Geistige Herausforderung hält Hirn auf Trapp
Regelmäßige sportliche Aktivität hält Herz und Hirn auf Trapp. Um im Alter geistig fit zu bleiben, ist neben physischer aber auch mentale Aktivität, also eine Art Hirnjogging, gefordert. Wie wichtig ein gebündeltes Präventionspaket von sportlicher Aktivität und intellektueller Betätigung gerade für ältere Menschen im Hinblick auf Auftreten und Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung ist, von der mittlerweile weltweit bereits 25 Millionen Menschen betroffen sind, beweisen jetzt Forschungsergebnisse am Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums Münster (UKM). In Kooperation mit dem Institut für Verhaltensbiologie der Universität Münster konnte experimentell unter anderem nachgewiesen werden, dass bei regelmäßiger körperlicher und kognitiver Herausforderung Zahl und Ausdehnung der bei Alzheimer-Krankheit charakteristischen Eiweißablagerungen (Plaques) im Gehirn deutlich geringer sind. Gleichzeitig zeigten Verhaltensstudien signifikant bessere Gedächtnisleistungen.
Dass physische und intellektuelle Aktivität das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung reduziert und ihren Verlauf verlangsamt, wurde bereits in großen epidemiologischen Studien beobachtet, die Anfang des Jahrtausends in den USA durchgeführt wurden. Warum das so ist, war bislang allerdings nicht bekannt. "Man wusste, das im Gehirn was passiert, aber nicht genau was und warum", erklärt Privatdozentin Dr. Kathy Keyvani die Ausgangssituation für die münsterschen Forschungsarbeiten. Hinter denen steht nach Worten der jungen Medizinerin letztlich auch eine große Hoffnung. Denn wenn die einschlägigen Mechanismen im Gehirn genauer bekannt sind, so können sie womöglich eines Tages gezielt medikamentös beeinflusst werden. Und zwar dahingehend, dass die Wirkung von körperlicher und geistiger Aktivität verstärkt und dadurch der Demenz noch nachhaltiger begegnet wird.
Im Rahmen von verhaltensbiologischen Untersuchungen haben die münsterschen Wissenschaftler zunächst nachgewiesen, dass Mäuse, die in einer "angereicherten" Umgebung gehalten werden, in der es viel zu spielen und zu entdecken gibt, so etwas wie einen Vitaminstoß für ihre geistige Leistungskraft erhalten. Das heißt, ihr Gedächtnis ist signifikant besser als das von Artgenossen, die in einer schlichten Umgebung gehalten werden, in der sie keinerlei kognitive Stimulation erfahren.
Dass dieses Ergebnis der verhaltensbiologischen Untersuchungen mit entsprechenden histologischen Veränderungen korrespondiert, haben anschließend sehr eindrucksvoll die anschließenden Hirnuntersuchungen im Institut für Neuropathologie gezeigt. So war zum einen die Zahl der für Alzheimer charakteristischen Plaques, das heißt der Ablagerungen eines bestimmten Eiweißes (Beta-Amyloid), außerhalb der Zellen in den Gehirnen der Tiere, die in den angereicherten Käfigen gehalten wurden, um fast ein Drittel reduziert. Auch waren die einzelnen Plaques im Schnitt nur halb so groß. Noch auffälliger war der Unterschied bei entsprechenden Protein-Ablagerungen in den Gefäßwänden: Hier lag die Reduktion bei 60 Prozent. Die Eiweißablagerungen sind deshalb so gefährlich, weil sie zum Beispiel dafür sorgen, dass neben der Brüchigkeit der Gefäßwände und dem erhöhten Risiko für Hirnblutungen auch der Sauerstofftransport im Gehirn beeinträchtigt wird. Und dies widerum verstärkt die bei Alzheimer-Krankheit typischen Symptomen wie Gedächtnisstörungen, Verhaltensveränderungen und schlechterer Orientierung.
In weiteren Untersuchungen haben die münsterschen Forscher herausgefunden, dass bei kognitiver Herausforderung bestimmte Gengruppen anders exprimiert werden. Dadurch wird sehr wahrscheinlich einerseits die Aggregation, das heißt das Zusammenklumpen einzelner Protein-Bruchstücke zu Plaques, erschwert und auf der anderen Seite der Abbau der Plaques angekurbelt. Nächstes Ziel der Forschungsarbeiten am Institut für Neuropathologie des UKM ist es jetzt, die dabei ablaufenden molekularen Kaskaden genau zu identifizieren, um sie dann in einer ferneren Zukunft gezielt durch pharmakologische Interventionen zur Verstärkung der positiven Effekte von körperlicher und kognitiver Aktivität beeinflussen zu können. Dadurch könnte dann das Auftreten einer Alzheimer-Erkrankung weiter hinausgeschoben und ihr Verlauf verlangsamt werden.
Quelle: Münster [ ukm ]