Soja-Isoflavone in der Schweinezucht
Nutzen und Risiken liegen eng beieinander - Ergebnisse auch für menschliche Ernährung von Bedeutung
Soja gehört aufgrund seines hohen Proteingehaltes seit Jahrtausenden zu den Grundnahrungsmitteln des Menschen. Es wird darüber hinaus sowohl in Europa als auch in Asien als Eiweißquelle in der Tierernährung verwendet. Soja enthält steroid-ähnliche Substanzen, die man aufgrund ihrer hormonellen Wirkung als Phytoöstrogene bezeichnet. Zu diesen gehören die Isoflavone Genistein und Daidzein, welche beispielsweise in Sojamilchprodukten enthalten sind oder häufig auch in der Hormonersatztherapie während der Menopause Anwendung finden.
Da Studien den Einfluss von im Soja enthaltenen Isoflavonen auf das Wachstum von Schweinen nahe legen, hat das Dummerstorfer Forscherteam um Dr. Charlotte Rehfeldt die direkte Wirkung von Genistein und Daidzein auf das Wachstum und die Differenzierung von isolierten Skelettmuskelzellen untersucht. Im Forschungsbereich Muskelbiologie und Wachstum des Forschungsinstituts für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere (FBN Dummerstorf) ist für solche Untersuchungen ein leistungsfähiges Zellkulturmodell aus Satellitenzellen (Muskelstammzellen) der Schweinemuskulatur etabliert worden, in dem bioaktive Substanzen unter standardisierten, serumfreien Bedingungen getestet werden können.
Die Ergebnisse der in-vitro-Versuche lassen negative Wirkungen der Isoflavone auf das Muskelzellwachstum von Ferkeln erwarten, wenn die zirkulierenden Serumkonzentrationen über den Werten (ca. 1 µmol/l) liegen, die bei herkömmlicher sojabasierter Fütterung erreicht werden. Die Wachstumshemmung in den Versuchen resultierte hauptsächlich aus DNA-Schädigung und Zelltod, wobei Genistein deutlich wirksamer war als Daidzein. Die im Serum enthaltenen Wachstumsfaktoren IGF-I und EGF erwiesen sich als wirkungsvolle Stimuli des Wachstums von Schweinemuskelzellen und wirken offensichtlich den toxischen Effekten hoher Isoflavonkonzentrationen entgegen. Obwohl Genistein (bei 100 µmol/l) und Daidzein (ab 10 µmol/l) die zelluläre Expression des IGF-1-Rezeptors verringerte, konnte eine Tendenz zur Erhöhung der Zellzahl - also Wachstumsstimulation - beobachtet werden, wenn die Zellen in Ge-genwart nahrungstypischer Daidzeinkonzentrationen (1 bis 10 µmol/l) in Kombination mit IGF-I kultiviert worden sind.
In differenzierenden Muskelzellkulturen, welche Vorläufer von Muskelfasern (Myotuben), bilden, verringerten die Isoflavone in Abhängigkeit von der eingesetzten Dosis die Proteinabbaurate.
Demzufolge könnten niedrige Konzentrationen von Genistein (0.1 µmol/l) und Daidzein (10 µmol/l) die Proteinakkumulation in der Skelettmuskulatur des Schweines dadurch erhöhen, dass der Proteinabbau bei unveränderter Proteinsynthese verringert wird.
Insofern haben nahrungstypische Isoflavonkonzentrationen das Potenzial, den Muskelproteinansatz positiv zu beeinflussen. Auf der anderen Seite führten 10 bis 1000-fache Isoflavonkonzentrationen wiederum zu einer Abnahme der Proteinmenge und wirkten toxisch auf differenzierende Zellkulturen.
"Fluch und Segen" der isoflavonen Phytoöstrogene liegen offenbar sehr eng beieinander. Ein besonders verantwortungsvoller und kritischer Umgang mit diesen Substanzen ist geboten. Da das Schwein eine dem Menschen ähnliche Physiologie und einen für die Isoflavone vergleichbaren Stoffwechsel besitzt, sind die hier vorgestellten Ergebnisse nicht nur für die Tierernährung bedeutsam, sondern ebenso für die Beurteilung der Auswirkungen sojabasierter Babynahrung auf Entwicklungsprozesse im menschlichen Neugeborenen oder einer Hormonersatztherapie von Erwachsenen mit reinen Isoflavonen.
Das FBN Dummerstorf erforscht die funktionale Biodiversität von Nutztieren in ihrer Umwelt als Grundlage der Domestikation und als wesentliche Komponente einer nachhaltigen Landwirtschaft und der menschlichen Ernährung. Das FBN ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, der 84 außeruniversitäre Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung angehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute beschäftigen rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, arbeiten interdisziplinär und verbinden Grundlagenforschung mit Anwendungsnähe. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben, werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.
Quelle: Dummerstorf [ fbn ]