Schulmensa als Erlebnisgastronomie
Gesundheitsfördernde Schule ist längst keine Utopie mehr
Die Zahl der übergewichtigen Kinder bei Einschulungsuntersuchungen steigt jedes Jahr . Da die Familien allein oft nicht in der Lage sind, diesem Problem zu begegnen, werden die Schulen vermehrt dazu aufgerufen, hier entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Aber können das Lehrerinnen und Lehrer überhaupt noch leisten?Um es kurz zu machen: Ja, sie können. Bei der Lehrerfachtagung des Netzwerks Gesunde Ernährung am 16. September in Essen ging es nicht darum, ein neues theoretisches Konzept "am grünen Tisch" zu entwickeln, sondern es wurden praktisch umsetzbare Modelle und Aktivitäten vorgestellt. Dabei standen ganzheitliche Ansätze und bewährte Strategien im Mittelpunkt. "Ernährungs- und Gesundheitsbildung muss in einer Schule geschehen, die nicht Lernwissen, sondern Erfahrungswissen und Lebensführungskompetenzen vermittelt", so Dr. Margret Büning-Fesel für das Netzwerk Gesunde Ernährung.
In einer gesundheitsfördernden Schule geht es neben einer aktiven Beteiligung aller Schüler besonders auch um das Wohlbefinden der Lehrer in ihrer Leitbildfunktion und um die Unterstützung und Mitarbeit der Eltern. "Insbesondere das Gesundheitsbewusstsein der Lehrerinnen und Lehrer, ihre Motivation, ihr Vorbild und nicht zuletzt ihre Gesundheit und Berufszufriedenheit sind der Schlüssel für eine gesundheitsfördernde Schule", betonte Büning-Fesel.
Wie das in der Praxis funktionieren kann, erläuterte Martina Moritz, Lehrerin an der Offenen Schule Kassel-Waldau sehr anschaulich. Die Geschichte dieser Schule begann Ende der 60er Jahre: Ein viereckiger Klotz wurde auf grünem Rasen abseits der Innenstadt gebaut. Für 1200 Schüler, mit Klassenräumen, die 35 bis 40 Schüler aufnehmen müssen und teilweise kein Tageslicht haben. Die Flure sind eng, das Lehrerzimmer voll und rauchgeschwängert.
Dass aus diesen wohl leider auf viele deutsche Schulen übertragbaren Voraussetzungen eine beispielhafte Schule werden konnte, wird viele überraschen.
Als Beispiel für einen gelungenen ganzheitlichen Ansatz beschrieb Moritz unter anderem das Angebot in der Mittagszeit. Um möglichst alle für ein gesundes Mittagessen in der Schule zu bewegen, wurden Umfragen und Workshops mit den Schülern zur Verbesserung des Mittagessens veranstaltet. Das Ergebnis war der Wunsch nach einer Art von "Erlebnisgastronomie", wie die Schüler sie aus den Einkaufspassagen kennen. Zur Umsetzung dieser Idee wurde ein Mensaverein gegründet und es fand eine intensive Information der Schulgemeinde mit Aufklärung, Angebot und Preiskalkulation statt. Ein schönes und offensichtlich wirksames Element war auch das Erstellen eines eigenen Essens-Ausweises mit persönlichem Foto durch die Foto-AG der Schule, mit dem sich jeder Schüler zum Essen per Scanner registriert.
Inzwischen gibt es drei unterschiedliche Essensangebote: Die von einem Bio-Caterer betriebene Mensa mit eigenem Essensausschuss (2/3 aller Essensteilnehmer), eine Caféteria und ein von Schülern der Jahrgänge 9 und 10 betriebenes Bistro. Zusätzlich werden die Schüler klassenweise mit Aufgaben beim Essensbetrieb betraut, auch die Eltern helfen und Lehrer organisieren mit. Der Erfolg gibt in diesem Fall Recht. 800 von 860 Schülern nehmen das Essensangebot an und zunehmend kommen auch Eltern und Großeltern mittags zum Essen … und ganz nebenbei verändert sich auch die Esskultur. Martina Moritz: "Pro Tag werden jetzt weniger als 10 Bleche Pizza ausgegeben, in der Anfangsphase waren es noch 25." Parallel stieg die Nachfrage nach Salaten und frisch zubereitetem Gemüse aus dem Wok. Einen solchen Idealzustand erreicht sicherlich nicht jede Schule. Wie sich Vieles auch mit kleineren Schritten erreichen lässt, wurde den 240 Teilnehmern der Fachtagung in insgesamt 17 Workshops vorgestellt. Zusätzlich stellten über 20 Institutionen ihre Projekte vor und zeigten, dass es vielfältige Möglichkeiten auf dem Weg zu einer Gesunden Schule gibt.
Quelle: Bonn [ Harald Seitz - aid ]