Geschützte Rechtsräume - Zwischen spezifischen Produktmerkmalen und geographischen Angaben
40. Kulmbacher Woche - Kurzfassung Vortrag
I. Begriff geographischer Ursprungs- und Herkunftsangaben und Abgrenzung zu anderen Bezeichnungen
1. Geographische Herkunftsangaben
Geographische Herkunftsangaben dürften die älteste Form der Warenkennzeichnung sein, die noch weiter zurück reicht als das individuelle Herkunftszeichen, die Hersteller- oder Händlermarke. Heute haben solche Angaben zentrale Bedeutung für die Kaufentscheidungen der Konsumenten. Dies wird deutlich, wenn man an bekannte Bezeichnungen denkt wie Parmaschinken, Rioja, Tiroler Speck, Vorarlberger Käse, Nürnberger Lebkuchen und Kulmbacher Bier. Die hier genannten geographischen Herkunftsangaben verwenden einen geographischen Begriff, der auf eine bestimmte geographische Herkunft hinweist, den Namen eines Ortes, eines Landes oder einer Region. Man spricht diesbezüglich von unmittelbaren Herkunftsangaben.
Daneben gibt es mittelbare Herkunftsangaben, bei denen ein direkter geographischer Begriff fehlt, bei denen aber gleichwohl eine Bezugnahme auf den Herkunftsort, zum Beispiel durch Herkunftssymbole wie Namen und Abbildungen von Bauwerken oder charakteristischen Landschaften, erfolgt. So weist der Kölner Dom auf Köln und der Berliner Bär auf Berlin hin. Auch die Verwendung der Landessprache und der Landesfarben stellt eine mittelbare Herkunftsangabe dar. Schließlich kann die Aufmachung eine mittelbare Herkunftsangabe darstellen. Zu nennen ist hier die Bocksbeutelflasche, welche in Deutschland darauf hinweist, dass sie Wein aus Franken oder bestimmten badischen Gemeinden enthält.
2. Abgrenzung zu anderen Bezeichnungen
Keine geographischen Herkunftsangaben, sondern bloße Beschaffenheitsangaben liegen vor, wenn lediglich angegeben wird, was für die richtige Würdigung der Ware durch den Verbraucher notwendig ist.
Auch Gattungsbezeichnungen sind keine geographischen Herkunftsangaben. Hierzu zählen zum einen allgemeine Warenbezeichnungen, die es ermöglichen, die Ware von anderen zu unterscheiden. Dazu zählen Gattungsbezeichnungen, die aus geographischen Herkunftsangaben hervorgegangen sind, ihre ursprüngliche Bedeutung jedoch verloren haben, weil nur noch ein unerheblicher Teil des Verkehrskreises mit der Bezeichnung einen geographischen Hinweis verbindet. So weist der Begriff Pilsner Bier nur noch darauf hin, dass es sich dabei um ein helles bitteres Bier mit hohem Hopfenanteil handelt, nicht aber, dass es in Pilsen gebraut ist. Ebenso handelt es sich bei dem Namen Wiener Mischung nicht mehr um eine geographische Herkunftsbezeichnung, sondern nur noch um eine Sortenbezeichnung von mit Fruchtmark gefüllten Bonbons. Weitere Beispiele sind Wiener Schnitzel, Schwarzwälder Kirschtorte, Pekingente. Zum anderen gehören die Pseudoherkunftsbezeichnungen zu den Gattungsbezeichnungen. Das wohl bekannteste Beispiel einer Pseudobezeichnung ist die Bezeichnung Wiener Würstchen. Aber nicht nur verwendete, in Wirklichkeit bestehende Gebiete fallen unter die Pseudobezeichnung, sondern auch erfundene Ortsnamen.
Schließlich gehören Phantasienamen nicht zu den geographischen Herkunftsangaben, weil sie in der Regel durch den Verkehr nicht als Hinweis auf eine geographische Herkunft verstanden werden. Dies ist bei einer Bezeichnung wie Mont Blanc (für einen Füllfederhalter) gegeben.
II. Gemeinschaftsrechtlicher Schutz geographischer Herkunftsangaben durch die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92
1. Entwicklung des Rechtsschutzes auf Gemeinschaftsebene
Im Hinblick darauf, dass alle Mitgliedstaaten unterschiedliche einzelstaatliche Verfahren zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben kennen, hielt es der Rat der Europäischen Gemeinschaft für erforderlich, ein gemeinschaftliches Konzept zu verfolgen und eine Verordnung zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen einzuführen, um durch ein einheitliches Vorgehen gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Hersteller derart gekennzeichneter Erzeugnisse sicher zu stellen und dazu beizutragen, dass solche Erzeugnisse beim Verbraucher mehr Vertrauen genießen.
Durch die "Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel vom 14.7.1992" wird der Schutz der Ursprungsbezeichnungen und der geographischen Angaben der zum menschlichen Verzehr bestimmten Agrarerzeugnisse sowie bestimmter Lebensmittel geregelt. Durch die Begrenzung des Geltungsbereichs der genannten Verordnung auf Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, bei denen ein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Produkte und ihrer geographischen Herkunft besteht, verfolgte der Rat das Ziel, eine Diversifizierung der Agrarproduktion zu fördern, damit das Angebot besser an die Nachfrage angepasst wird. Außerdem hatte sich gezeigt, dass die Verbraucher für ihre Ernährung die Qualität der Quantität vorziehen. Dieses Interesse an Erzeugnissen mit besonderen Merkmalen soll geschützt werden. Der Verbraucher soll eine klare und knapp formulierte Auskunft über die Herkunft des Erzeugnisses erhalten, um so seine Wahl besser treffen zu können. Die Förderung von Erzeugnissen mit bestimmten Merkmalen soll vor allem in den benachteiligten oder abgelegenen Gebieten von Vorteil für die ländliche Entwicklung sein, weil zum einen eine Einkommenssteigerung der Landwirte und zum anderen die Verhinderung der Abwanderung der ländlichen Bevölkerung aus diesen Gebieten erreicht werden soll. Diesen Funktionen der geographischen Herkunftsbezeichnungen liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Verbraucher qualitativ hochwertige Produkte schätzt. Demgegenüber erstrecken sich die nationalen Schutzsysteme generell auf Waren und Dienstleistungen.
2. Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92
Der Anwendungsbereich dieser Verordnung ist in Artikel 1 der Verordnung beschrieben. Geschützt werden demnach die Ursprungsbezeichnungen und geographischen Angaben der im Anhang I EGV genannten, zum menschlichen Verzehr bestimmten Agrarerzeugnisse, der in Anhang I der Verordnung genannten Lebensmittel und der in Anhang II der Verordnung genannten Agrarerzeugnisse. (N.B.: Änderung der Verordnungs-Anhänge durch Verordnung (EG) 692/2003). Durch die Verweisung auf die Anhänge reicht damit der Anwendungsbereich der Verordnung von Fleisch, natürlichem Honig und Gewürzen bis zu Quellwasser und Wolle.
3. Bezeichnungsarten
Aufgrund der bestehenden Gepflogenheiten wurden zwei verschiedene Kategorien von geographischen Angaben festgelegt, und zwar die geschützten Ursprungsbezeichnungen und die geschützten geographischen Angaben.
Ursprungsbezeichnungen werden in Artikel 2 Absatz 2 lit. a) der Verordnung definiert als der Name eines geographischen Gebiets, aus dem ein Produkt stammt und dessen geographischen Verhältnissen (einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse) es seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich verdankt.
Die geographische Angabe ist nach Artikel 2 Absatz 2 lit. b) der Verordnung der Name für ein Erzeugnis, das aus dem Gebiet stammt und aus dem sich eine besondere Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus dem geographischen Ursprung ergibt und das in den begrenzten geographischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder hergestellt wurde.
4. Eintragungsverfahren
Ein subjektives Kennzeichenrecht an geographischen Herkunftsangaben entsteht durch Benutzung, wenn die Schutzvoraussetzungen eines rechtmäßigen Gebrauchs erfüllt sind. Weiterhin müssen aber geographische Angaben und Ursprungsbezeichnungen auf Gemeinschaftsebene in ein Gemeinschaftsregister eingetragen werden, damit deren Schutz in allen Mitgliedstaaten gewährleistet ist. Hierfür sieht die Verordnung ein Registrierungsverfahren mit Einspruchsrechten der Mitgliedstaaten und von der Eintragung betroffener Dritter vor.
Den erforderlichen Eintragungsantrag können Erzeuger und Verarbeiter-Vereinigungen stellen. Der Begriff Vereinigung ist dabei ungeachtet der Rechtsform zu verstehen, es können daher auch einzelne natürliche oder juristische Personen in Ausnahmefällen einen Antrag stellen. Dieser Antrag wird bei dem zuständigen Mitgliedsstaat gestellt, in dem sich das betreffende geographische Gebiet befindet. Für Deutschland ist der Antrag nach § 130 Absatz 1 Markengesetz an das deutsche Patentamt zu richten.
Dieser Antrag muss "Spezifikationen" enthalten, insbesondere den Zusammenhang zwischen Produkt und Herkunftsgebiet aufzeigen. Für die Eintragung einer Ursprungsbezeichnung verlangt die Verordnung in Artikel 2 Absatz 2 lit. a, dass das bezeichnete Produkt seine Qualität oder seine Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich der in Bezug genommenen geographischen Herkunft, "einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse", verdankt und dort erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde.
5. Schutzumfang
Die Eintragung gibt das ausschließliche Benutzungsrecht der geographischen Bezeichnung im Handelsverkehr für jedes Erzeugnis, das nach den festgelegten Produktionsbedingungen hergestellt wurde. Nach Eintragung in das Verzeichnis ist die Verwendung von Angaben "g.U." (geschützte Ursprungsbezeichnung) und "g.g.A." (geschützte geographische Angabe) gestattet, sofern die zu kennzeichnenden Produkte den diesbezüglichen Spezifikationen entsprechen (Artikel 4 und 8 der Verordnung).
Die Eintragung schützt gegen jede direkte und indirekte kommerzielle Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung für nicht unter die Eintragung fallende Erzeugnisse, jede Anspielung, Nachahmung oder widerrechtliche Aneignung der eingetragenen Bezeichnungen sowie alle sonstigen falschen oder irreführenden Angaben oder Praktiken, die sich auf die Herkunft des Produktes beziehen (Art. 13).
Umfasst wird dabei auch eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung und zwar selbst dann, wenn keinerlei Verwechslungsgefahr vorliegt. Der EuGH hat dies für die Verwendung der Bezeichnung Cambozola entschieden. Er sah die Bezeichnung als verboten an, da sie der geschützten Bezeichnung Gorgonzola offensichtlich phonetisch und dem Käse an sich optisch sehr ähnlich ist.
Durch die Eintragung werden Bezeichnungen durch Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung auch davor geschützt in eine Gattungsbezeichnung umgewandelt zu werden. Dies gilt selbst dann, wenn ein solcher Wandel bereits eingetreten ist.
III. Fortgeltung nationaler Schutzsysteme
Als problematisch hat es sich erwiesen, dass die Verordnung 2081/92 nicht regelt, inwieweit nationale Schutzsysteme neben der Gemeinschaftsrechtsverordnung weiter bestehen bleiben können. Diesbezüglich kann aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs davon ausgegangen werden, dass einfache Herkunftsangaben ohne engen Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Produkts und der geographischen Herkunft nicht von der Verordnung 2081/92 erfasst sind. Ihre Verwendung kann weiterhin durch nationale Bestimmungen geschützt werden. Wenn solche Angaben irreführend sind, können nationale Vorschriften eingreifen.
Wenn eine geografische Angabe nach der VO 2081/92 eingetragen ist, ist ein nationaler Schutz für diese Angaben nicht mehr zulässig.
Nationale Regelungen zum Schutz von Bezeichnungen mit spezifischen geographischen Bezugnahmen sind zulässig, sofern eine Bezeichnung nur deshalb nicht in das Gemeinschaftsregister eingetragen werden kann, weil der erforderliche Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Erzeugnisse und der geographischen Region fehlt. Denn die VO 2081/92 trifft nur für solche Bezeichnungen eine abschließende Regelung, bei denen zwischen den Merkmalen des Produkts und der regionalen Herkunft ein enger unmittelbarer Zusammenhang vorliegt.
Herkunftsangaben für Nichtlebensmittel und andere als Agrarprodukte unterliegen den nationalen Regelungen; in Deutschland sind diese im Markengesetz enthalten. So handelt es sich bei der Bezeichnung "Made in Germany" um eine geschützte geographische Herkunftsangabe.
Quelle: Kulmbach [ G. DANNECKER, Universität Bayreuth ]