Ebermast ist „in“ und Androstenon wieder ein Thema
Nachdem einzelne Länder in Europa die Kastration von Ferkeln bereits verboten haben bzw. kurz davor sind, dies zu tun, drängt auch in Deutschland die Fleischwirtschaft darauf, konkreter an die Ebermast heranzugehen. Für Landwirte und Schlachtbetriebe stehen attraktive Leistungsdaten der Eber im Vergleich zu Börgen im Vordergrund. Die Verbraucher jedoch könnten Anlass haben, sich Sorgen zu machen, weil Eber ihnen im Geruch und Geschmack einiges zumuten.
Dieser Aspekt wird in der zusammenfassenden Arbeit Genetic and metabolic aspects of androstenone and skatol deposition in pig adipose tissue: A review von R. ROBIC, C. LARZUL und M. BONNEAU nach neuestem Kenntnisstand und mit Blick auf züchterische Einflussmöglichkeiten aufgegriffen. Der unangenehme Geschlechtsgeruch der Eber setzt sich aus den beiden Komponenten Androstenon und Skatol zusammen, die sich vor allem im Fettgewebe anreichern.
Androstenon ist eine den Steroid-Hormonen verwandte Substanz und wird wie diese im Hoden synthetisiert. Der Urin-ähnliche Geruch wird von einem Teil der Verbraucher selbst in niedrigen Konzentrationen festgestellt, andere können diese Komponente überhaupt nicht wahrnehmen.
Skatol gehört zur Substanzgruppe der Indole und wird als Stoffwechselprodukt der Darmbakterien im Dickdarm produziert. Entsprechend ist der Geruch Kot-artig und wird praktisch von allen Verbrauchern als unangenehme Aromakomponente empfunden.
Für beide Substanzen ist eine züchterische Bearbeitung in Richtung auf niedrigen Gehalt im Fett aussichtsreich. Die Heritabilität ist für Androstenon hoch (h2 = 0,25 bis 0,88), für Skatol liegt sie zumindest im mittleren Bereich (h2 = 0,19 bis 0,54). Zwischen Skatol und Androstenon besteht offenbar eine positive genetische Korrelation.
Die Bestandsaufnahme der Autoren richtet sich auf die bisher erzielten Ergebnisse zur Charakterisierung von „Quantitive trait loci“ (QTL) und von einzelnen Genen, die im Stoffwechsel von Androstenon und Skatol wirksam sind. Die QTL-Forschung dient ja zunächst einmal nur dazu bestimmte Chromosomenabschnitte festzumachen, die zu quantitativ messbaren Merkmalen in Beziehung stehen.
Sowohl für Androstenon als auch für Skatol wurde tatsächlich eine Reihe solcher Abschnitte (QTL) gefunden, die allerdings jeweils nur einen geringen Anteil der Varianz des Merkmals erklären können (meist unter 10 %). Es ist also von einem multigenetischen Erbgang auszugehen. Nur in einem Fall liegt ein QTL des Androstenon in der Nähe eines QTL des Skatol.
Wenn es um die Suche nach einzelnen beeinflussenden Genen geht, so ist der Blick auf den Stoffwechsel der Substanzen von Interesse. Gene wirken generell über die „An- und Abschaltung“ von Enzymen, die ihrerseits den Substanzaufbau und -abbau in Gang setzen. Für Androstenon ist diese Sichtweise besonders bedeutsam, weil sie sogleich augenfällig macht, wie eng diese Substanz mit dem Stoffwechsel der Androgene (speziell Testosteron) und der Östrogene sowie dem Progesteron verbunden ist. Das heißt: wird am Stoffwechsel des Androstenons „gedreht“, besteht die Gefahr, dass die Fortpflanzungsleistung sowohl der Eber als auch der Sauen in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.
Zumindest zwei Wege scheinen aber dieses Problem vermeiden zu können. Der erste führt über die Cytochromoxidase b5, für die die zugrundeliegende genetische Information aufgrund der erfolgreichen Sequenzierung der mRNA bereits bekannt ist. Dieses Enzym ist relativ spezifisch am Aufbau des Androstenons beteiligt und könnte damit als Ziel-Gen (Target gene) infrage kommen. Als Teil eines QTL konnte es allerdings bisher nicht identifiziert werden.
Zwei weitere Enzyme legen den Weg über den Abbau des Androstenons nahe. Das erste dieser Gruppen ist eine Hydroxysteroid-Dehydrogenase (3ß-HSD), für die vor allem die in der Leber vorkommende Variante in Betracht gezogen wird. Fernab vom eigentlichen Sexualstoffwechsel reguliert dieses Enzym die Ablagerung von Androstenon im Körperfett. Das andere Enzym ist eine Hydroxysteroid-Sulfotransferase, die im Hoden selektiv für die Inaktivierung des Androstenons sorgt.
Für beide Enzyme ist die Lokalisierung des zugrunde liegenden Gens abgeschlossen, wiederum bestehen aber keine Beziehungen zu benachbarten QTL.
Auch für Skatol ist der Blick auf den Stoffwechsel erfolgversprechend. Hier geht es aus verständlichen Gründen ausschließlich um Enzyme, die in der Leber wirksam sind: Die Umsetzung eines im Darm entstehenden Substrats erfolgt eben als erstes in der Leber. Die beiden beteiligten Enzymsysteme sind verschiedene Cytochrom P450-Enzyme und eine Sulfotransferase.
Für die P450-Cytochrome ist immerhin klar, dass sie in der Leber die ersten Schritte des Skatolabbaus einleiten und dass Defekte dieses Systems mit erhöhten Skatolgehalten im Körperfett verbunden sind. Für einzelne Enzyme sind die beteiligten Nucleotid- Sequenzen bereits bekannt, allerdings wurden generell keine Beziehungen dieser Stoffwechselbezogenen einzelnen Genorte zu QTL für Skatol gefunden. Noch weiter entfernt von einer befriedigenden Aufklärung scheinen die Verhältnisse um die Sulfotransferase zu sein.
Immerhin weiß man, dass es für dieses Enzym Gen-Polymorphismen gibt, die mit unterschiedlicher Skatol-Umsetzung und hohen bzw. niedrigen Skatolgehalten in Verbindung stehen. Eine Verknüpfung zu bekannten QTL für Skatol lässt sich aber auch hier nicht herstellen.
Zusammenfassend beurteilen die Autoren den aktuellen Stand der Forschung offenbar so, dass für eine Nutzung der Ergebnisse in der konkreten Zuchtarbeit noch weitere Bausteine fehlen. Speziell die Genetik des Androstenons hat sich als viel komplexer und umfassender erwiesen als erwartet. So dürfte die Nutzung von QTL in näherer Zukunft nur sehr eingeschränkt möglich sein, weil die Identifizierung der tatsächlich wirksamen Einzelgene in den QTL-Abschnitten auf unerwartete Schwierigkeiten stößt. Der molekulargenetische Ansatz, so schließt der Artikel, wird möglicherweise, was den Ebergeruch anbetrifft, nicht das allein selig machende sein und jedenfalls nicht zu schnellen Erfolgen führen.
Die Praxisinformation ist in dem Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach (2009) 48, Nr. 184 – S. 95 - 96 erschienen.
Das Mitteilungsblatt wird von der Förderergesellschaft für Fleischforschung in Kulmbach herausgegeben und kostenlos an die Mitglieder versandt. Die Fördergesellschaft setzt ansehnliche Mittel ein, die für die Forschungsarbeit des Max Rubner-Instituts (MRI), Standort Kulmbach genutzt werden.
Mitglieder können den Originalartikel auch online nachlesen.
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Quelle: Kulmbach [ Branscheid ]