelverdiener – zugleich gibt es immer weniger Kinder. Vom traditionellen Drei-Mahlzeiten-Rhythmus haben sich schon viele Menschen verabschiedet, stattdessen werde zunehmend „situativ konsumiert“, so Volker Dölle (Dölle Unternehmensgruppe) auf der Fresenius-Konferenz. „Die Nahrungsmittel von morgen haben immer einen Plus-Faktor, denn Vitalität und Gesundheit werden die gesellschaftlich bestimmenden Werte“, so der Unternehmer, der die Getränkeindustrie im Innovationsmanagement berät.
Da ist noch mehr drin: Getränke mit Zusatznutzen boomen
Die ‚Mehrwert-Strategie’ hat ein weit bekanntes Vorbild in der Wasch- und Reinigungsmittelindustrie: Die Entwicklung bei Spülmaschinen-Tabs von 3-in-1-Reinigern auf heute 7-in-1 erfolgte rasant. Auch in der Getränkebranche scheinen die Zeichen auf ‚all inclusive’ zu stehen. „Zunehmende Bedeutung erlangen Produkte, die regulierend auf physiologische Über- und Unterfunktionen einwirken“, prognostiziert Dölle. In den USA ist die Nachfrage bereits enorm. Das Segment Energy-Drinks wächst kontinuierlich, wobei sich zwei Richtungen herauskristallisieren: Neue Sorten kombiniert mit alkoholischen Getränken oder Sportgetränken auf der einen Seite, natürliche Produkte wie „New Age Energy-Drinks“ mit Tee-Extrakten auf der anderen Seite. Der Bio-Markt stehe dem in nichts nach und sei mit einem Umsatzvolumen von zehn Milliarden US-Dollar zu einem Massenmarkt geworden, so Dölle. Für Biogetränke wird in den USA mit einer Steigerungsrate von 16 Prozent in den nächsten Jahren gerechnet. Dieser Boom wird auch Deutschland erfassen, wo laut Dölle bereits ein Milliardenmarkt heranwächst: „Bei funktionalen Produkten ist bis 2011 ein Umsatz von fünf Milliarden Euro zu erwarten. Das ist eine Verdoppelung gegenüber 2002.“
Gesundheit „to go“: Das persönliche Zeitbudget bestimmt das Konsumverhalten
Erfolg versprechend seien insbesondere Getränke, die neben einem Gesundheitsnutzen einen hohen Conveniencegrad besitzen – davon ist auch Stefanie Bierbaum (Trendbüro) überzeugt. Einen wichtigen Grund sieht sie im veränderten Lebensrhythmus: „Jeder dritte Bundesbürger hat keine drei Stunden Freizeit zur Verfügung. Arbeit und Freizeit verschmelzen zur Eigenzeit.“ Flexibilität und Mobilität werden zu Kerntugenden: Laut Bierbaum legte der durchschnittliche Europäer 1970 täglich 17 Kilometer zurück, heute sind es 35 Kilometer. Das heißt: Immer weniger Zeit bei immer höheren Ansprüchen. Die wachsende Sensibilisierung der Verbraucher für Lebensmittelskandale, Umweltverschmutzung und Zivilisationskrankheiten wird den Bio-Trend verstärken: „Bio wird Mainstream und der Herstellungsprozess zum Unterscheidungskriterium“, so Bierbaum. Damit ergibt sich ein interessantes Spannungsfeld zwischen zwei Nachfrageschwerpunkten: Die Konsumenten wollen natürliche, ‚authentisch’ hergestellte Produkte, andererseits aber auch vielfältige Zusatznutzen, die einen Einsatz der Biotechnologie erfordern.
Gesetzgebung als Innovationsbremse? Gespanntes Warten auf die Health-Claims-Liste
Wer den gesundheitlichen Zusatznutzen nicht kommunizieren darf, hat weniger Absatzchancen. Seit gut einem Jahr regelt die europäische Health-Claims-Verordnung (Verordnung EG Nr. 1924/2006) nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Doch erst 2010 wird eine Liste der zugelassenen Health Claims veröffentlicht, weshalb eine große Verunsicherung über die Vermarktungsmöglichkeiten von funktionalen Produkten herrscht: „Die Schwierigkeit besteht darin, aus der Vielzahl der bisher bei den nationalen Behörden eingereichten Claims diejenigen herauszufiltern, die eine reelle Chance auf eine Zulassung in Jahre 2010 besitzen“, erklärte Dr. Kristin Lanfer (Döhler GmbH) auf dem Fresenius-Getränkekongress. Mit der Health-Claims-Verordnung fand ein Paradigmenwechsel statt: „Jetzt sind die meisten Angaben verboten, die nicht ausdrücklich erlaubt sind, während vorher galt: Alles ist erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist“, so der Lebensmittelrechtler Andreas Meisterernst. Die Verordnung, die geltendes Recht in allen EU-Mitgliedsländern ist, soll den Verbraucher schützen und unseriöse Anbieter vom Markt drängen. Für innovationsfreudige Hersteller birgt das Prozedere mit der Positivliste jedoch Risiken: Falls der verwendete Claim 2010 nicht zugelassen wird, muss das entsprechende Produkt überarbeitet werden. Das bedeutet zusätzliche Kosten zu den bereits investierten Aufwendungen für Entwicklung und Vermarktung.
Gut verpackt ist halb verkauft
Einen Schwerpunkt auf dem 10. Fresenius-Getränkekongress bildeten Verpackungsinnovationen. Andreas Michalsky (Huhtamaki Ronsberg) stellte eine neue Verpackung für stille Getränke vor. Der runde Beutel in Form einer Dose besteht zu 100% aus flexiblen Verbundstoffen: Deckel und Boden bestehen aus einer Laminat-Scheibe, der Körper ist schlauchförmig und ebenso aus Laminat – das Produkt wird „fühlbar“. Bei einem Volumen von 150 bis 300 Millilitern beträgt das Gewicht der Verpackung nur drei bis viereinhalb Gramm. „Materialeinsatz und Leervolumen sind minimal. Die Cyclero Drinkbax eignen sich gut für Events, denn die Verpackung ist weich und ökologisch vorteilhaft“, so Michalsky. Belohnt wurde die Innovation mit dem Deutschen Verpackungspreis 2007.
Claudia Rivinius (STI – Gustav Stabernack) gab Tipps, wie die Absatzchancen für Getränke am Point of Sale erhöht werden können. Ihre Devise lautet: „Raus aus dem Regal, rein in Mehrstückverpackungen!“ Die Zahlen geben ihr Recht: Laut Rivinius werden 70 Prozent der Biermischgetränke in Verbrauchermärkten über Sixpacks verkauft; in Getränkeabholmärkten entfallen 40 Prozent des Absatzes auf Sixpacks. Über Mehrstückverpackungen lassen sich neue Zielgruppen erschließen und neue Vertriebskanäle eröffnen, so Rivinius. Am Verkaufsort komme es jedoch auch auf die Platzierung an: Um die Aufmerksamkeit zu erhöhen, sollten die Produkte auch einmal an ungewöhnlichen Stellen angeboten werden, wo sie die Kunden überraschen – zum Beispiel Saftgetränke in der Obst- und Gemüseabteilung. Rivinius: „Die ersten Sekunden entscheiden: Wo die Augen keinen Halt finden, gehen auch die Füße vorbei.“
Tagungsunterlagen
Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius Fachtagung können zum Preis von 250,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden.
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Quelle: Dortmund, Mainz [ Akademie Fresenius ]