BSE, ein ungewolltes Experiment zur Markttransparenz

Die internationalen BSE-Krisen der ersten Jahre des neuen Jahrtausends werfen heute mit besonderem Vorrang ökonomische Fragestellungen auf. Die extrem scharfen Preisreaktionen während dieser Krisen lassen eine völlig neue Sicht auf die Rindfleischmärkte zu.

Dies hat sich der amerikanische Wissenschaftler S. H. SAGHAIAN in seiner Untersuchung zu Nutze gemacht (Beef safety shocks and dynamics of vertical price adjustment: The case of BSE discovery in the U.S. beef sector). In dieser Arbeit wird untersucht, wie sich die Aufdeckung eines (!) BSE-Falles in den USA (2003) auf die Erzeuger-, Großhandels- und Einzelhandelspreise für Rindfleisch ausgewirkt hat.

Üblicherweise geht die Wirtschaftstheorie davon aus, dass die Preise in einer Vermarktungskette nur in einer Richtung beeinflusst werden. Die Einzelhandelspreise geben den Schritt vor, der über die Großhandelspreise schließlich rückwärts laufend von den Erzeugerpreisen aufgenommen wird. Dies trifft aber für die Verhältnisse des US-Rindfleischmarktes offensichtlich nicht zu. Hier wirken Preisreaktionen auf allen Stufen in zwei Richtungen: Die Stufen beeinflussen, während sie selbst beeinflusst werden. In diesem Sinne reagiert der Rindfleischmarkt nicht wie eine Kette, sondern eher wie ein „runder Tisch“, an dem „Schockwellen“ eines Krisenereignisses preiswirksam in beide Richtungen rundum weitergegeben werden.

Eine zweite traditionelle Meinung ist, dass die starke Konzentration auf der Ebene der Versandschlachtereien, wie sie auf dem US-Rindfleischmarkt gegeben ist, zu einer asymmetrischen Weitergabe der Preise innerhalb der Wertschöpfungskette führt. Dies würde bedeuten, dass der Markt auf der Ebene des Großhandels nicht voll zur Wirkung kommt, weil dieser als Abnehmer stärker über den Preis entscheiden kann als die Produzenten. Im Widerspruch dazu wird aber in der Studie gezeigt, dass die Preise auf der Ebene des Großhandels flexibler reagieren als die Preise des Einzelhandels. Das bedeutet, dass die Preisasymmetrie eher durch den Einzelhandel verursacht wird, der die Preissignale unvollkommen an die vorangehenden Stufen zurückgibt. Dies passt gut zusammen mit der Tatsache, dass die Erzeuger- und Großhandelspreise auf kurze Frist betrachtet stärker reagieren als die Veränderung der Betriebskosten rechtfertigen würde.

Als Drittes wird die Frage geklärt, wer denn letztlich die Last dieser BSE-Krise zu tragen hatte. Die Antwort ist eindeutig, denn vor allem die Erzeuger und dann der Großhandel mussten herhalten, während der Einzelhandel weitgehend ungeschoren davon kam. So fielen die Erzeugerpreise in der Krise um mehr als das Dreifache verglichen mit dem Verbraucherpreis, und die Großhandelspreise immerhin um das Doppelte. Zusammen mit den vorher beschriebenen Hinweisen zeigt sich also, dass die Versandschlachtereien für Rindfleisch in den USA zwar stark konzentriert sind, aber die Konzentration nicht im Sinne einer größeren Marktmacht nutzen können. Die ökonomischen Vorteile der Konzentration liegen nach Ansicht des Autors also überwiegend in den Größeneffekten („economies of scale“), die eher auf die Kosten als auf die Preise wirken.

Trotzdem zeigt sich in der amerikanischen BSE-Krise, dass der US-Rindfleischmarkt eben doch ein unvollkommener Markt ist. In der Krisensituation ergibt sich eine Spreizung der Bruttomargen zwischen Erzeugern und Großhändlern sowie Großhändlern und Einzelhandel – eben jeweils zum Nachteil der vorangehenden Stufe. Der besonders kritische Blick ist aber dabei eher auf den Einzelhandel und weniger auf den Großhandel zu werfen. Das eigentliche Problem scheint das Nachfrage-Oligopol des Einzelhandels zu sein, der sich seine enorme Konzentration im Spiel der Kräfte wirksam zu Nutze macht.

Aus dem Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach (2007) 46, Nr. 178 – Praxis-Informationen Seite 235 - Wir danken für die Genehmigung.


Das Mitteilungsblatt wird von der Förderergesellschaft für Fleischforschung in Kulmbach herausgegeben und kostenlos an die 740 Mitglieder versand. Die Fördergesellschaft setzt ansehnliche Mittel ein, die für die Forschungsarbeit des MRI, Standort Kulmbach genutzt werden.

Mehr unter www.fgbaff.de

Quelle: Kulmbach [ BRANSCHEID ]

Kommentare (0)

Bisher wurden hier noch keine Kommentare veröffentlicht

Einen Kommentar verfassen

  1. Kommentar als Gast veröffentlichen.
Anhänge (0 / 3)
Deinen Standort teilen