Handwerkskammer vom Bundesverfassungsgericht gebremst
Kein Betriebsbesichtigungsrecht der Handwerkskammern bei Gewerbetreibenden, die die Eintragungvoraussetzungen in die Handwerksrolle nicht erfüllen
Der Beschwerdeführer ist gelernter Maler- und Lackierergeselle. Die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt er nicht. Ihm war eine Reisegewerbekarte für „Reparaturen und kleinere Handreichungen an Ort und Stelle“ erteilt worden, wobei „Neuherstellungen (bei Maler- und Verputzerarbeiten)“ ausdrücklich ausgenommen waren. Im Oktober 2003 versuchte ein Beauftragter der Handwerkskammer auf der Grundlage von § 17 Abs. 2 Handwerksordnung, bei dem Beschwerdeführer einen „Betriebsbesuch“ vorzunehmen. Es bestehe der Verdacht, dass der Beschwerdeführer unerlaubt dem Maler- und Lackiererhandwerk nachgehe, weil er nicht in der Handwerksrolle eingetragen sei. Der Beschwerdeführer erteilte der Handwerkskammer Hausverbot und beantragte vor dem Verwaltungsgericht die Feststellung, dass die Handwerkskammer nicht berechtigt sei, bei ihm eine Haus- oder Betriebsbesichtigung vorzunehmen. Die Klage wurde abgewiesen. Sein Rechtsmittel vor dem Verwaltungsgerichtshof war erfolglos.
Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die gerichtlichen Entscheidungen auf.
Die Annahme der Fachgerichte, dass die Handwerkskammer berechtigt sei, bei dem Beschwerdeführer eine Betriebsbesichtigung durchzuführen, sei mit dem Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) nicht zu vereinbaren.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Das Betreten der Räume diente nicht einem erlaubten Zweck. Zweck des in § 17 Abs. 2 HandwO geregelten Betretungsrechts ist die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen in die Handwerksrolle. Um die Handwerksrolle korrekt führen zu können, müssen die Handwerkskammern über Informationen verfügen, die sie zur Prüfung befähigen, ob ein Betrieb einzutragen oder zu löschen ist. Bei dem Beschwerdeführer liegen die persönlichen Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle erkennbar nicht vor. In dieser Konstellation kann der Zweck der Ausübung des Betretungs- und Besichtigungsrechts nicht in der Eintragung des Beschwerdeführers in die Handwerksrolle bestehen.
Es steht bereits hinreichend sicher fest, dass es für die korrekte Führung der Handwerksrolle keiner weiteren Informationen mehr bedarf, die durch eine Betriebsbesichtigung zu erlangen wären.
Zweck des Betretungsrechts ist es dagegen nicht, dass sich die Handwerkskammern auf diesem Weg Informationen über rechtswidrig tätige Gewerbetreibende verschaffen können, um bei der zuständigen Verwaltungsbehörde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren herbeizuführen.
Aufgabe der Handwerkskammern ist es, als Organisation der Selbstverwaltung die Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen und nicht als staatliche Aufsichts- oder Verfolgungsbehörden tätig zu sein. Dies wird durch den seit 2004 neu gefassten § 17 Abs. 1 Satz 2 HandwO bestätigt; denn den Handwerkskammern wird nunmehr ausdrücklich untersagt, die nach dieser Vorschrift gewonnenen Erkenntnisse, die für die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen nicht erforderlich sind, für andere Zwecke, namentlich für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu verwerten. Die Beschränkung des Betretungsrechts der Handwerkskammern auf den Zweck der korrekten Führung der Handwerksrolle ist umso mehr angezeigt, als anderenfalls der Zutritt der Handwerkskammern in die Nähe einer – gemäß Art. 13 Abs. 2 GG dem Richtervorbehalt unterliegenden – Durchsuchung geriete.
Hingegen ist die gesetzliche Regelung in § 17 Abs. 2 HandwO selbst nicht verfassungswidrig; denn sie ist einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Dem Wortlaut entsprechend darf die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen bei einzutragenden Gewerbetreibenden nur unter der Fragestellung erfolgen, ob ein Gewerbetreibender durch die Handwerkskammer tatsächlich in die Handwerksrolle einzutragen ist. Steht von vorneherein unzweifelhaft fest, dass dies nicht der Fall ist, besteht kein Betretungsrecht.
Quelle: Karlsruhe [ bvg ]