Rückverfolgbarkeit - Ein Rechtsgrundsatz mit praktischen Konsequenzen
40. Kulmbacher Woche - Kurzfassung Vortrag
Lebensmittelsicherheit ist das wesentliche Ziel der Regelungen der europäischen Verordnung 178/2002/EG. Bereits im Weißbuch der Kommission zur Lebensmittelsicherheit wurde als Ursache der Dioxinkrise mangelnde interne Kontrollen und Möglichkeiten zur Herkunftssicherung als wesentliche Missstände ausgemacht. Als einer der wichtigsten Punkte wurde daher bereits dort die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln durch die gesamte Herstellungskette herausgestellt, die nunmehr in Art. 18 VO 178/2002/EG vorgeschrieben wird.Dabei stellt Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 178/ 2002/EG klar, dass die primäre Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer trifft. Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit legt insbesondere Art. 14 der Verordnung 178/2002/EG fest und belegt unsichere Lebensmittel mit einem generellen Verkehrsverbot.
Dabei dient die Rückverfolgbarkeit dazu, innerhalb der Herstellungs- und Lieferkette unsichere Lebensmittel identifizieren zu können, um diese entsprechend der Verpflichtung des Art. 19 der Verordnung 178/2002/EG vom Markt zu nehmen sowie die Informationspflichten gegenüber den Behörden sowie dem Verbraucher zu erfüllen. In die Pflicht genommen wird insoweit auch der Einzelhandel, wenn auch in geringerem Maße gemäß Art. 19 Abs. 2 Verordnung 178/2002/EG.
Behörden wiederum sind gemäß Art. 10 der Verordnung 178/2002/EG zur Information der Öffentlichkeit befugt. Dabei sollen sie möglichst umfassend das Lebensmittel oder Futtermittel, das betroffen ist, bezeichnen. Auch dies ist nur möglich, wenn das Risiko z.B. durch eine Kontamination hinreichend genau auf bestimmte Produkte eingegrenzt werden kann.
Daher legt Art. 18 der Verordnung 178/2002/EG ein grundlegendes Regime der Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und Futtermitteln in allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen fest. Dabei muss jeder Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer in der Lage sein, die Person festzustellen, "von der sie ein Lebensmittel, Futtermittel, ein zur Lebensmittelgewinnung dienendes Tier oder einen Stoff, der dazu bestimmt ist oder von dem erwartet werden kann, dass er in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet wird, erhalten" hat.
Hierzu müssen die Unternehmen Systeme und Verfahren einrichten, die weiterhin darüber Aufschluss geben müssen, an wen sie ihre Erzeugnisse geliefert haben.
Fest steht dabei nur, dass in der Waren- und Lieferkette jeweils eine Stufe nach oben und eine Stufe nach unten Lebensmittel und Lebensmittelzutaten rückverfolgbar sein müssen. Eine stufenübergreifende Rückverfolgbarkeit ist demnach nicht vorgesehen.
Auch die Ausgestaltung der Systeme und Verfahren ist nicht geregelt, insbesondere sind keine aufwändigen EDV-Systeme oder derartiges vorgeschrieben. Allerdings ist der Wortwahl zu entnehmen, dass zumindest eine geordnete Übersicht vorhanden sein muss, um die Auskunftspflicht gegenüber den Behörden ggf. erfüllen zu können.
Probleme gibt es z.B. bei schüttfähigen Rohstoffen in Silos, Gewürzmischungen oder kontinuierlichen Produktionsvorgängen.
Letztendlich muss ein Lebensmittelunternehmer für sich aufgrund einer internen Analyse entscheiden, in welchem Ausmaß bzw. mit welcher Zielgenauigkeit Rückverfolgbarkeitssysteme im Unternehmen etabliert werden. Dies hängt u. a. vom Produktionsprozess, von kritischen Punkten in der Produktion, der Art der Erzeugnisse, der Schadenswahrscheinlichkeit, der Eingrenzbarkeit der Produkte, dem möglichen Imageschaden und den möglichen Kosten sowie einer Vielzahl weiterer Faktoren ab.
Letztendlich droht bei einem weitmaschigerem Rückverfolgbarkeitssystem die Gefahr der Rücknahme einer bzw. Information über eine wesentlich größere Warenmenge als bei einem engmaschigeren System. Jedes Lebensmittelunternehmen ist gehalten, sich aktiv Gedanken bezüglich der Rückverfolgbarkeit zu machen.
Quelle: Kulmbach [ A. MEISTERERNST - meyer // meisterernst Rechtsanwälte, München ]