Selbst Maden streben nach Gewinn

Forscher publizieren neue Verhaltensexperimente

Im Sommer kann es schnell passieren: Die Biotonne füllt sich mit ungebetenen Gästen. Oft sind es Heerscharen von nimmersatten Maden, die sich an den Küchenabfällen laben. Verfressenes, hirnloses Gewürm? Absolut nicht. Auch Maden mit ihrem einfachen Nervensystem sind zu erstaunlichen Verhaltensleistungen fähig. Forscher vom Biozentrum der Uni Würzburg haben jetzt gezeigt, dass die Tiere in gewisser Weise sogar über die Konsequenzen ihres Verhaltens "nachdenken".

Die nur drei Millimeter großen Maden der Taufliege Drosophila können durch Erfahrung lernen, dass ein bestimmter Geruch zuckerhaltige Nahrung verspricht, ein anderer Duft dagegen nicht. Sie behalten das im Gedächtnis. "Wenn sie den ersteren Duft später erneut riechen, werden sie sich daran erinnern, dass er das Vorhandensein von süßem Futter signalisiert", sagt der Biologe Bertram Gerber. Aber: Bevor die Larven schnurstracks zur Quelle des Geruchs laufen, "denken sie nach".

Sie prüfen nämlich zuerst einmal, in welcher Situation sie sich gerade befinden und ob es ihnen in dieser Lage überhaupt einen Vorteil bringt, sich zum Duft hinzubewegen. Sitzen die Larven zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon auf einem Haufen süßen Futters, werden sie keinen Schritt in Richtung Zuckerduft tun. Steht ihnen aber im Moment kein Futter zur Verfügung, werden sie den Weg zum besser gedeckten Tisch auf sich nehmen.

"Die Larven setzen die Informationen aus ihrem Gedächtnis nur dann in Verhalten um, wenn ihnen das etwas bringt. Sie streben sozusagen nach Gewinn", bringt Gerber die Sache auf den Punkt. Dass zwischen dem Abrufen des Gedächtnisses und der daraus folgenden Handlung noch ein regulatorischer Zwischenschritt steht - in diesem Fall eine Bewertung der Situation, gewissermaßen ein "Nachdenken" - war bislang nur von Menschen und höheren Tieren bekannt, nicht aber von Insekten. Die Würzburger Forscher schließen daraus, dass der "Nachdenkeschritt"
generell grundlegend für die Verhaltenssteuerung ist - eine Annahme, die insbesondere auch von dem Würzburger Psychologie-Professor Joachim Hoffmann vertreten wird.

Die Experimente, die Gerber und sein Kollege Thomas Hendel auf Anregung von Hoffmann hin angestellt haben, sind detailliert im Fachblatt "Proceedings" der britischen Royal Society beschrieben. Sie funktionierten übrigens auch in die andere Richtung: In diesem Fall signalisierten die Düfte, die sich die Larven im Training gemerkt hatten, kein gutes, sondern ekelhaftes Futter - die Wissenschaftler hatten es mit extrem viel Salz oder bitteren Stoffen versetzt.

Erneut hatten die Tiere die Wahl: Aus einer Richtung bekamen sie einen neutralen Duft serviert, aus der anderen umwehte sie der Geruch, der sie an salziges Futter erinnerte. In einer neutralen Situation machten sie keine Anstalten, ihren Platz zu wechseln. Wurde der gleiche Versuch aber auf versalzenem Futter gemacht, bewegten sich die Larven in Richtung des neutralen Duftes. Durch dieses Verhalten entkamen sie der unangenehmen Situation. Beim ersten Experiment dagegen hätte es ihnen keinen Vorteil gebracht, ihren Platz zu verlassen.

Quelle: Uni Würzburg [ Bertram Gerber und Thomas Hendel ]

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