Bilanz aus wissenschaftlicher Sicht: Highlights des Mannheimer Kardiologen - Kongresses
Zum Abschluss der 73. Jahrestagung der DGK in Mannheim wurden einige Highlights aus den insgesamt 1949 wissenschaftlichen Beiträgen von Experten aus den einzelnen Fachgebieten zusammenfassend referiert. Der Kongress spiegelte nicht nur den wissenschaftlicher Fortschritt der Herz-Kreislauf-Medizin wider, sondern auch das große Interesse in der Ärzteschaft: Mehr als 7500 Repräsentanten von Medizin, Wissenschaft und Medien kamen nach Mannheim - im Vorjahr waren es 6900 gewesen.
Experimentelle Forschung
Der Physiologe Prof. Jürgen Holtz (Universität Halle/Saale) fasste einige wichtige experimentelle Arbeiten zusammen. Dass körperliche Bewegung mehrere Herz-gesunde Facetten hat, konnte auch in experimenteller Forschung auf molekularer Ebene gezeigt werden.
"Körperliche Aktivitäten wirken wie ein körpereigenes Statin" ist die Kernaussage einer Forschergruppe vom Universitätsklinikum Franfurt/Main (B. Fißlthaler et al). Im Tierversuch zeigte sich, dass moderate - nicht extreme - körperliche Aktivität einen ähnlichen Mechanismus in den Endothelzellen in Gang setzt, wie dies Statine tun.
Mechanismen, die an der Entstehung der postpartalen Schwangerschafts- Kardiomyopathie (PPCM) beteiligt sind, aber auch eine mögliche Therapie gegen diese Erkrankung stellte ein Team von der Medizinischen Hochschule Hannover (D. Hilfiker-Kleiner et al.) vor. Für PPCM dürfte ein Spaltprodukt des Schwangerschaftshormons Prolaktin verantwortlich sein. Im Tierversuch konnten die Forscher PPCM durch den Einsatz der Substanz Bromocriptin, einem Dopamin-Agonisten der die Prolaktin- Spaltung blockiert, wirksam behandeln. Erste positive Behandlungsergebnisse liegen auch aus einer klinischen Studie vor:
"Bei Frauen mit PMCC, die zusätzlich zur herkömmlichen Herzinsuffizienz-Therapie mit Bromocriptin behandelt wurden, verschlechterte sich die Herzfunktion weniger stark als in der Vergleichsgruppe, ihre Überlebensdaten waren besser", fasst Prof. Holtz zusammen.
Herzrhythmusstörungen
Diagnostik und Therapie von Herzrhythmus-Störungen Aktuelles aus der Diagnostik und Therapie von Herzrhythmus-Störungen wurde vom Kardiologen Prof. Hans-Joachim Trappe (Marien-Hospital Herne, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum) zusammengefasst:
"Besonders viele Studien waren der Frage gewidmet, wie sich der plötzliche Herztod besser verhindern lässt." Dass hier nicht nur die konsequente Weiterentwicklung von Therapien bedeutsam ist, sondern auch die allgemeinen Aufklärung, zeigte beeindruckend eine Untersuchung vom Vivantes Klinikum Friedrichshain, Berlin, (S. Hoffmann et al.), die bei 313 Patienten mit einem Herz-Kreislauf- Stillstand den Ablauf der Versorgung untersuchte. In immerhin 98 Prozent der Fälle, bei denen Zeugen anwesend waren, wurde der Zustand des Patienten als Notfall erkannt und das Rettungssystem alarmiert.
Bis zum Eintreffen der Notärzte allerdings kam es nur in 29 Prozent der Fälle zu überbrückenden Reanimationsversuchen wie Herzdruckmassage oder Mund-zu-Mund-Beatmung. Zum Nachteil der Betroffenen: Betrug in der Gruppe der vor dem Eintreffen der Notärzte erstversorgten Menschen die Überlebensrate 38 Prozent, konnten in der anderen Gruppe nur 17 Prozent erfolgreich reanimiert werden. Prof. Trappe: "Hier ist noch
Informations- und Schulungsarbeit nötig, um das Bewusstsein für Notfallmaßnahmen und ihren Nutzen zu stärken."
Vorhofflimmern
Die häufigste Herzrhythmusstörung im Erwachsenenalter ist das Vorhofflimmern, rund eine Million Menschen sind in Deutschland davon betroffen. Wichtige Ergebnisse zur Therapie lieferte das Kompetenznetz Vorhofflimmern. Prof. Trappe: "Patienten werden in Deutschland medikamentös den Empfehlungen und Standards entsprechend behandelt.
Viele Arbeiten haben auch gezeigt, dass die Katheterablation in der Behandlung des Vorhofflimmerns einen immer wichtigeren Stellenwert einnimmt. Sie hat ihre Wirksamkeit klar bewiesen."
Daten zur kardialen Resynchronisationstherapie (RST) zeigen, dass bei Herzinsuffizienz durch den Einsatz eines Schrittmachers Lebensqualität und Lebenserwartung steigen. In der COMPANION-Studie war der kombinierte Endpunkt Gesamtmortalität oder Klinikeinweisung im Vergleich zur medikamentösen Therapie signifikant reduziert, auch in der neueren CARE-HF-Studie sank die Mortalität unter Schrittmacher- Therapie signifikant. Prof. Trappe: "Die RTC hat sich gegenüber der medikamentösen Therapie als deutlich überlegen erwiesen." Diese Ergebnisse betätigten sich auch in einer auf dem Kongress präsentierten Studie mit mehr als 3000 Patienten in 101 Zentren. Prof. Trappe: "Allerdings herrscht hierzulande noch eine klare Unterversorgung."
Interventionellen Kardiologie
Für das Gebiet der interventionellen Kardiologie berichtete Prof. Vinzenz Hombach von der Universität Ulm: "Nach den Diskussionen um die möglichen Sicherheitsprobleme Medikamenten-beschichteter Stents (DES) aufgrund einer erhöhten Rate von Spätthrombosen stießen Präsentationen zu neuen Stent-Generationen auf großes Interesse." Eine Berliner Forschergruppe präsentierte Ergebnisse zum Coroflex-Blue-Stent- Register, einer Verlaufsbeobachtung zu diesem nicht-Medikamenten- beschichteten Koronarstent. Erste Ergebnisse zeigen eine relativ niedrige Thromboserate; der Stent könnte in der Primärversorgung eine Alternative zu DES darstellen.
Die Ergebnisse der in Mannheim präsentierten E-HEALING-Registerstudie an mehr als 2000 Patienten zeigen, dass dieser ebenfalls unbeschichtete Stent sich als sicher und effektiv erweist. Prof. Hombach: "Die Thromboseraten sind sehr niedrig, die Rate der Wiederverschlüsse nach dem Eingriff liegt im Bereich der DES."
Interessante erste Ergebnisse gab es auch zum bioabsorbierbaren BioStar-Stent. Kinder mit angeborenem Vorhofseptum-Defekt werden an der Universitätsklinik Göttingen im Rahmen einer Studie (C. Jux1 et al.) mit diesen sich selbst auflösenden Implantaten versorgt. Damit soll das Risiko für Komplikationen, wie es aufgrund von Infektionen und Fremdkörperreaktionen besteht, verringert werden. In Mannheim berichtete die Gruppe über die Ergebnisse der klinischen Phase-I-Studie, im Rahmen derer BioSTAR erstmals human angewandt wurde. Eine erfolgreiche Device-Implantation konnte bei 57 von 58 Patienten durchgeführt werden. 48 von 52 Patienten zeigten nach 30 Tagen und 52 von 54 Patienten nach sechs Monaten einen effektiven Verschluss. Prof. Hombach: "Diese Studie belegt die Machbarkeit, Sicherheit und Effektivität des BioSTAR als resorbierbares System für den interventionellen Verschluss von Vorhofseptum-Defekten."
Interessant auch eine Studie aus Essen mit einem neu entwickelten Stent, der in der MR-Bildgebung aktiv Signale abgeben kann. Das erlaubt eine Visualisierung des Stent-Inneren und damit eine bessere Nachverfolgbarkeit in der Nachbetreuung. (C. Naber, et al., Klinik für Kardiologie, Westdeutsches Herzzentrum, Universitätsklinikum Essen).
Die MRT ist als Methode zur Führung von endovaskulären Interventionen und zur Nachverfolgung von endovaskulären Eingriffen durch die begrenzte Visualisierbarkeit metallischer Strukturen, zum Beispiel endovaskulärer Stents, limitiert. Das Ziel dieses Forschungsprojektes war, einen Stent zu entwickeln und zu testen, der im Sinne einer Antenne zu einer verbesserten MRT-Bildgebung führt. Eingesetzt wurde - bisher nur im Tierversuch - ein Stent auf der Basis einer Gold- Platinum-Legierung mit einer Parylene-Beschichtung -, durch die er einen integrierten Resonanzkreislauf mit dem MR bildet. Aktive Resonanz ist ein effektives Werkzeug zur Visualisierung metallischer Strukturen im MRT und erlaubt mittelfristig die Führung von endovaskulären Interventionen und zur Nachverfolgung von endovaskulären Eingriffen im MRT.
Die Häufigkeit von PCI-Interventionen, so zeigte sich einmal mehr, ist ein wesentliches Qualitätskriterium: Mit der Häufigkeit der Interventionen sinkt die Komplikationsrate und die Sterblichkeit, zeigte eine Auswertung aus dem Register der Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischer Krankenhausärzte (ALKK).
Herzinsuffizienz
Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz Neuigkeiten aus dem großen Gebiet der Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz fasste Prof. Heinz-Peter Schultheiss, Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Berlin zusammen. Zahlreiche Arbeiten widmeten sich der möglichen Rolle des Parvovirus B19 in der Entstehung der Herzinsuffizienz. Eine Arbeit von Forschern aus Stuttgart und Tübingen (A. Yilmaz et al.) ging der Beobachtung nach, dass die häufigsten Erreger einer Virusmyokarditis in Deutschland PV
B19 und HH V6 sind, wobei es erregerspezifische Unterschiede in der klinischen Manifestation zu geben scheint. Eine PVB19-Myokarditis tritt zumeist mit Angina-Pectoris-ähnlichen Beschwerden auf und ist der mit Abstand am häufigsten nachgewiesene Erreger bei Patienten mit "akutem Koronarsyndrom" ohne Koronarstenosen. Ziel dieser Studie war es, die Inzidenz von Koronarspasmen als mögliche Ursache für die Beschwerden von solchen Patienten mit bioptisch gesicherter Myokarditis im Vergleich zu solchen ohne Myokarditis zu untersuchen.
Die differenzierte Untersuchung des Anteils an Patienten mit Koronarspasmen je nach Virustyp ergab, dass Patienten mit PVB19-Infektion signfikant häufiger Koronarspasmen aufwiesen als Patienten mit HHV6-Infektion. Die Hypothese der "PVB19-assoziierten Vaskulitis" wird daher weiter unterstützt, sagten die Studienautoren.
Untersuchungen von S. Aberle et al. (Molekulare Pathologie, Universitätsklinikum Tübingen) belegen, dass B19 P6-Promotormutationen Replikation und Virulenz kontrollieren und so die hochvariablen klinischen Verläufe der inflammatorischen Kardiomyopathie beeinflussen. Eine Inhibierung der B19-Replikationskompetenz kann mit der Induktion von Viruspersistenz einhergehen, welche die Entwicklung einer chronischen Myokarditis erklärt.
Quelle: Mannheim [ DGK ]