Ebermast: Tierschutz, nicht zu Ende gedacht

Ein Kommentar von Ulrike Gonder

Was die wenigsten Verbraucher wissen: Männliche Ferkel werden kurz nach der Geburt kastriert, denn Kastraten sind umgänglicher und besser zu halten als männliche Tiere. Zudem braucht man für ihre Mast weniger Futter, sie setzen mehr Fett an und ihr Fleisch wird zarter. Am wichtigsten ist jedoch, dass Fleisch von Ebern intensiv riechen kann, und zwar nicht gut. Aus den bei geschlechtsreifen Tieren gebildeten Sexualhormonen entstehen Stoffe, die nach Urin riechen. Auch schlechte Haltungsbedingungen und Stress können zu Geruchsauffälligkeiten bei unkastrierten männlichen Tieren führen. Deswegen wurden hierzulande keine Eber gemästet, sondern die Ferkel gleich kastriert. Doch mit dieser seit Jahrhunderten üblichen Praxis ist nach dem Willen der EU bald Schluss. Hintergrund: Die Kastration findet üblicherweise ohne Betäubung statt, was aus Tierschutzgründen bedenklich ist.

Was für jeden Tierfreund leicht nachvollziehbar ist, bereitet dennoch Probleme. Denn was soll anstelle des üblichen Vorgehens passieren? Das weiß so recht noch niemand – was bei bis zu 30 Millionen männlichen Schweinen, die jährlich in Deutschland geschlachtet werden, schon beunruhigend ist.

Eine Alternative wäre die Kastration unter Betäubung. Doch sie ist aufwändiger für die Schweinehalter, die zudem fürchten, auf den zusätzlichen Kosten sitzen zu bleiben, weil der Handel stets die Preise drückt. Zudem tut den Ferkeln die Wunde nach dem Aufwachen aus der Narkose natürlich immer noch weh. Alternativ gibt es eine Art Impfung, die dafür sorgt, dass die Hormonproduktion der Tiere vor der Schlachtung lahmgelegt wird. Folglich unterbleibt auch die unerwünschte Geruchsbildung. In Australien und Südamerika wird diese Methode mit Erfolg angewendet. Aber auch sie kostet Geld, zumal dafür der Tierarzt kommen muss.

Eine dritte Alternative ist die Ebermast, die vor allem für Tierschützer (zunächst) positiv klingt, weil man die Tiere nicht manipuliert. Dann müsste allerdings das Problem mit dem Verkauf der „Stinker“ gelöst werden. Zwar kann nicht jeder die unangenehmen Duftnoten wahrnehmen, doch sind es vor allem Frauen, die hier besonders empfindlich reagieren und derartiges Fleisch ablehnen. Das alarmiert natürlich die Fleischwirtschaft, die keinesfalls möchte, dass „Stinkefleisch“ in den Handel kommt und die Klientel verschreckt. Derzeit arbeitet man fieberhaft an Nachweismethoden, sodass die entsprechenden Schlachtkörper aussortiert werden können. Werden sie mit genügend nicht riechendem Fleisch vermischt, können sie problemlos zu Wurstwaren verarbeitet werden. Allerdings würden von dieser Methode nur die ganz großen der Branche profitieren, was wiederum das Handwerk fürchtet: Wer nur zwei Schweine die Woche verarbeitet, hat ein Riesenproblem, wenn eins davon ein Stinker ist. Daher lehnt das Metzgerhandwerk die Ebermast kategorisch ab.

Sie ist aus noch einem anderen Grund nicht so optimal, wie es zunächst scheint: Junge Eber treiben gerne Schabernack und sie kabbeln sich gerne. Dazu gehört auch das Aufreiten auf Artgenossen, Beißereien und Machtkämpfe. Dabei kommt es zu teils schweren und schmerzhaften Verletzungen, die sicherlich schlimmer sind und teurer zu stehen kommen als die Ferkelkastration. Die mit ihr verbundenen Kosten sollten daher auf den Preis aufgeschlagen werden und den Verbrauchern jeden Cent wert sein.

Quellen:

  • Pollmer, U: Ebergeruch im Schweinefleisch. Sendung „Mahlzeit“ im Deutschlandradio vom 14.10.2012, 11.50 Uhr

  • Weiler, U: Seriöses Vorgehen angesagt. ProAgrar, Pressedienst vom 2.9.2009

  • Arden, M: Eberfleisch – Spiel mit dem Feuer? Top agrar Nr. 11/2012, S. 18-23

 


Quelle: Hünstetten [ Ulrike Gonder ]

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