Generation 55+: Von Handel und Konsumgüterindustrie vernachlässigt

Bedeutung der "Generation 55+" für den Konsum wird noch unterschätzt / Studie: Unternehmen müssen demographischen Wandel als Chance begreifen / Marketing nimmt Ältere als Zielgruppe bislang kaum wahr

Die "Generation 55+" ist als Kundengruppe nicht nur in Zukunft, sondern schon heute von größter Bedeutung. Bei vielen Unternehmen ist diese Botschaft allerdings noch nicht angekommen: Während sich einzelne Branchen wie Banken, Versicherungen und Touristik auf die besonderen Bedürfnisse der "neuen Alten" bereits eingestellt haben, gibt es vor allem bei Handelsunternehmen und Konsumgüterherstellern noch Nachholbedarf bei der Gestaltung des Produkt- und Dienstleistungsangebots. Auch das Marketing bleibt allzu oft auf die vermeintlich werberelevante Zielgruppe von 14 bis 49 Jahren konzentriert – obwohl Ältere eine wichtige und bald die entscheidende Käuferschicht bilden. Die Studie "'Generation 55+' – Chancen für Handel und Konsumgüterindustrie" von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) und der Universität St. Gallen zeigt, dass eine intelligente Ausrichtung auf die Wünsche und Bedürfnisse älterer Konsumenten nicht nur erhebliche Wachstumschancen bietet. "Unternehmen müssen den demographischen Wandel als volkswirtschaftlichen Faktor sogar zwingend berücksichtigen und die Weichen für ihre Produkt- und Marketingstrategie bereits jetzt stellen", mahnt Gerd Bovensiepen, Leiter des Competence Centers Retail & Consumer von PwC, an. Denn der Markt für ausgesprochene "Jugendprodukte" werde zwar nicht verschwinden, aber deutlich schrumpfen.

Hohes Kaufkraftpotenzial

Die "Generation 55+" wird als Käuferschicht häufig unterschätzt. Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die 55- bis 65-Jährigen mit knapp 2.360 Euro monatlich pro Haushalt mehr für den Konsum aufwenden als der Bevölkerungsdurchschnitt. Zudem geben sie einen größeren Teil ihres verfügbaren Einkommens aus. Haushalte mit einem Einkommensbezieher über 65 Jahren verwenden im Durchschnitt 82 Prozent ihres Einkommens für den Konsum. Der Durchschnittswert aller Privathaushalte liegt bei 75 Prozent.

Gleichzeitig unterscheidet sich der typische Warenkorb älterer Konsumenten deutlich vom Bevölkerungsdurchschnitt: Vor allem für die Gesundheitspflege und Haushaltsdienstleistungen gibt die "Generation 55+" überdurchschnittlich viel Geld aus. Doch auch weniger nahe liegende Produkte fragen die "neuen Alten" stark nach: Schon heute ist knapp jeder zweite Neuwagenkäufer älter als 50 – ein Trend, der sich auch in den Käuferstatistiken von Premiumherstellern wie Mercedes oder Porsche nieder schlägt. Das Lebensalter allein sagt über Konsumneigungen immer weniger aus.

Geschäftsmodell demographiefest machen

Die Kaufentscheidung der "Generation 55+" wird zukünftig oftmals über den Erfolg und den Fortbestand von Unternehmen entscheiden. "Wer in Zukunft wachsen will, muss sein Unternehmen auf den 'Demographie-Prüfstand' stellen", rät Gerd Bovensiepen von PwC. Handels- und Konsumgüterunternehmen müssen genau prüfen, welche Märkte sie künftig mit welchem Produkt- und Dienstleistungsspektrum in welcher Form bedienen wollen. Der Blick in Länder wie Japan und die USA bietet zahlreiche Anregungen für Innovationen in alternden Märkten.

Qualität ist wichtiger als der Preis

Die "Generation 55+" stellt besondere Anforderungen an Waren und Dienstleistungen, ist aber im Gegenzug auch bereit, höhere Preise zu bezahlen. "Hersteller müssen vor allem auf Qualität und Bedienkomfort (Convenience) ihrer Produkte achten. Der Handel kann hingegen mit Beratung und Service bei älteren Kunden punkten, " so Professor Marcus Schögel von der Universität St. Gallen. Eine optimale Berücksichtigung dieser Faktoren setzt eine enge Kooperation zwischen Herstellern und Handelsunternehmen voraus. Praxisbeispiele sind allerdings noch selten. Wie wichtig die Betonung von Qualität, Convenience, Beratung und Service für den Markterfolg in der Kundengruppe der "Generation 55+" ist, zeigt eine Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen: So würden fast 60 Prozent der Älteren ein Produkt nicht noch einmal kaufen, mit dessen Verpackung sie unzufrieden sind. Bei Lebensmitteln bekommen kleinere Packungsgrößen den Vorzug, selbst wenn sie teurer sind. Und der Anteil älterer Kunden, die beim Einkauf kleinere, beratungsorientierte Geschäfte dem Verbrauchermarkt auf der "grünen Wiese" vorziehen würden, ist deutlich höher".

"Seniorenteller" ist unerwünscht

Die "Generation 55+" definiert sich im Gegensatz zu früheren Generationen weniger über ihr Lebensalter als über ihren Lebensstil. Sie fühlt sich nicht alt. Entsprechend ablehnend reagiert die Zielgruppe auf eine direkte Ansprache: In einer Umfrage von Datamonitor gaben über 98 Prozent der Befragten an, sich nicht als "Senior" bezeichnen lassen zu wollen. Eine klare Mehrheit lehnte auch den Begriff "50-plus" ab. "Zu junge und dynamische Werbung erreicht die Zielgruppe ebenso wenig wie eine allzu beschauliche Inszenierung des Lebensabends. Ein erfolgreiches Marketing spricht ältere Konsumenten als "Mitte des Marktes an", so PwC-Experte Bovensiepen. Gelungene Beispiele hierfür sind die Produktlinie "Nivea vital" von Beiersdorf oder der "Club Elan" des Reiseveranstalters TUI. Die Angebote sind auf die Bedürfnisse der älteren Generation zugeschnitten, ohne dies explizit auszusprechen.

Auch die Wahl des Werbemediums ist ein wichtiger Faktor. Ältere Konsumenten sehen deutlich mehr fern, lesen Tageszeitungen und lassen sich durch Werbeaktionen in Geschäften ansprechen. Außenwerbung über Poster und Plakatwände, Kinospots oder gar Direktwerbung per SMS erreicht die "Generation 55+" hingegen kaum.

Eine alternative Strategie, insbesondere für Unternehmen mit einem altersübergreifenden Zielgruppenfokus, ist das so genannte Ageless Marketing. Dahinter steht der Gedanke, nicht das Alter, sondern den relevanten Kundennutzen eines Produktes oder einer Dienstleistung in den Vordergrund zu stellen. Die Produktentwicklung orientiert sich an den spezifischen Bedürfnissen der älteren Kundensegmente und nutzt etwa im Hinblick auf Klarheit und Einfachheit auch allen anderen Kundengruppen. "Dies führt zu einer Umkehrung des Werbemythos 'Zeige die Jugend und du erreichst gleichzeitig das Alter' zugunsten des Ansatzes 'Orientiere dich an den hohen Produktanforderungen deiner älteren Kunden und du erreichst damit gleichzeitig die Jungen, " so Professor Marcus Schögel.

Quelle: Frankfurt am Main [ pwc ]

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