Auch inaktivierte probiotische Bakterien schützen vor Colitis
Die unspezifische (angeborene) Immunantwort ist die erste Verteidigungslinie gegen Infektionskrankheiten. Sie erfolgt allgemein auf Faktoren eindringender Erreger (Lipopoly-saccharide (LPS, Endotoxin), bakterielle Lipoproteine, Lipoteichonsäuren, Peptidoglykane, CpG-Nukleinsäuren). Die erste Herausforderung für den Wirt ist es, den Erreger aufzuspüren und eine schnelle Abwehrreaktion einzuleiten. Eine Gruppe von Proteinen, welche die Familie der Toll oder Toll-ähnlichen Rezeptoren umfasst, nimmt bei Wirbeltieren und wirbellosen Organismen diese Aufgabe wahr. Die TLRs (Toll-like receptors) dienen als sog. Mustererkennungsrezeptoren in Säugetieren und spielen eine essentielle Rolle bei der Erkennung mikrobieller Komponenten. Sie werden u. a. auf Makrophagen, dendritischen Zellen und B-Lymphozyten exprimiert und erkennen antigene Strukturen, die in der belebten Umwelt hoch konserviert sind, sog. Erreger assoziierte molekulare Muster. TLR2 wird durch bakterielle Lipoproteine aktiviert, TLR3 durch dsRNA, TLR4 durch LPS, und TLR9 wird durch CpG-DNA aktiviert. CpG-Motife kommen regelmäßig in bakteriellen und viralen Genomen vor, nicht aber in Genomen von Wirbeltieren. An der Wiedergabe der TLR vermittelten Signale sind rezeptornahe Adaptorproteine, z. B. der Signaltransmitter MyD88, beteiligt.
Eine Gruppe von Forschern aus Israel, den USA. und Japan (RACHMILEWITZ u. a.: Toll-like receptor 9 signaling mediates the anti-inflammatory effects of probiotics in murine experimental colitis) ging nun der Frage nach, ob die Abschwächung einer experimentell erzeugten Colitis durch lebende probiotische Bakterien auf deren immunostimulatorisch wirkende DNA zurückzuführen ist, ob eine TLR-Signaltransduktion erforderlich ist, und ob auch nicht lebende probiotische Bakterien wirksam sind. Dazu wurden vor der gezielten Induktion einer Colitis bei Versuchsmäusen zum einen methylierte und nicht methylierte genomische DNA aus probiotischen Bakterien eines kommerziellen Präparates (Mischung aus Lactobacillus casei, Lactobacillus plantarum, Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus, Bifidobacterium longum, Bifidobacterium breve, Bifido-bacterium infantis, Streptococcus salivarius subsp. thermophilus) und zum anderen mit DNAse behandelte DNA dieser probiotischen Bakterien und aus Escherichia coli DH5a intragastrisch (i.g.) oder subkutan (s.k.) verabreicht. Lebende oder durch -Bestrahlung inaktivierte probiotische Bakterien wurden i.g. an Wildtyp-Mäuse und an Mäuse ohne TLR oder Adaptorprotein MyD88 verabreicht, und zwar 10 Tage bevor den Mäusen Dextran-Natriumsulfat (DSS) zum Trinkwasser beigemischt wurde und über einen Zeitraum von 7 Tagen nach DSS-Gabe. Sowohl i.g. als auch s.k. verabreichte DNA von probiotischen Bakterien und von E. coli bewirkten einen für die Mäuse günstigeren Verlauf der DSS induzierten Colitis. Dagegen zeigten methylierte DNA von probiotischen Bakterien, Kalbsthymus-DNA und mit DNAse behandelte Probiotika keine Wirkung. Die Schwere der Colitis wurde durch i.g. Verabreichung abgetöteter, bestrahlter sowie lebender Probiotika gleichermaßen abgeschwächt. Mäuse ohne MyD88 zeigten keine Reaktion auf bestrahlte Probiotika. Mäuse ohne TLR2 und TLR4 reagierten bei Gabe bestrahlter Probiotika auf eine DSS-induzierte Colitis deutlich weniger, während Mäuse ohne TLR9 unter gleichen Bedingungen keine Reaktion zeigten.
Die Autoren folgern, dass die schützenden Wirkungen der Probiotika durch ihre eigene DNA vermittelt werden und nicht durch ihre Stoffwechselprodukte oder ihre Fähigkeit, den Dickdarm zu besiedeln. TLR9-Signalisierung ist unabdingbar für die Vermittlung der anti-inflammatorischen Wirkung von Probiotika. Lebende Mikroorganismen werden nicht benötigt, um eine experimentell induzierte Colitis abzuschwächen, da nicht lebende probiotische Bakterien genauso effektiv sind.
Quelle: Kulmbach [ KRÖCKEL ]