Kombination von niedrigem Vitamin B12- und niedrigem Folat-Spiegel erhöht das Schlaganfallrisiko
Ein niedriger Vitamin B12-Plasmaspiegel erhöht besonders in Kombination mit einem niedrigen Folat-Spiegel das Risiko für Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen im Gehirn. Nach Aussagen der Wissenschaftler, wird dieser Effekt zumindest teilweise durch einen erhöhten Homocysteinspiegel vermittelt. Dies ist das Ergebnis der Potsdamer EPIC-Studie, die von Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam Rehbrücke (DIfE) geleitet wird. Das Epidemiologenteam veröffentlichte die Studiendaten nun in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Stroke.
Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist ein anerkannter Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall. Bereits seit längerem ist bekannt, dass hohe Folat- und Vitamin B12-Spiegel den Homocysteinspiegel im Blut senken können. Zudem vermindert anscheinend die längerfristige Einnahme von Folsäurepräparaten das Schlaganfallrisiko bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Derzeit ist aber ungeklärt, ob auch bei Menschen ohne eine Vorerkrankung des Herz-Kreislauf-Systems ein direkter Zusammenhang zwischen den Folat- und Vitamin B12-Konzentrationen im Blut und dem Schlaganfallrisiko besteht. Die Ergebnisse der wenigen epidemiologischen Studien, die diesen Zusammenhang untersuchten, sind widersprüchlich.
Um zur Klärung der Datenlage beizutragen, untersuchte das Team um Boeing in der vorliegenden Studie eine Gruppe von 967 Personen. Diese rekrutierte sich aus Teilnehmern der Potsdamer EPIC*-Studie, bei denen zu Beginn der Studie keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt waren.
Bei 106 dieser Personen diagnostizierten Ärzte innerhalb des etwa 6jährigen Nachbeobachtungszeitraumes Durchblutungsstörungen im Gehirn. Weitere 82 Personen erlitten in dieser Zeit einen ischämischen Schlaganfall.
Im Vergleich zu Studienteilnehmern mit hohen Folat- undVitamin B12-Werten im Blut hatten Teilnehmer mit niedrigen Werten ein 2,2fach höheres Risiko für Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen im Gehirn**. Ein niedriger Vitamin B12-Spiegel allein erhöhte das Risiko immerhin noch um 76 Prozent. Dagegen stieg das Risiko nicht an, wenn lediglich der Folat-Spiegel niedrig war.
"Berücksichtigten wir auch die Homocysteinspiegel der Teilnehmer, so schwächte sich der Zusammenhang zwischen den Vitamin B 12- und Folat- Konzentrationen und dem Risiko für zerebrale Durchblutungsstörungen und Schlaganfälle stark ab", ergänzt Cornelia Weikert, Erstautorin der Studie, die Ergebnisse. Daher sei anzunehmen, dass die Wirkung beider B-Vitamine zumindest teilweise durch ihren Einfluss auf den Homocysteinspiegel erzielt wird.
"Nach unseren Ergebnissen ist ein niedriger Vitamin B12-Spiegel besonders in Kombination mit einem niedrigen Folatspiegel ein entscheidender Risikofaktor für Schlaganfälle und zerebrale Durchblutungsstörungen", kommentiert Boeing. "Interessanterweise stellten wir zudem fest, dass die Studienteilnehmer mit den geringsten Vitamin B-Konzentrationen im Blut durchschnittlich seltener Vitaminpräparate eingenommen hatten als die anderen Teilnehmer.
Weitere Studien, die die Rolle der B-Vitamine und die Wirkung von Vitamin B-Präparaten im Hinblick auf die Gehirnfunktion untersuchen, sind daher unserer Meinung nach gerechtfertigt."
* EPIC: European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition
**Der beobachtete Zusammenhang zwischen gleichzeitig geringem Folat- und Vitamin B12-Spiegel und einem erhöhten Risiko für zerebrale Durchblutungsstörungen war unabhängig von Bluthochdruck, BMI (body mass index), Raucherstatus, Sport, Alkoholkonsum, Bildungsstand, Cholesterinspiegel, Diabetes und Geschlecht.
Hintergrundinformation:
Die EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) ist eine prospektive, 1992 begonnene Studie, die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht. An der EPIC-Studie sind 23 administrative Zentren in zehn europäischen Ländern mit 519.000 Studienteilnehmern beteiligt. Die Potsdamer EPIC-Studie mit mehr als 27.500 Studienteilnehmern/innen im Erwachsenenalter leitet Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam- Rehbrücke (DIfE).
Bei der Auswertung einer prospektiven Studie ist es wichtig, dass die Teilnehmer/innen zu Beginn der Studie noch nicht an der zu untersuchenden Krankheit leiden. Die Risikofaktoren für eine bestimmte Erkrankung lassen sich so vor ihrem Entstehen erfassen, wodurch eine Verfälschung der Daten durch die Erkrankung weitestgehend verhindert werden kann - ein entscheidender Vorteil gegenüber retrospektiven Studien.
Quelle: Potsdam-Rehbrücke [ DIfE ]