Rückverfolgbarkeit bei Lebensmitteln - ein Instrument des aktiven Verbraucherschutzes

Erstes Bayreuth-Kulmbacher Fachgespräch - Aktuell

Der allgemeine und abstrakte Begriff der Rückverfolgbarkeit ist zu einem zentralen Thema der Zusammenarbeit aller Beteiligten in der Lebensmittel- und Futtermittelkette geworden. Die Forderung nach Rückverfolgbarkeit reflektiert das seit den neunz-ger Jahren erheblich gestiegene Interesse an der Herkunft und den weiteren Wegen der Produkte. Ein Auslöser war bereits lange vor ihrem Auftreten in Deutschland die BSE-Krankheit, die die Herkunft der Rinder zu einer wichtigen Information machte.

Die fortschreitende Internationalisierung des Agrarhandels, die immer komplexer werdenden Warenströme und Verarbeitungsprozesse haben die Rückverfolgbarkeit zu einem wichtigen Faktor für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz werden lassen. Für die Unternehmen ist in dem Zusammenhang der wirtschaftliche Gesichtspunkt der Schadensbegrenzung durch Rückverfolgbarkeit im Krisenfall von Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund ist die Rückverfolgbarkeit mittlerweile gesetzlich geregelt. Zum 1. Januar 2005 ist die EU-Verordnung 178/2002 "zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit" in Kraft getreten.

Die vergleichsweise einfach gehaltenen Anforderungen der VO 178/2002 sind insbesondere im Fleischsektor nicht neu. Fleischhygienerechtliche Vorgaben, branchenübliche Qualitätssicherungssysteme und die obligatorische Herkunftskennzeichnung von Rindfleisch gewährleisteten bereits vor dem 1.1.2005 umfassende Rückverfolgbarkeit.
 
Die Rindfleischetikettierung leistet mit der obligatorischen Herkunftskennzeichnung nur einen kleinen Beitrag zur Rückverfolgbarkeit. Wenn im Krisenfall Produktrückrufe erfolgen müssen, ist ein nationales Herkunftskennzeichen von begrenztem Wert. Hier hilft die Produktkennzeichnung nicht weiter, vielmehr müssen Unternehmen und Überwachungsbehörden auf funktionierende Organisationsstrukturen in der Kette zurückgreifen können.

Die Regelungen zur sog. freiwilligen Rindfleischetikettierung haben mit Rückverfolgbarkeit und Lebensmittelsicherheit nichts zu tun, sondern sind Ausdruck eines Politikstils, der auf Bevormundung, behördliche Reglementierung und "verordnete Lebensmittel" setzt.
 
Mit dem System der QS Qualität und Sicherheit GmbH ist erstmals eine stufenübergreifende Qualitätssicherung mit Anforderungen zur Rückverfolgbarkeit als branchenweite Lösung installiert worden. Für das Leitbild einer integrierten Produktions- und Wertschöpfungskette ist die Rückverfolgbarkeit zwingende Voraussetzung, und zwar in einer Qualität, die über das Prinzip "eine Stufe vor - eine Stufe zurück" hinausgeht. 
 
Die fleischhygienerechtlichen Anforderungen werden ab dem 01.01.2006 der Fleischwirtschaft neue Organisationsformen abverlangen. Ab diesem Zeitpunkt müssen Schlachttiere von Informationen begleitet werden, die deren Status in Bezug auf Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit beschreiben. Damit wird die Landwirtschaft als Lebensmittelunternehmer vollständig in die Verantwortungskette eingebunden und der Zwang zum geordneten Informationsmanagement geschaffen. An diesem Beispiel wird deutlich, dass gesetzliche Anforderungen an Rückverfolgbarkeit und Prozessgestaltung massive Strukturveränderungen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Gang setzen. Hier ist die Politik gefordert, in der Gratwanderung zwischen wünschenswerten Veränderungen und der gezielten Einflussnahme auf Wettbewerbsverhältnisse die richtige Balance zu bewahren.

Quelle: Kulmbach [ Manfred Nüssel, Deutscher Raiffeisenverband, Bonn ]

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