Lactobacillus johnsonii Genom entschlüsselt

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences 101, 2512-2517

Der Magen-Darm-Trakt (MDT) des Menschen ist ein nährstoffreiches Milieu, das von einer großen und komplexen Sammlung von Mikroorganismen kolonisiert wird. Die Mikroorganismen spielen eine wichtige Rolle für die Funktion und Entwicklung des Darms. Die Zusammensetzung der Mikroflora variiert individuell, altersabhängig und von Darmabschnitt zu Darmabschnitt. Mehr als 500 Bakterienarten sind in ihr enthalten. Die Bakterien wirken bei der Verdauung von Polysacchariden und Proteinen mit, und sie sind für einen großen Teil des MDT-Stoffwechsels verantwortlich. Sie produzieren zudem Vitamine, kurzkettige Fettsäuren und andere Nährstoffe für ihren Wirt.

Eine ausgeglichene und diverse Mikroflora ist essentiell für eine gesunde Darmfunktion und die Abwehr enterischer Erreger. Daher werden mehrere Lactobacillus-Arten, einige Bifidobakterien sowie von diesen fermentierte Lebensmittel in großem Stil als probiotische Lebensmittel vermarktet. Die Lactobacillus-Enterococcus Gruppe ist zu 6 % an der Zusammensetztung der fäkalen Mikroflora beteiligt und zu 23 % an der Mikroflora des Blinddarms am Übergang zwischen Dünn- und Dickdarm. Von den mehr als 50 bekannten Lactobacillus-Arten fand der ‚acidophilus-Komplex’, der aus 6 eng miteinander verwandten Arten besteht, besondere Beachtung, da diesen Mikroorganismen probiotische Eigenschaften zugeschrieben werden und sie regelmäßig aus Stuhl und von Schleimhäuten des Menschen isoliert werden.

L. johnsonii NCC533 (früher L. acidophilus La1) wurde in den letzten Jahren intensiv hinsichtlich seiner probiotischen Aktivitäten (Immunmodulation, Hemmung von Erregern, Anheftung an Epithelzellen) untersucht. Nun wurde das Genom dieses Bakteriums von einer Forschergruppe aus der Schweiz (Nestlé Forschungszentrum) und den USA (North Carolina State University, Raleigh und University of Georgia, Athens) vollständig sequenziert.

Das Genom umfasst 1.992.676 Basenpaare. Auffallend ist das Fehlen von Genen für die Synthese von Aminosäuren, Purinnukleotiden sowie die meisten Kofaktoren (Thiamin, Nikotinsäure, Riboflavin, Biotin, Cobalamin, Pantothensäure, Pydridoxin). Zum Ausgleich findet sich eine bemerkenswerte Anzahl ungewöhnlicher und oft duplizierter Aminosäure-Permeasen, Peptidasen und Transporter vom Phosphotransferase-Typ, was eine starke Abhängigkeit von L. johnsonii NCC533 von seinem Wirt oder anderen Darmorganismen nahelegt. Aus der Genomsequenz werden außerdem 12 große und ungewöhnliche Oberflächenproteine vorhergesagt, die für die Anheftung an Darmepithelzellen von Bedeutung sein könnten.

Drei Gallensalz-Hydrolasen (BSHs) und zwei Gallensäure-Transporter, die für das Überleben im MDT von Bedeutung sein sollen, wurden ebenfalls detektiert. Es wird angenommen, dass BSHs den Einbau von Cholesterol oder Galle in die Bakterienmembran erleichtern, wodurch die Fluidität oder Ladung so verändert wird, dass die Sensitivität gegen a-Defensine und andere Abwehrmoleküle des Wirts beeinflusst wird. Gene für die de novo Synthese der Pyrimidine dTMP, UMP und CMP sind vorhanden, nicht aber für die Purinbiosynthese. Dafür finden sich Gene für die Umwandlung von Inosin, Xanthin und Hypoxanthin in IMP, GMP und AMP. L. johnsonii NCC533 ist somit auxotroph für viele Grundbausteine, in Übereinstimmung mit seinen anspruchsvollen Nährstoffansprüchen. Die völlige Abhängigkeit von exogenen Aminosäuren geht einher mit einer ungewöhnlich großen Anzahl und Vielfalt von Proteinasen, Peptidtransportern und Peptidasen (> 25 cytoplasmatische Peptidasen).

Insgesamt scheint L. johnsonii NCC533, im Vergleich zu Bifidobakterien, Bacteroides und anderen Bakterien des Dickdarms, besser an das Milieu des oberen MDT angepasst zu sein. Es bleibt jedoch noch zu klären, ob L. johnsonii  ein „obligater“ Kommensale des MDT ist oder andere Reservoire hat. Das Genom von L. johnsonii ist über weite Strecken mit dem seines nächsten Verwandten, L. gasseri, identisch. Die Gene des Grundstoffwechsels zeigen > 94 % Sequenzidentität. Die vollständige Genomsequenz liefert die Grundlage für ein besseres Verständnis der kommensalen Wechselwirkungen mit dem Wirt ‚Mensch’.

Quelle: Kulmbach [ KRÖCKEL ]

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