EU-Verordnung zu gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln kritisiert
Anhörung im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Scharf kritisiert haben Vertreter der deutschen Ernährungs- und Süßwarenindustrie sowie der Werbewirtschaft bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft am Montagmittag die von der EU-Kommission vorgelegten Verordnungsentwürfe über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Rats-Dok. Nr. 11646/03) und über den Zusatz von Vitaminen und Mineralien sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (Rats-Dok. Nr.14842/03). Mit der erstgenannten Verordnung sollen allgemeine Grundsätze für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln in der EU festgelegt sowie der Verbraucher vor irreführender Werbung geschützt werden. So sollen nicht überprüfbare Angaben zum allgemeinen Wohlbefinden künftig verboten sein. Um irreführende Nährwertangaben zu verhindern, werden zudem genaue Bedingungen für die Verwendung von Begriffen wie "fettreduziert", "zuckerarm" etc. festgelegt. Auf unumstrittenen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende gesundheitsbezogene Angaben sollen in eine "Positivliste" aufgenommen und Werbebotschaften mit spezifischen Gesundheitsversprechen durch die EU-Kommission ausdrücklich genehmigt werden. Die zweite Verordnung sieht unter anderem EU-einheitliche Regelungen zum freiwilligen Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen zu Lebensmitteln vor.Für die Vertreter des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW), des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) und der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie verstößt die geplante Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben gegen Gemeinschaftsrecht, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in Rechte der werbenden Firmen beinhalte und darüber hinaus in unzulässiger Weise die Informationsrechte der Verbraucher beschränke. Zudem gebe der Verordnungsentwurf nur vor, dass die Harmonisierung des Binnenmarktes im Vordergrund stehe. In Wahrheit handele es sich um eine massive Regulierung in den Bereichen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes, für die die EU keine Regelungskompetenz habe. Der ZAW monierte zudem, auch bislang uneingeschränkt erlaubte gesundheitsbezogene Aussagen müssten künftig einem überaus bürokratischen Zulassungsverfahren unterworfen werden. Der damit verbundene Aufwand überfordere insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen. Auf diese Weise würden etablierte Märkte zementiert und der Markteintritt neuer Teilnehmer "unverhältnismäßig" erschwert. Nach Ansicht des BDSI stellen die Verordnungsvorschläge einen Paradigmenwechsel von einer nachträglichen staatlichen Kontrolle nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben hin zu einer Kombination weitgehender Verbote sowie der Verpflichtung, gesundheitsbezogene Angaben grundsätzlich erst mit einem aufwändigen Verfahren genehmigen zu lassen. Sollten die Verordnungsentwürfe Realität werden, sei mit einem erheblichen Arbeitsplatzverlust in der Süßwarenindustrie zu rechnen. Der Vertreter der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie trat dafür ein, die geplante Einführung von so genannten Nährwertprofilen, die Lebensmittel in positiver Weise aufweisen müssten, um künftig noch nährwert- und gesundheitsbezogene Aussagen tragen zu dürfen, ersatzlos zu streichen, da deren Nutzen ernährungswissenschaftlich nicht hinreichend abgesichert sei.
Angela Bardenhewer-Rating, Mitglied im Kabinett von EU-Kommissar Byrne, verteidigte dagegen die vorliegenden Verordnungsvorschläge und mahnte statt der nur in Deutschland vorherrschenden Pauschalablehnung konstruktive Änderungsanträge an, für die die EU-Kommission offen sei. Es gehe nicht darum, bestimmte Produkte vollkommen zu verbieten. Produkte mit hohem Fett-, Salz- oder Zuckergehalt sollten lediglich nicht mit angeblich gesundheitsförderlichen Botschaften beworben werden können. Zudem wies sie darauf hin, dass von dem mehrere Monate in Anspruch nehmenden Zulassungsverfahren nur ein geringer Prozentsatz der Werbeangaben betroffen sei. Dabei handele es sich um krankheitsreduzierende Angaben, die früher vollkommen verboten gewesen seien. Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte die Absicht der EU-Kommission, die Regelungen für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben für Lebensmittel zu harmonisieren. Entgegen der Kritik der Werbe- und Süßwarenindustrie solle die Bundesregierung bei den Verhandlungen im Rat und im Europäischen Parlament an den vorgesehenen Nährstoffprofilen festhalten und auf die Nichtzulässigkeit von speziellen, nur auf Kinder ausgerichteten Angaben hinwirken.
Quelle: Berlin [ hib / POT ]