Fleischerhandwerk – Das Original
Redevorlage von DFV-Präsident Manfred Rycken bei der Matinee des Deutschen Fleischer-Verbandstages 12. Oktober 2008 – Hannover
[Die Zwischenüberschriften, wie auch das nachstehende, verlinkte Inhaltsverzeichnis, wurden von der Redaktion für eine bessere Übersichtlichkeit eingefügt]Inhaltsverzeichnis
- Fleischerhandwerk – Das Original
- Wie das Image nutzen
- Umkämpfte Ausbildungsmärkte
- EU-Hygienepaket – Umsetzung stockt
- Mancher Kreisveterinär schafft eigenes Recht
- Mindestlohn – Fleischwirtschaft muss an einem Strang ziehen
- Ortungsprobleme bei NGG
- Berufsgenossenschaft: FG soll selbstständig bleiben
- Kennzeichnung loser Ware
- Baustelle Ferkelkastration
- Die Finanzkrise und das Handwerk
- Der Schluss
Fleischerhandwerk – Das Original
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
in der Kunst, aber auch bei Maschinen und Geräten kennt man das seit langem: Es gibt Originale, die aus gutem Grund kopiert werden. Dabei gibt es durchaus Qualitätsunterschiede. Neben billigen Fälschungen gibt es ganz gute Plagiate, aber durchaus auch Kopien, die dem Original erstaunlich nahe kommen. Aber eines haben all diese Versuche gemeinsam. Es sind und bleiben Imitationen des Vorbilds, eben des Originals.
Auch auf dem Markt für Fleisch und Wurst erleben wir seit einiger Zeit eine bemerkenswerte Zahl von solchen Kopien. Auf der InterMeat konnte man sehen, wie gezielt die Industrie und Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels bis hin zum Discount Begriffe wie „Metzgerqualität“, „Meister-Fleischerei“, „Handwerkskunst“, „Fachmetzgerei“ und viele andere mehr einsetzen. All diese Formulierungen haben dasselbe Ziel: Dem Kunden soll der Eindruck vermittelt werden, dass die angebotenen Produkte nach gutem Handwerksbrauch hergestellt sind.
Damit nicht genug: Handelsketten schaffen Marken, die dem Verbraucher vormachen sollen, dass es sich um Produkte einer traditionellen Fleischerei handelt. Gutes Beispiel hierfür ist die jüngste Aktion der REWE-Handelsgruppe. In Pressemitteilungen wird ganz offen damit umgegangen, dass man durch die Umbenennung der Eigenmarke „W. Brandenburg“ in „Wilhelm Brandenburg“ den Eindruckvermitteln will, es handele sich um Produkte aus handwerklicher Produktion. Wörtlich heißt es da: „Ziel der Neuerung war es, den handwerklich-traditionellen Charakter der Marke weiter zu stärken.“ Ende des Zitats.
Man sieht förmlich den guten Meister Wilhelm in seinen traditionellen Produktionsräumen. Allerdings deutet die Tatsache, dass der Kollege seine Metzgerei im Jahr 1885 gegründet hat, darauf hin, dass er nicht mehr unter uns weilt.
Ich will nicht falsch verstanden werden. Nichts gegen REWE. Erstens ist das nur ein Beispiel für viele im Handel und zweitens ist es nicht unser Stil, negativ über Mitbewerber zu sprechen. Im Gegenteil: Wir wollen uns gerne mit dem Angebot des Handels auseinandersetzen. Aber eines möchte ich doch eindeutig festgestellt haben: Ganz gleich, wie gut oder schlecht die Produkte sind, die hier angepriesen werden, sie sind ganz gewiss nicht handwerklich oder traditionell hergestellt.
Warum setzt der Handel dieses Werbeinstrument so gezielt ein? Seriöse Marktforschungen kommen immer zu dem gleichen Ergebnis, dass es die handwerklichen Fleischereien sind, die das größte Vertrauen des Verbrauches genießen. Mit dem Fleischermeister werden persönliche Verantwortung, höchstes fachliches Können und nicht zuletzt auch Werte wie Tradition, Regionalität und Ursprünglichkeit verbunden.
An diese Imageführerschaft des Fleischerhandwerks versucht sich der Handel anzuhängen. Man will die Anonymität abstreifen, die industriell gefertigten Produkten gelegentlich anhaftet.
Jeder mag sich sein eigenes Bild von solchem Etikettenschwindel machen. Unabhängig davon, ob man solche Desinformation des Verbrauchers gutheißen kann, viel wichtiger ist doch für uns, welche Erkenntnisse und Konsequenzen wir selbst aus solchem Handeln unserer Konkurrenten ziehen.
Die Tatsache, dass unsere Mitbewerber mit unserem guten Namen hausieren gehen, ist zunächst der Beleg dafür, dass wir den besten Namen unter allen Anbietern von Fleisch und Wurst haben. Wir sind Imageführer der gesamten Branche. Diese starke Marktposition müssen wir künftig noch stärker zu unserem Vorteil nutzen als bisher. Wir haben allen Grund das mit großem Selbstbewusstsein anzugehen und diesen Vorsprung pflegen und ausbauen.
Um auch weiterhin erfolgreich wirtschaften zu können, wird es jedoch nicht ausreichen sich auf diesem hervorragenden Image auszuruhen. Viel mehr leiten sich aus dieser Erkenntnis wichtige Zukunftsfragen für unser Handwerk ab.
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Wie das Image nutzen
An erster Stelle steht hier die Frage, wie wir dieses positive Image des Fleischerhandwerks so nutzen können, dass wir einen für die Existenzsicherung nötigen Umsatz erwirtschaften.
Wir verschließen nicht die Augen davor, dass es eine spürbare Diskrepanz zwischen unserem hervorragenden Ansehen und dem tatsächlichen Einkaufsverhalten vieler Verbraucher gibt. Gleichzeitig müssen wir Wege aufzeigen, wie unsere Unternehmen durch ein angemessenes Betriebsergebnis die Zukunft dauerhaft sichern können. Angesichts der enorm gestiegenen Kosten in vielen Bereichen – denken Sie nur an die Material- oder auch an die Energiepreise – gehört dies zu den zweifellos größten Herausforderungen, denen sich unsere Unternehmerinnen und Unternehmer stellen müssen.
Auch werden wir Antworten finden müssen, wie wir die Qualitätsführerschaft, die wir für uns in Anspruch nehmen, auch künftig behalten können. Unsere Konkurrenten schlafen nicht, das gilt sowohl für die Produktqualität als auch für den Marktauftritt. Wir müssen also auch zukünftig selbst Trends setzen und uns immer wieder kritisch hinterfragen, wie wir unseren selbst gestellten Qualitätsanspruch auch weiterhin gerecht werden können.
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Umkämpfte Ausbildungsmärkte
Eine weitere dieser Zukunftsfragen, die uns sehr beschäftigt ist, wie wir auch künftig gute Schulabgänger in ausreichender Zahl für unsere Ausbildungsberufe gewinnen können. In den kommenden Jahren werden weit weniger junge Menschen auf den Ausbildungsmarkt drängen als bisher. Es wird also für alle Branchen schwieriger werden, die Ausbildungsstellen mit geeigneten Bewerbern zu besetzen.
Wir müssen deshalb der Frage auf den Grund gehen, warum wir ein so positives Image haben, wenn es um den Einkauf geht, und ein vergleichbar schlechtes Image bei der Berufswahl. Unsere Aktivitäten auf diesem Gebiet sind schon jetzt beispielgebend für viele andere Verbände, aber auch hier werden wir weitere und neue Wege aufzeigen und gehen müssen.
All diese Zukunftsfragen werden wir in aller Ernsthaftigkeit heute Nachmittag in unseren Arbeits- und Diskussionsforen unter der Leitung meiner Kollegen aus dem DFV-Präsidium mit Ihnen gemeinsam beraten. Ich lade sie alle ein, sich in diese Diskussionen einzubringen und mit dazu beizutragen, dass wir schlüssige und tragfähige Antworten finden.
Es hat im Fleischerhandwerk eine lange Tradition, dass wir zunächst selbst in aller Intensität an Lösungsansätzen arbeiten, bevor wir nach dem Staat rufen. Nichts desto trotz sind auch wir darauf angewiesen, dass die Rahmenbedingungen so gesetzt sind, dass wir erfolgreich wirtschaften können. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, wie dieses Zusammenwirken von Eigeninitiative und politisch gesetzten Rahmenbedingungen funktioniert. Einige dieser Beispiele kann man als vorbildlich andere dagegen als verbesserungsfähig bezeichnen.
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EU-Hygienepaket – Umsetzung stockt
Ein Bereich, der durchaus das Zeug gehabt hätte, zu einer all umfassenden Erfolgsgeschichte zu werden, ist nunmehr doch ein wenig ins Stocken geraten. Ich spreche von der Umsetzung des EU-Hygienepakets in den handwerklichen Fleischereibetrieben.
Wesentlicher Kernpunkt dieses Pakets ist die Verpflichtung für die Mehrzahl unserer Mitgliedsbetriebe, sich dem EU-Zulassungsverfahren zu unterziehen. Im EU-Recht ist für die Umsetzung dieser Vorschrift eine klare Frist vorgegeben. Bis zum 31.12. des nächsten Jahres müssen alle Betriebe, die der Zulassungspflicht unterliegen, das Verfahren durchlaufen und von der zuständigen Behörde einen Zulassungsbescheid erhalten haben.
Bedauerlicherweise ist eine lange Zeit dieser Umsetzungsfrist ungenutzt verstrichen. Bislang ist nur ein Bruchteil der Betriebe zugelassen, weswegen in den verbleibenden 15 Monaten eine gewaltige Zahl von Verfahren durchgeführt werden muss. Wir kennen niemanden, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt sagen kann, wie das geleistet werden soll.
Zwischenzeitlich wurde der Vorwurf formuliert, die Betriebe und die Verbände des Fleischerhandwerks hätten das Notwendige nicht getan. Insbesondere den Betrieben wurde vorgehalten, sie hätten die Beantragung für die Zulassungsverfahren verschleppt. Einen solchen Vorwurf müssen wir mit Entschiedenheit zurückweisen.
Schon vor mehr als zwei Jahren hat der Deutsche Fleischer-Verband seine Leitlinie vorgelegt, die auf der Grundlage der guten Branchenpraxis einen Fahrplan zur EU-Zulassung vorgegeben hat. Der DFV war damit die erste Institution, die ein solches Regelwerk vorgelegt hat, weit vor der Bekanntmachung der Durchführungsverordnung und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift. Diese Leitlinie wurde nicht nur mit entsprechenden Hilfestellungen den Betrieben zur Verfügung gestellt, sondern darüber hinaus an alle Verwaltungsbehörden verschickt, die mit der EU-Zulassung befasst sind. Zahlreiche Betriebe haben darauf hin ein Zulassungsverfahren angestrebt, wurden jedoch von den zuständigen Behörden zum Abwarten aufgefordert.
Wie dem auch sei, der aktuelle Stand der Dinge bedeutet eine Herkulesaufgabe für die Zulassungsbehörden und die Betriebe.
Was uns noch mehr Sorge bereitet, ist die Praxis, die sich nun in den laufenden Zulassungsverfahren zeigt. Vielerorts werden den Betrieben zur Erlangung der Zulassung Dinge auferlegt, die nach unserer gefestigten Überzeugung weder vorgeschrieben noch notwendig sind.
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Mancher Kreisveterinär schafft eigenes Recht
Bedauerlicherweise haben offensichtlich noch immer nicht alle verstanden, dass das Zulassungsverfahren nach dem neuen EU-Recht ein völlig anderes ist, als es früher nach altem Recht ausschließlich für große Betriebe gegolten hat. Deshalb gestatten sie mir an dieser Stelle nochmals den Kern der neuen Regelungen herauszustreichen.
Das EU-Recht formuliert jetzt eben nicht mehr konkrete Vorgaben zur räumlichen oder technischen Ausstattung der Betriebe, sondern beschreibt Ziele hinsichtlich der Qualität und Hygiene der Produkte. Wie diese Ziele erreicht werden – das ist ausdrücklich so gewollt und formuliert – soll betriebsindividuellen, angepassten Maßnahmen überlassen bleiben. Die hier gefasste Flexibilität ist ganz wesentlicher Inhalt des neuen EU-Hygienerechts.
An dieser Stelle muss auch nochmals vermerkt werden, dass das EU-Recht auch Ausnahmen von der Zulassungspflicht vorsieht. Wie weit diese Ausnahmen abgegrenzt werden, obliegt der Definition in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten – also auch in Deutschland.
Schon sehr frühzeitig haben wir mit der zuständigen Fachabteilung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz darüber beraten, wie diese Ausnahmen für Deutschland definiert sein sollten. Der Deutsche Fleischer-Verband ist hier den vom Ministerium vorgegebenen Weg mitgegangen, die Ausnahmen von der Zulassungspflicht stark zu begrenzen und stattdessen für eine generelle Zulassung zu angepassten Bedingungen zu plädieren.
Wir haben uns hierbei darauf verlassen, dass in den konkreten Verfahren auf die besonderen Belange des Fleischerhandwerks Rücksicht genommen wird. Entsprechende Zusagen haben wir mehrfach vom Bundesministerium erhalten. Zahlreiche Gespräche in Brüssel haben zudem immer wieder gezeigt, dass dieser Weg von der EU-Kommission eindeutig so gewollt wird.
Was wir nun in der Praxis erleben ist jedoch vielerorts etwas ganz anderes. Immer wieder werden uns Fälle berichtet, in denen die für die Zulassung zuständigen Beamten, den Betrieben weitreichende Auflagen machen. Dabei zeigt sich das, was wir befürchtet haben und unbedingt vermeiden wollten: Die Auflagen sind in den einzelnen Regionen Deutschlands völlig unterschiedlich. Was im einen Landkreis als unproblematisch angesehen wird, führt im anderen Bezirk dazu, dass den Betrieben die Zulassung verweigert wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
solche unterschiedlichen Regelungen können und werden wir nicht hinnehmen. Es handelt sich hier um EU-Recht, das zu einer europaweiten Vereinheitlichung der Spielregeln führen soll. Da kann es nicht sein, dass in Deutschland in jedem Landkreis andere Vorschriften gelten, nur weil einzelne Veterinäre ihre eigene Auffassung von den Dingen vertreten und ihr jeweiliges Steckenpferd pflegen. Wir können es nicht unwidersprochen hinnehmen, dass unsere Betriebe in den unklaren Zuständigkeiten zwischen EU, Bund, Ländern und Landkreisen aufgerieben werden.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
wir haben durch die zuständige Fachabteilung ihres Hauses stets eine hervorragende Unterstützung erfahren. In einer sachorientierten und konstruktiven Zusammenarbeit haben wir uns auf Wege verständigt, die für unsere Betriebe tragbar sind.
Wir müssen sie heute nochmals bitten, uns bei der Umsetzung dieser Wege behilflich zu sein. Das Fleischerhandwerk fordert die uns gegebene Zusage ein, dass einwandfrei arbeitende Betriebe die EU-Zulassung erlangen können, ohne dass unnötige und existenzgefährdende Investitionen notwendig sind. Bitte wirken Sie mit uns gemeinsam auf die Zulassungsbehörden ein, dass diese Regelungen, die in vollem Umfang dem EU-Recht und den nationalen Umsetzungen entsprechen, auch in der Praxis greifen.
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Mindestlohn – Fleischwirtschaft muss an einem Strang ziehen
Neben diesen und anderen lebensmittelrechtlichen Fragestellungen, die traditionell einen großen Teil unserer Arbeit ausmachen, haben uns im letzten Jahr vor allem auch sozialpolitische Fragestellungen beschäftigt. Hierzu gehört unter anderem die Frage nach der Festsetzung eines Mindestlohnes für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Die Fleischwirtschaft steht in diesem Zusammenhang ganz besonders im Fokus von Politik und Öffentlichkeit. Das Fleischerhandwerk stellt sich dieser Diskussion und hat hier klare Positionen formuliert, die ich an dieser Stelle angesichts der fortlaufenden Diskussion gerne nochmals zusammenfassen möchte.
Grundsätzlich unterstützen wir die Forderung nach einer angemessenen Bezahlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wer Vollzeit arbeitet, muss davon seinen Lebensunterhalt bestreiten können, ohne dass er hierzu noch auf staatliche Unterstützung angewiesen ist. Amerikanische Verhältnisse, nach denen man zwei oder drei Jobs braucht, um leben zu können, lehnen wir genauso ab, wie die ganz überwiegende Mehrheit der Bevölkerung.
Aus diesem Grund werden seit jeher die Unternehmer im Fleischerhandwerk ihrer sozialen Verantwortung in besonderer Weise gerecht. In keinem anderen Bereich der Fleischwirtschaft gibt es eine so weitreichende tarifliche Regelung wie bei uns. Und dort, wo es seit einiger Zeit keine neuen Tarifabschlüsse gegeben hat, ist das nicht allein der Verantwortung der Arbeitgeberseite zuzuschreiben.
Unabhängig von diesen tariflichen Regelungen muss man nochmals daran erinnern, dass wir es im Fleischerhandwerk mit Betrieben zu tun haben, die durchschnittlich zehn Mitarbeiter beschäftigen. Das hieraus resultierende, nahezu schon familiäre Miteinander führt dazu, dass es in aller Regel zu einem fairen Interessensausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern kommt.
Was die Vereinbarung von Mindestlöhnen angeht, so sind wir der Überzeugung, dass die berechtigten Ziele mit dieser Maßnahme nicht erreicht werden können. Diejenigen, die ihre Mitarbeiter in ausbeuterischer Weise ausnutzen, werden dazu auch Möglichkeiten finden, wenn es zu Mindestlohnvereinbarungen kommt. Die bekannt gewordenen Fälle solcher Unterbezahlung sind übrigens allesamt nicht im Fleischerhandwerk, sondern in großen Industriebetrieben aufgetreten.
Dennoch haben wir uns nicht grundsätzlich einer solchen Diskussion verweigert. Die Landesinnungsverbände, die die Tarifhoheit besitzen, haben den Deutschen Fleischer-Verband mit einem Verhandlungsmandat ausgestattet, um mit der zuständigen Gewerkschaft NGG über einen tariflichen Mindestlohn zu verhandeln.
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Ortungsprobleme bei NGG
Um so sehr hat es uns verwundert, dass der Vorsitzende der NGG, Franz-Josef Möllenberg, der vor zwei Jahren von uns als Festredner dieser Matinee eingeladen war, immer wieder das Fleischerhandwerk als Problemfeld in Sachen Mindestlohn bezeichnet. Wir haben solche Vorwürfe in aller Schärfe zurückgewiesen.
Man sollte in dieser Frage bei den Fakten bleiben. Das Fleischerhandwerk ist der einzige Bereich der Fleischwirtschaft, der sich grundsätzlich verhandlungsbereit in Sachen Mindestlohn gezeigt hat. Während andere der Gewerkschaft selbst das telefonische Gespräch verweigern, haben wir mit den Spitzen der NGG bereits intensive Gespräche geführt. Was also die Gewerkschaft dazu bringt ausgerechnet das Fleischerhandwerk als Problembereich zu definieren, bleibt schleierhaft. Unter dem Strich bleibt es bei unseren Positionen:
1. Wir halten den Mindestlohn für kein geeignetes Instrument, sind aber dennoch zu entsprechenden Gesprächen und Verhandlungen bereit.
2. Der Abschluss eines tariflichen Mindestlohnes kann nur in Frage kommen, wenn hiervon die gesamte Fleischwirtschaft erfasst wird. Ein Mindestlohn, der nur das Fleischerhandwerk bindet, wird sein eigentliches Ziel verfehlen und zu einer Zementierung von Wettbewerbsverzerrungen führen. Das können wir nicht mittragen.
Ich habe am 1. Oktober persönlich mit Herrn Möllenberg vereinbart, daß wir uns in Kürze zu einem offenen Gespräch zusammensetzen, um diese Irritation auszuräumen.
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Berufsgenossenschaft: FG soll selbstständig bleiben
Es gibt ein weiteres sozialpolitisches Thema, das uns nach wie vor sehr beschäftigt. Es geht um das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz, das der Bundestag Anfang August verabschiedet hat. Unter anderem wird dort festgelegt, dass die Zahl der gewerblichen Berufsgenossenschaften von derzeit über 20 auf 9 zu reduzieren ist.
Sollte diese Vorschrift tatsächlich so umgesetzt werden, dann wäre unsere Fleischerei-Berufsgenossenschaft zur Fusion mit einer oder mehreren anderen Berufsgenossenschaften gezwungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
lassen sie mich an dieser Stelle sagen, dass eine Fusion von Hause aus nichts Schlechtes sein muss. Es gibt Fälle – auch in unserer eigenen Organisation –, in denen Zusammenschlüsse ausgesprochen positive Wirkungen entfaltet haben. Aber dass eine solche Verbindung auch nicht in jedem Fall gut sein muss, könnte die Politik ja gerne mal bei den Vorständen von Daimler und Chrysler erfragen.
In diesem Zusammenhang wird auch interessant sein zu verfolgen, welche Auswirkungen die Fusionswelle im Bankenbereich vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise haben wird. Angesichts des Erdbebens, das die gesamte Finanzwelt erfasst hat, wünsche ich mir zwar sehr, dass all diese Verbindungen mit dazu beitragen, die Finanzwelt und damit die Weltwirtschaft zu stabilisieren. Allerdings fehlt mir der rechte Glaube, dass sich all diese Fusionen am Ende als erfolgreich erweisen.
Was die Berufsgenossenschaften angeht, so ist es ein durchaus erstrebenswertes Ziel, durch die Nutzung von Synergien insgesamt zu schlagkräftigen, verwaltungseffizienten Einheiten zu kommen. Wenn man sich allerdings die FBG etwas genauer anschaut, so stellt man fest, dass diese Berufsgenossenschaft schon jetzt zu den effizientesten und erfolgreichsten Sozialversicherungsträgern in ganz Deutschland gehört. Es ist unerträglich, dass diese erfolgreiche Institution nun zerschlagen werden soll, nur um einer willkürlich gegriffenen Zahl zu dienen.
Die gesamte Fleischwirtschaft, große und kleine Unternehmen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, haben über lange Monate hinweg in eindrucksvoller Weise für den Erhalt der FBG gekämpft. Zwar wurde von fast allen Politikern die Arbeit der FBG als hervorragend und vorbildlich gewürdigt, an dem sturen Festhalten an dem unsinnigen Reformvorhaben hat das jedoch nichts geändert.
Es würde den Rahmen dieser Veranstaltung sprengen, wollte man alle Initiativen, die wir zum Erhalt der FBG ergriffen haben, hier aufzählen. Ich darf aber an dieser Stelle festhalten, dass die Unterschriftenaktion, die rund 43.000 Unterschriften aus 4.600 Betrieben der Fleischwirtschaft erbracht hat, die zahllosen persönlichen Gespräche mit Bundestagsabgeordneten aller Parteien und die begleitende Öffentlichkeitsarbeit ein beispielloses Zeichen der Solidarität der gesamten Branchen mit ihrer Berufsgenossenschaft gegeben hat.
Die Folge dieser einmaligen Aktion ist, dass jeder weiß, dass die FBG hervorragende Erfolge, insbesondere auch in Sachen Prävention vorzuweisen hat. Jeder weiß, dass es für Betriebe und Versicherte der Branche zu einer Verschlechterung führen wird, sollte man mit einer anderen BG fusionieren müssen. Jeder weiß, dass es in einem solchen Fall für die Unternehmer teurer würde und die Präventionsleistungen für die Versicherten abnehmen würden.
Der Deutsche Fleischer-Verband stellt sich deshalb uneingeschränkt auf die Seite der Selbstverwaltungsorgane der Fleischerei-Berufsgenossenschaft, die nach wie vor entschlossen sind, um eine Selbstständigkeit der FBG zu kämpfen. Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es am Ende doch noch ein Einsehen geben wird und das einstimmige Votum von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern der gesamten Branchen respektiert wird.
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Kennzeichnung loser Ware
Ein gutes Beispiel dafür, dass es in der Zusammenarbeit zwischen politisch Verantwortlichen und Betroffenen auch andere Wege gibt, ist die Initiative rund um die Kennzeichnung von lose verkauften, also nicht verpackten Lebensmitteln. Diese Initiative wurde im vergangenen Jahr vom noch Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, gestartet mit dem Fokus auf Allergene Stoffe in Lebensmitteln. Anders als bei anderen Themen, die ich heute angesprochen habe, wurde hier jedoch nicht zuerst nach Vorschriften und Verpflichtungen gesucht, sondern im offenen Dialog mit der betroffenen Wirtschaft um freiwillige Lösungen geworben.
Der Deutsche Fleischer-Verband hat diese Anregung aufgenommen und arbeitet seit dem intensiv an einem Kennzeichnungsprojekt, mit Hilfe dessen die Betriebe in die Lage versetzt werden sollen, die Produkte, die in der Theke angeboten werden, mit umfassenden Informationen für die Verbraucher zu versehen. Dass das nicht in der Theke selbst, sondern in einer separaten Information erfolgen muss, liegt auf der Hand.
Wir verfolgen mit diesem Projekt mehrere Ziele. Im Vordergrund steht selbstverständlich die umfassende Information des Verbrauchers über Inhaltsstoffe, die wir – das darf man nicht vergessen – schon jetzt weitreichend erfüllen. Unser Verkaufspersonal ist in der Lage, gemeinsam mit dem Meister, der für die Herstellung der Produkte die Verantwortung trägt, umfassend aufzuklären. Um dem Kunden auch Schriftliches an die Hand geben zu können, ist unser Kennzeichnungsprojekt der richtige Weg. Es wird zudem dafür sorgen, dass das Verkaufspersonal noch besser in den wesentlichen Fragen geschult wird.
Die Umsetzung erfolgt in zwei Schritten. Zunächst bieten wir den Betrieben an, sich mit Informationen auszustatten, die auf der Grundlage von Standardrezepturen erarbeitet wurden. In der zweiten Stufe haben dann die Fleischer-Fachgeschäfte die Möglichkeit, über das Internet diese Rezepturen betriebsindividuell anzupassen. So kann jedes Unternehmen sehr schnell eine für den eigenen Betrieb zutreffende Verbraucherinformation zusammenstellen. Um dabei den berechtigten Interessen der Verbraucher so nahe wie möglich zu kommen, haben wir frühzeitig mit Interessengruppen, so zum Beispiel dem Deutschen Allergikerbund und anderen Verbraucherorganisationen Gespräche geführt.
In mehreren Treffen hatten wir zudem Gelegenheit, unser Projekt mit Minister Seehofer, und auch mit Ihnen, Herr Staatssekretär, eingehend zu besprechen. Wir freuen uns sehr, dass es realisiert werden konnte, und unser Vorhaben durch Mittel des Bundes gefördert wird.
Für die positive Begleitung des Antragsprozesses möchten wir ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär Lindemann, ganz persönlich danken. Ihre Moderation des nicht ganz unkomplizierten Verfahrens hat ganz wesentlich dazu beigetragen, uns in die Lage zu versetzen, ein sehr weitreichendes und zielführendes System zu erarbeiten. Ich freue mich deshalb sehr, dass ich vor wenigen Wochen aus ihrer Hand den Bewilligungsbescheid für die Fördergelder entgegennehmen konnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Kennzeichnung von Inhaltsstoffen von Lebensmitteln, die aus der Theke heraus lose verkauft werden, ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass im sachlichen Dialog zwischen politischen Entscheidungsträgern und der betroffenen Wirtschaft oft weit mehr erreicht werden kann als durch gesetzliche Verpflichtungen. Eine umfassende verpflichtende Kennzeichnung aller Produkte ist und bleibt für unsere Betriebe ein Ding der Unmöglichkeit.
Denken sie beispielsweise an die Produkte, die wir im Imbiss oder im Tagesmenügeschäft anbieten. Diese, aber auch einige Fleisch- und Wursterzeugnisse, werden individuell nach wechselnden Rezepturen hergestellt. Eine schriftliche Kennzeichnung dieser Produkte würde durch den völlig unverhältnismäßigen Aufwand zu einem Aus für diese Produkte führen.
Unser Projekt darf deshalb nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Kennzeichnung loser Ware generell und allumfassend möglich ist. Es kann deshalb auch kein Einstieg in eine Pflichtkennzeichnung sein. So gesehen vertrauen wir darauf, dass es bei dem politisch eingeschlagenen Weg bleibt, hier die freiwillige Kennzeichnung einer verpflichtenden Kennzeichnung aller Produkte vorzuziehen.
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Baustelle Ferkelkastration
Noch eine „Aktuelle Baustelle“ möchte ich kurz ansprechen: ich meine die Diskussion um die Betäubung bei der Ferkelkastration.
Jede Maßnahme, die dazu dient, den Schlachttieren unnötige Schmerzen zu ersparen, tragen wir mit. Das haben wir auch schon in unserem Leitbild des Fleischer-Handwerks so niedergeschrieben.
Wo wir uns aber gegen wehren, ist eine Ebermast,- in welcher Form auch immer. Die Risiken, abartigen Geruch im Fleisch beim Schlachtvorgang zuverlässig festzustellen, sind enorm hoch und deshalb eine große Gefahr für den Konsum von Schweinefleisch allgemein.
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Die Finanzkrise und das Handwerk
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir erleben derzeit eine weltweite Finanzkrise, für die es aus der Vergangenheit heraus kein Beispiel gibt. Gemeinsam mit anderen Gewerken machen wir durch den Zentralverband des Deutschen Handwerks deutlich, was unser Wirtschaftszweig von solchen Entwicklungen hält und welche Auswirkungen das auf die Kreditvergabe an das Handwerk hat!
Das hohe Ansehen, das Investmentbanker bisher genossen haben, hat uns schon länger verwundert. Mit fremdem Geld wurde da gespielt, gewettet und gezockt. Solange die kettenbriefartige Blase immer weiter aufgeplustert werden konnte, wurde mit Verachtung auf diejenigen geschaut, die mit ehrlicher Arbeit einen Bruchteil dessen verdient haben, was mit solchen Transaktionen aufgehäuft werden konnte.
Jetzt, da die Spielereien ein Ende haben, gibt es Heulen und Zähneknirschen. Man könnte das mit Schadenfreude verfolgen, wenn die Herrschaften nicht die ganze Wirtschaft mit an den Rand des Abgrunds gezogen hätten.
Wo wird das enden? „Alles halb so wild“, versichern uns Banker und Politiker seit Wochen und Monaten, nur um tags darauf die nächste Hiobsbotschaft zu verkünden. Ich persönlich habe das Vertrauen in all diese Beschwichtigungsversuche verloren. 700 Milliarden Dollar da, 35 Milliarden Euro hier … mit Steuergeldern, die rechtschaffende Leute erarbeitet haben, wird nun versucht, zu retten, was möglicherweise gar nicht mehr zu retten ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will hier keine Weltuntergangsstimmung verbreiten, aber diese skandalösen Zustände machen wütend und betroffen.
Während Finanzkonzerne weitgehend unkontrolliert Monopoly mit unser aller Zukunft spielen, werden dem aufrechten Handwerksmeister durch ständig neue Auflagen immer wieder Steine in den Weg gelegt. Einige davon habe ich gerade aufgezählt.
Während gescheiterte Investmentbanker kurz mit den Schultern zucken, ihre mit Provisionsgeldern gut gefüllten Kisten nehmen und weiterziehen, wird der Handwerksmeister, der in schwierigen Zeiten versucht, sein Unternehmen und die Arbeitsplätze zu retten, wegen Insolvenzverschleppung vor den Kadi gezerrt.
Kleine Unternehmer werden regelmäßig vom Finanzamt überprüft. Jeder hier im Saal kann davon berichten, wie gewinnbringend es offenbar für den Staat ist, bei solchen Betriebsprüfungen stundenlang über den privaten Nutzungsanteil der betrieblichen Waschmaschine zu diskutieren. In der gleichen Zeit werden Milliarden zur Rettung des maroden Finanzsystems den Banken vor die Tür gekippt.
Diese himmelschreiende Ungerechtigkeit werden wir nicht länger hinnehmen. Der immer wieder beteuerten Erkenntnis, dass Handwerk und Mittelstand das solide Rückgrat der Wirtschaft sind, muss weit mehr als bisher eine entsprechende Politik folgen.
Bislang haben wir um gerechte und wirtschaftsförderliche Rahmenbedingungen freundlich gebeten. Angesichts der aktuellen Entwicklungen werden 962.000 Handwerksunternehmer, 4,8 Millionen Beschäftigte und 480.000 Auszubildende solche fairen Rahmenbedingungen mit allem Nachdruck einfordern.
Trotz oder gerade wegen dieser Zustände werden wir weiter hart und beharrlich an der Zukunft unseres Handwerks arbeiten. Das gilt für die Betriebe ebenso, wie für den Deutschen Fleischer-Verband.
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Der Schluss
Ich konnte ihnen heute nur wenige Beispiele unserer Arbeit für das Fleischerhandwerk darstellen. Die Vielzahl weiterer Themen, die uns beschäftigt haben und uns in Zukunft beschäftigen werden, werden wir in den weiteren Veranstaltungen unseres Verbandstages eingehend behandeln.
Ich denke aber, dass an diesen wenigen Beispielen deutlich geworden ist, dass das intensive Arbeiten an den drängenden Sachfragen nicht nur notwendig, sondern in vielen Fällen auch erfolgreich ist. Wir werden auch in Zukunft die Stimme für das Fleischerhandwerk erheben, aus den genannten Gründen vielleicht auch etwas lauter a
Quelle: Hannover [ DFV ]