Sich selbst auflösende Magnesium-Stents sind ebenso wirksam wie herkömmliche Metall-Stents
"Ein Meilenstein in der interventionellen Kardiologie"
Absorbierbare Magnesium-Stents zur Behandlung von verstopften Herzkranzgefäßen erzielen die gleichen Ergebnisse wie herkömmliche Metall-Stents und bauen sich zudem selbst ab. Dies ist das Ergebnis einer neuen internationalen Studie, die von Prof. Dr. Raimund Erbel, Direktor der kardiologischen Universitätsklinik im Westdeutschen Herzzentrum Essen in der Zeitschrift "The Lancet" publiziert wurde. "Damit ist sicherlich ein Meilenstein in der interventionellen Kardiologie gesetzt worden", sagt Erbel. "Wir können in Deutschland stolz darauf sein, dass diese Entwicklung hier initiiert und realisiert wurde."
Die gerade veröffentlichte Studie zeigt laut Erbel, dass die Magnesium-Stents - wenn sie in atherosklerotische Herzkranzgefäße eingeführt und diese unter hohem Druck aufweiten - ein ebenso stabiles mechanisches Gerüst aufbauen wie herkömmliche Metall-Stents und dass sie das Lumen des verengten Gefäßes gleichermaßen vergrößern.
Magnesium-Stents haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie nicht dauerhaft als Fremdkörper im Gefäß verbleiben, sondern sich innerhalb von vier Monaten selbst auflösen. Daher muss der Patient auch nur kurze Zeit Medikamente zur Verhinderung einer Gerinnselbildung und eines akuten Infarktes, so genannte duale Aggregationshemmung, einnehmen. Da das Mineral Magnesium eine körpereigene Substanz ist, hat der Patient keine Allergien zu befürchten; die Stents sind gut verträglich. "Alle großen Firmen arbeiten derzeit an der Entwicklung von absorbierbaren Stents. Mittelfristig werden diese die Metall- Stents ablösen", vermutet Erbel. Das internationale Interesse an seiner Studie sei "enorm groß". Zu den Kosten wagt er allerdings noch keine Prognose.
Erbel und seiner Forscherkollegen aus Deutschland, der Schweiz, aus Belgien, England und Australien gelang es in der klinischen Studie "PROGRESS-AMS" erfolgreich 71 Magnesium-Stents bei 63 Patienten einzusetzen. Sie verfolgten den Zustand der Patienten mehr als zwölf Monate nach der Intervention. Es gab weder Stent-Thrombosen
(Verstopfung) noch Infarkte oder Todesfälle. Der Durchmesser der Blutgefäße innerhalb der Stents hatte nachweislich um etwa 1,41 Millimeter zugenommen. Ultraschall-Untersuchungen bestätigten, dass die Stent-Streben durch die Gefäßwände absorbiert wurden, während die vom Magnesium hinterlassenen Gewebelücken in einem natürlichen Körperprozess durch Kalzium und Phosphor ersetzt worden waren.
Durch der Studie wurde jedoch auch deutlich, an welchen Problemen in Zukunft weiter geforscht werden muss: Bei 47,5 Prozent der Patienten trat nämlich eine angiografische Restenose, also eine erneute Verengung, auf. 27 Prozent benötigten innerhalb von zwölf Monaten eine gezielte Vaskularisation (Versorgung von feinsten Blutgefäßen) aufgrund einer erneuten Ischämie, einer mangelnden Blutzufuhr zu den Geweben.
Prof. Erbel wird sich nun Langzeit-Folgeuntersuchungen widmen, um die Sicherheit der neuen absorbierbaren Magnesium-Stents zu bestätigen.
"Die Entwicklung ist zurzeit erneut in der experimentellen Phase, weil der Abbauprozess der Stents verlängert wird", erläutert er. "Wir wollen auf diese Weise versuchen, das Problem der Restenose besser in den Griff zu bekommen. Außerdem gibt es Überlegungen, auflösbare Magnesium-Stents mit Medikamenten-Beschichtung zu entwickeln." Dann wird sich endgültig zeigen, ob tatsächlich eine neue Ära von Stents und ein neues Kapitel in der interventionellen Kardiologie begonnen hat.
Quelle: Düsseldorf / Essen [ DKG ]