Aufrötung von Rindfleisch durch Sauerstoffdruckbehandlung

Kurzfassung eines Vortrages der 43. Kulmbacher Woche 2008

Das Forschungsvorhaben zielte auf eine exakte Analyse grundlegender Mechanismen und Wirkungsweisen der in der Praxis zunehmend genutzten Möglichkeit, Fleisch durch Oxidation seines Myoglobins unter Anwendung von Überdruck in einem sauerstoffangereicherten Milieu verkaufsfördernd aufzuröten. Die praktischen Untersuchungen erfolgten nach statistisch-analytischen Gesichtspunkten in Form eines dreifaktoriellen Response Surface Designs, unter dreifacher Ausprägung der einzelnen Faktoren also einem dreifaktoriell-dreigradig abgestuften BOX-BEHNKEN-Design. Hierbei wurden als unabhängige Variablen die Temperatur, bei der das Fleisch in einem Druckbehälter gelagert wird (Variable „Temp“, abgestuft zu: 2 °C, 4,5 °C und 7 °C), der prozentuale Sauerstoffgehalt der Gasatmosphäre (Variable „O2“, in: 60, 80 und 100 %) und der im Behälter herrschende Gasdruck (Variable „bar“, zu: 3, 5.5 und 8 bar Überdruck) in ihrer Auswirkung auf die Aufrötung anhand der Ausbreitung sichtbar oxygenierten Myoglobins (= abhängige Variable) im Gewebe über die Zeit untersucht. Zur Auswertung der Datensätze wurden die auf Plausibilität untersuchten, replizierten Messdaten zunächst einer multivariaten Variablenselektion nach McHENRY unterzogen und dann unter Zugrundelegung quadratischer Wirkungsmodelle aus den mehr als 1800 Messdaten mathematisch-deskriptive Modelle der Wirkungsprozesse entwickelt. Anschließend erfolgte je Variable eine Residualanalyse der so entwickelten Modelle in Bezug auf die Messdaten. Obwohl es sich zeigte, dass die Temperatur solitär nur einen marginalen Einfluss auf die Erklärungsgüte besitzt, brachte ihre Einbindung in ein dreifaktorielles Modell geringere Residuen, als das Arbeiten mit einem etwas einfacher aufgebauten, zweifaktoriellen Modell ohne diese. Bei genügend hoher Güte des Modells wurden Modelldaten über den gesamten Versuchsraum mittels eigenprogrammierter Rou-tinen je Variable errechnet und dreidimensional dargestellt.

Einen gewissen Einfluss hat die vorherrschende Temperatur auf die Eindringtiefe einer Oxygenierung über die Zeit, wobei aber mit steigendem Druck diese Temperaturabhängigkeit abnimmt. Bei niedrigem bis mittlerem Druck sind niedrige Temperaturen von Vorteil. Bei niedrigeren Temperaturen zeigt auch das Myoglobin selbst eine trägere Tendenz, sich mit Sauerstoff zu sättigen. Mit steigenden Temperaturen prägt sich zunehmend eine Druckabhängigkeit aus. Während bei 2 °C eine Drucksteigerung die Aufrötung nur marginal beschleunigt, ist dies bei 4,5 und v. a. bei 7 °C sehr deutlich der Fall. Auch wird das Ausmaß der Aufrötung selbst gesteigert, wobei man hier ein Optimum bei 4,5 °C bestimmen kann. Dies ist u. a. über postmortal zu der Aufrötung antagonistisch ablaufende Stoffwechselaktivitäten im Muskel zu er-klären, die bei 7 °C offensichtlich schon stark genug ausgeprägt sind, eindringenden Sauerstoff in den tieferen Gewebsschichten aufzuzehren. Bei 4,5 °C und hohem Druck scheint aber eine gewisse Balance zwischen schneller Oxygenierung des Myoglobins in Kombination mit reduzierten sauerstoffzehrenden postmortalen Stoffwechselprozessen zu bestehen. Die besten Ergebnisse lassen sich mit hohem Druck bei mittleren Kühltemperaturen erzielen. Allgemein führt zudem eine möglichst hohe Sauerstoffkonzentration in Kombination mit einem hohen Druck zu der weitesten Ausbreitung sichtbar oxygenierten Myoglobins im Gewebe. Ein Optimum ist klar bei 4,5 °C, 8 bar Druck und 100 % Sauerstoffgehalt auszumachen. Geschwindigkeit und Ausdehnung der Aufrötezone ist im Vergleich zu allen anderen Szenarien hier am größten. Wenn man das Fleisch analog dazu bei 7 °C behandelt, ergeben sich erstaunlicherweise bessere Ergebnisse als bei einer Behandlung bei 2 °C. Niedrige Temperaturen führen offensichtlich zu sehr schlechten Ergebnissen ansonsten optimal eingestellter Parameter.

Analytisch, sensorisch und messtechnisch waren deutliche Abweichungen resp. Veränderungen sauerstoffdruckbehandelten Rindfleisches im Vergleich zu den sonst üblichen Lagerungsformen in Vakuumbeutel oder Stickstoffschutzgasatmosphäre zu verzeichnen. So waren schon nach 24 Stunden Verderbsparameter der Fettoxidation massiv erhöht. Auch wichen die Geruchsprofile bei Messungen mit der elektronischen Nase signifikant von denen frischen resp. Vakuum- oder stickstoffgelagerten Fleisches ab. Ähnliche Ergebnisse erbrachten umfangreiche sensorische Analysen in mehrfach replizierter Form des Dreieckstests (n = 324). Dabei wurden Proben aus denselben Teilstücken miteinander verglichen, die einerseits einer Behandlungsdauer von ca. 8 Stunden, wie offenbar in der Praxis üblich, unterworfen und dann unter Sauerstoff-CO2-MAP (70/30) gelagert wurden, sowie andererseits parallel als Vakuum- und als Stickstoff-CO2-MAP (70/30) hergestellt und ebenso gelagert wurden. Neben geruchlich-geschmacklichen Einbußen in Richtung des Komplexes Oxidation (= Altgeschmack, flaches Aroma etc.) zeigt das durch O2 aufgerötete Fleisch deutlich wahrnehmbare strukturelle Mängel (Strohigkeit etc.), was sich übrigens mit dem internationalen Schrifttum zu sensorisch nachweisbaren Veränderungen durch Fleischlagerung unter Sauerstoffüberangebot deckt. Behauptungen, dass eine Sauerstoffdruckbehandlung ohne Einfluss auf Fleischqualität oder strukturelle Beschaffenheit sei, konnten weder messtechnisch noch sensorisch analytisch nachvollzogen werden.


Quelle: Kulmbach [ NITSCH, P. ]

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