Vogelgrippe, Schweinepest, BSE – und kein bisschen weise?“

12. Workshop der Heinrich-Stockmeyer-Stiftung

Das Thema „Vogelgrippe“ stand in diesem Jahr über Monate im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Angesichts einiger Todesfälle auch bei Menschen in Asien haben sich Besorgnis und Unsicherheit in der Bevölkerung ausgebreitet und insbesondere das Verbraucherverhalten stark beeinflusst. Die Probleme bei der Verhinderung und wirksamen Bekämpfung der Vogelgrippe weisen Parallelen zu Tierseuchen wie Schweinepest und BSE auf. Fragen nach Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Vergangenheit, Zusammenhängen mit Massentierhaltung, Tierschutz und der für den Menschen ausgehenden Gefahr stellen sich nicht nur für Wissenschaftler und Tierhalter.

Dieser aktuellen Problematik widmete die Heinrich-Stockmeyer-Stiftung ihren 12. Workshop, der am 26. Oktober 2006 unter dem Titel „Grenzen der Massentierhaltung. Vogelgrippe, Schweinepest, BSE – und kein bisschen weise?“ in Osnabrück stattfand. Hoch qualifizierte Referenten beleuchteten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven.

Dr. Ortrud Werner vom Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in Greifswald, informierte zunächst über Herkunft und Verlauf dieser umgangssprachlich als Vogelgrippe bezeichneten klassischen Geflügelpest. Die besonders schwer verlaufende Form der „aviären Influenza“ wird durch sehr aggressive Virusstämme hervorgerufen und ist für Hausgeflügel hochansteckend. Innerhalb weniger Tage können 100 % der Tiere erkranken und sterben, was die Geflügelpest zu einer auch wirtschaftlich bedeutenden Tierseuche macht, die nach Regeln des Internationalen Tierseuchenamtes anzeige- und bekämpfungspflichtig ist.

Das natürliche Reservoir der Influenzaviren sind wilde Wasservögel, die diese Viren in ihrer Darmflora vermehren und ausscheiden, ohne selbst zu erkranken. Hausgeflügel – insbesondere Tiere mit Freilandauslauf – können sich durch direkten Kontakt mit den Vögeln oder mit durch deren Kot verunreinigtem Futter oder Wasser anstecken. In Hausgeflügelbeständen können durch spontane Mutation im Hämagglutinin-Gen hochpathogene Virusstämme entstehen, die zum Ausbruch der Geflügelpest führen.

In Südostasien grassiert die Vogelgrippe seit 2003 in vorher nie beobachtetem Maße und hat sich seit Mitte 2005 schrittweise westwärts verbreitet. Das besonders aggressive Virus H5N1 hat nicht nur zum Tod von Millionen Hühnern und anderem Geflügel geführt, sondern verursacht auch Erkrankungen und Todesfälle bei Menschen. In Deutschland wurde das Virus erstmals im Februar 2006 in einem auf Rügen gefundenen Schwan nachgewiesen. Wegen der aktuellen Bedrohung wurde die Geflügelpest-Verordnung überarbeitet zur besseren seuchenhygienischen Absicherung der Geflügelbestände und zur Verhinderung von Kontakten zwischen Hausgeflügel und Wildvögeln. Sie schaffen gleichzeitig eine wirksame Barriere zum Schutz der Bevölkerung vor der Vogelgrippe.

Für Prof. Dr. Uwe Truyen, Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen, Universität Leipzig, ist die Tierseuchenbekämpfung in Deutschland sehr erfolgreich. Viele gefährliche Tierseuchen seien getilgt und man sei in den seltenen Fällen nationalen oder internationalen Auftretens von Tierseuchen zur schnellen und effizienten Bekämpfung in der Lage. Den Grund hierfür sieht er in wirksamen tierseuchenrechtlichen Vorschriften, wie beispielsweise die Kennzeichnung von Vieh, die Reglementierung des Transports und der Vermarktung von Tieren unter seuchenhygienischen Aspekten, die Pflicht zur Tierkörperbeseitigung, Vorschriften zur Futtermittelherstellung sowie zum Einsatz von Tierimpfstoffen. Durch bestimmte Erweiterungen des Gesetzes werde zudem die Produktsicherheit von Erzeugnissen tierischer Herkunft zum Schutz der menschlichen Gesundheit in den Vordergrund gestellt.

Die Einhaltung wesentlicher Vorschriften dieses Gesetzes sei in großen Beständen besser zu erfüllen und zu kontrollieren als in kleinen. So sei z.B. die Pflicht zur Führung eines Bestandsregisters in kleinen Beständen oft unbekannt. Beim diesjährigen Ausbruch der Geflügelpest in Sachsen waren mehr als 30 % der Geflügelhaltungen nicht gemeldet, darunter keine der großen gewerbsmäßigen Haltungen. Dagegen seien die Gefahren, die sich aus der großen Tierdichte in Intensivhaltungen ergäben, durch geeignete prophylaktische Maßnahmen zu beherrschen, was sich in allen Gebieten der Nutztierhaltung zeige. Zwar sei auch eine kleinbäuerliche Struktur durchaus mit einer erfolgreichen Tierhaltung vereinbar, jedoch sei die Kontrolle tierseuchenrechtlicher Bestimmungen hier häufig erschwert.

Mit Aspekten des Tierschutzes bei der Züchtung landwirtschaftlicher Nutztiere befasste sich Prof. Dr. Dr. Kalm vom Institut für Tierzucht und Tierhaltung der Universität Kiel. Er stellt klar, dass Zielgröße des Tierschutzes die Schaffung einer tiergerechten Haltungsumwelt sei, zu der auch die Tiergesundheitsinformationen gehören. Bereits seit den Anfängen der organisierten, systematischen Tierzucht in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts fließen die Belange des Tierschutzes maßgeblich in die Zuchtarbeit ein. Unsere Gesellschaft verlange heute eine klare Dokumentation für den Tierschutzbereich, um tierschutzrelevante Defizite zu minimieren. Die Nutztierzüchter haben daher einen Katalog verbindlicher Selbstverpflichtungen erarbeitet und in den Zuchtzielen dokumentiert.

Problembereiche bei Nutztieren seien einerseits Anomalien und Erbdefekte und andererseits die korrelierten unerwünschten Selektionsfolgen, wie Fitnessprobleme, Skelett- und Gelenkschäden. Die Züchter und die Wissenschafter arbeiteten intensiv an der Eliminierung von Defekten mit aufgeklärten Erbgängen und durch systematische Prüfung und Selektion. Dabei bestehe ein Konflikt zwischen Ökonomie, Tierschutz und Verbrauchererwartung. Die unerwünschten Selektionsfolgen ließen sich dann züchterisch intensiver bearbeiten, wenn entsprechende Leistungsprüfungen bzw. Monitoring-Systeme etabliert seien.

Prof. Dr. Volker Pudel, Ernährungspsychologische Forschungsstelle, Universität Göttingen, betrachtet das menschliche Verhalten im Hinblick auf die Bewältigung von Problemen wie Tierseuchen und Lebensmittelskandale. Dabei sei festzustellen, dass Erfahrungen aus der Vergangenheit das menschliche Verhalten prägen. Sowohl im Handeln als auch im Denken bilden sich Gewohnheiten, die eine starke Entlastungsfunktion haben und ständige neue Entscheidungen scheinbar überflüssig machen. Als Bewältigungsstrategien für die Zukunft seien sie jedoch nur bedingt tauglich, vor allem, wenn sich die Konstellationen verändert hätten. Menschliches Verhalten werde überwiegend emotional gesteuert, wegen der gesellschaftlichen Wertschätzung der „Vernunft“ argumentiere man allerdings häufig kognitiv-rational.

Die Erfahrung lehre, dass emotionale Kommunikation aussichtsreicher wirke. Ehrlichkeit, die Vertrauen schaffe, Zuverlässigkeit, die Planungssicherheit gebe und Service, der eigenes Unvermögen überbrücken helfe, seien durchaus traditionelle Werte, die als emotionale Werte auch in Zukunft honoriert würden.

Diese lohne es weiter zu tragen und es sei wünschenswert, dass bei aller emotionalen Ansprache der Medien im Lebensmittelbereich insbesondere die Gewichtung der Probleme sachkundig dargestellt werde.

Je schneller die Welt sich verändere, desto weniger tauge die Vergangenheit als Leitfigur für die Zukunft. Es sei natürlich das Recht des Menschen, Fehler zu machen, aber es sei Dummheit, den gleichen Fehler zu wiederholen. So gesehen fördern Gewohnheiten unintelligentes Verhalten – auch wenn sie das Leben so angenehm erleichtern.

Quelle: Osnabrück [ hss ]

Kommentare (0)

Bisher wurden hier noch keine Kommentare veröffentlicht

Einen Kommentar verfassen

  1. Kommentar als Gast veröffentlichen.
Anhänge (0 / 3)
Deinen Standort teilen