In der Region Hannover leidet jeder Siebente an chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen

BOLD-Studie von MHH und ITEM zeigt: Raucherinnen ab 40 besonders gefährdet / Daten repräsentativ für ganz Deutschland

Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM schlagen Alarm: Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) sind weitaus häufiger als bislang gedacht. Das ist das Ergebnis einer weltweiten Studie, an der die MHH und das Fraunhofer ITEM beteiligt sind. Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen werden umgangssprachlich auch unter dem Begriff Raucherlunge mit dem Symptom Raucherhusten zusammengefasst, umschließen aber das weitaus größere Gebiet von Krankheiten, die mit Husten, vermehrtem Auswurf und Atemnot bei Belastung einhergehen, wie etwa chronisch-obstruktiver Bronchitis oder Lungenemphysemen.

Die Wissenschaftler haben 2546 Personen aus der Region Hannover angeschrieben und 750 davon auf ihre Lungenfunktion, eventuell vorhandene Lungenerkrankungen und ihre Rauchgewohnheiten untersucht.

"Die Ergebnisse sind erschreckend", sagt Professor Dr. Tobias Welte, Direktor der MHH-Abteilung Pneumologie. Jeder siebente Proband (13,2 Prozent) leidet an einer COPD. "Besonders betroffen macht die Zahl rauchender Frauen." Bei fast zehn Prozent dieser Frauen, die älter als 40 Jahre sind, konnten die Wissenschaftler eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung nachweisen. Im Durchschnitt fanden die Forscher bei jedem fünften rauchenden Studienteilnehmer aus der Region Hannover eine COPD.

Gesunde Frauen haben ein Lungenvolumen von 3,5 bis fünf Litern, gesunde Männer von vier bis sechs Litern. Mit der Alterung verringert sich das Volumen um durchschnittlich 20 bis 30 Milliliter pro Jahr.

"Bei Rauchern hingegen sind es 100 bis 150 Milliliter pro Jahr", erläutert Dr. Henning Geldmacher aus der MHH-Abteilung Pneumologie, der einen maßgeblichen Anteil an der Erhebung der Studiendaten hatte.

Die Konsequenzen: "Eine vierzigjährige Raucherin, die heute bereits an einer mittelschweren COPD leidet, wird in 20 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Atemorgane so geschädigt haben, dass sie auf die Gabe von Sauerstoff angewiesen ist." Das treffe natürlich auch auf rauchende Männer zu.

"Diese dramatischen Ergebnisse müssen zu gesundheitspolitischen Konsequenzen führen", betont Professor Welte. "Wir müssen gegen das Rauchen vorgehen." Die Forscher haben einen Maßnahmenkatalog zusammengestellt, der folgende Punkte umfasst:

mehr Aufklärung: Mit Kampagnen sollen besonders Frauen und Jugendlicheangesprochen werden, aber auch Ärzte - denn die Diagnose COPD ist noch kaum bekannt

bessere Früherkennung: Lungenvolumentests sollen in die Prävention aufgenommen werden - für Raucher und Raucherinnen, die älter als 40 Jahre sind, soll alle zwei Jahre ein Lungenfunktionstest angeboten werden

mehr Hilfe für "Aussteiger": Angebote für Raucher, die ihrer Sucht entsagen wollen mehr Forschung: COPD und besonders die Langzeitwirkungen der Krankheit sind nicht ausreichend erforscht. Die Anstrengungen müssen verstärkt werden.

Die zukünftige COPD-Forschung müsse sich vor allem mit Verbesserungen in der Prävention, der Diagnostik, dem Verständnis der zugrunde liegenden Atemwegsentzündung und mit neuen Therapiemöglichkeiten befassen. "Wir müssen herausfinden, welche Raucher besonders empfindlich reagieren und hier die Raucherentwöhnung intensivieren", sagt Professor Dr. Jens Hohlfeld, Leiter der Abteilung Klinische Atemwegsforschung am Fraunhofer ITEM. Bislang ist nur ein Gen eindeutig identifiziert, dass zum Lungenemphysem führt. Es sei davon auszugehen, dass die Empfindlichkeit genetisch determiniert ist. Aber auch andere körpereigene Substanzen, die eine Entzündung im Körper anzeigen, so genannte Biomarker, könnten bei der Unterscheidung zwischen empfänglichen und nicht-empfänglichen Rauchern hilfreich sein. Um solche Biomarker in Blut, Urin, Auswurf, Ausatemluft, Lungenspülflüssigkeit und in der Schleimhaut der Bronchien zu suchen, führen Ärzte am Fraunhofer ITEM klinische Studien bei COPD-Patienten durch. "Ideal wäre es, wenn wir einen Biomarker finden würden, den man in der Ausatemluft oder in einem iBlutstropfen bestimmen könnte."

Eine Methode, mit der man die Lungenfunktion so einfach messen könnte wie das Blutdruckmessen in Apotheken, würde helfen, die Erkrankung möglichst früh zu erkennen. Regelmäßig durchgeführte Lungenfunktionstests in den Arztpraxen könnten ebenfalls dazu beitragen, COPD sehr früh zu diagnostizieren und zu therapieren. Allerdings sind die heutigen Therapiemöglichkeiten rein symptomatisch.

"Neue Forschungsarbeiten müssen sich damit beschäftigen, wie die Entzündung besser zu kontrollieren ist und ein Gewebeumbau in der Lunge verhindert werden kann. Mit dieser Erkenntnis können dann auch neue und wirkungsvollere Medikamente entwickelt werden", betont Professor Hohlfeld.

Die Untersuchungen in der Region Hannover sind Teil der so genannten BOLD-Studie. Dabei haben Wissenschaftler in elf weiteren Regionen auf der Welt derartige Studien durchgeführt - in Städten in Südafrika, Kanada, den USA, China, Türkei, Österreich, Polen, Norwegen, Island und auf den Philippinen. "Die Ergebnisse zeigen, dass COPD weltweit ein drängendes Problem ist", betont Professor Welte. Besonders hoch seien die Zahlen in Südafrika, dort spiele aber auch noch die Lungentuberkulose eine viel bedeutendere Rolle. Wesentlich mehr COPD-Fälle als in Deutschland gibt es der Studie zufolge auch in Österreich oder Polen. "Obwohl wir im internationalen Ranking noch recht gut abschneiden, ist das kein Grund zur Entwarnung", sagt der Pneumologe. Im Gegenteil: "Die Folgen der COPD sind sehr dramatisch - dabei ist die Prävention so simpel: einfach aufhören zu rauchen."

Um die Teilnehmer für die Studie in Hannover und dem Umland zu gewinnen, hatten die Forscher mit den Bürgerämtern der Landeshauptstadt und der Regionskommunen zusammengearbeitet. Die Probanden waren zwischen 40 und 90 Jahre alt, kamen je zur Hälfte aus dem Umland und der Stadt.

Quelle: Hannover [ mhh ]

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