Gesättigte Fette schaden Herz und Gefäßen nicht
Auf der (vergeblichen) Suche nach Evidenz
Am 12. und 13. April fand in Phoenix, Arizona, ein Seminar der amerikanischen "Nutrition and Metabolism Society" statt, das sich dem Thema gesättigte Fettsäuren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen widmete - und zwar kritisch. Denn eines wurde schnell klar: Hier sind jene Wissenschaftler und Ärzte versammelt, die nicht nur die herkömmlichen Ernährungsempfehlungen in Frage stellen, sondern auch die gesättigten Fettsäuren rehabilitieren möchten.
Richard Feinman, Biochemieprofessor aus New York, berichtete, wie wenig sich Medizinstudenten mit dem Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel auskennen.
Patty Tarino aus der Arbeitsgruppe von Ronald Krauss am Children´s Hospital Oakland Research Institute hielt einen exzellenten Vortrag, in dem nicht nur deutlich wurde, wie wackelig die Evidenz zum Thema gesättigte Fette und Herzerkrankungen ist. Belegt ist mittlerweile ebenfalls, dass gesättigte Fettsäuren durchaus vorteilhafte Wirkungen haben, dass sie beispielsweise die Größe der LDL-Partikel steigern und sie so weniger oxidationsempfindlich und weniger atherogen machen.
Mary Vernon, praktische Ärztin aus Kansas, berichtete über die erstaunlichen Erfolge, die mit einer LowCarb-Ernährung erreichbar seien. Sie sagte sinngemäß: "Selbst als medizinsich gut ausgebildeter Praktiker bist Du verwundert, wie schnell die Diät greift."
Stephen Phinney, freier Wissenschaftler aus Kalifornien, berichtete unter anderm, dass gesättigte Fettsäuren das LDL nicht erhöhen und dass Arachidonsäure nicht entzündungsfördern wirkt, wenn sie im Rahmen einer kohlenhydratarmen Kost gegessen werden.
Von allen mit besonderer Spannung erwartet wurde der Gastredner Gary Taubes. Der mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalist aus New York hatte in seinem neuen Buch "Good Calories, Bad Calories" sehr detailliert die herkömmliche Sichtweise zerlegt, gesättigte Fettsäuren seien schädlich für Herz und Gefäße. Im Vortrag stellte er auf unterhaltsame Weise die wichtigsten Fehleinschätzungen, die größten Ignoranten und die unglaubliche Persistenz der Vorurteile gegenüber den gesättigten Fettsäuren vor.
Mein Senf dazu
Die Vorträge zu hören war ein Vergnügen - und eine Bestätigung für die Inhalte und Positionen in meinem Buch "Fett!". Was alle Redner und Diskutanten beschäftige war die Frage, warum so viele Ärzte, Wissenschaftler und Ernährungsberater sich so sehr scheuen, die gesättigten Fette mit anderen Augen zu sehen und die Vorteile von LowCarb-Kostformen anzuerkennen. Offenbar ist es so, dass sie um ihre Karriere fürchten, weil sie seit Jahrzehnten darauf beharrt hatten, dass die gesättigten Fette zu Arteriosklerose und Infarkt führen. Ein Teilnehmer, der oder die ungenannt bleiben möchte, brachte (sinngemäß) folgenden Vergleich:
"Es ist leicht zu sehen, warum das so ist, wenn man die akademische Welt kennt. Wenn du dich als Akademiker in den LowCarb-Kaninchenbau traust, sind die Chancen zu überleben in dieser Jagdhundewelt etwa 5 Prozent. Wenn du aber der Herde folgst und die LowCarb-Diäten verhöhnst, sind deine Überlebenschancen 95 Prozent." Doch nach allem, was ich in der Fachliteratur lese und in Phoenix gehört habe, wird sich das ändern - früher oder später.
Wie groß die Angst um den "Karriereknick" noch ist, zeigte sich daran, dass im Vorfeld der Konferenz Redebeiträge abgesagt wurden und manche Referenten lieber kein Interview zu ihren kritischen Ausführungen geben wollten.
Andere sprachen gerne über ihre Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen, so Dr. Eric Westman, Arzt und Wissenschaftler aus Durham, North Carolina. Er ist klar der Meinung, dass gesättigte Fette bislang zu negativ beurteilt wurden und dass sie im Rahmen einer LowCarb-Ernährung wahrscheinlich sogar gesundheitsförderlich sind.
Die Nutrition and Metabolism Society ist eine gemeinnützige Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht, biochemisches Grundlagenwissen auf die Ernährungsforschung und Ernährungstherapie anzuwenden, insbesondere in den Bereichen Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Gesellschaft gibt das frei zugängliche wissenschaftliche Journal "Nutrition & Metabolism" heraus und veranstaltet wissenschaftliche Konferenzen. Obgleich sie nicht einzelne Diäten propagieren will, vertritt die Gesellschaft die Auffassung, dass das therapeutische Potenzial kohlenhydratreduzierter Kostformen in der Behandlung von Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu wenig erforscht ist und zu wenig genutzt wird.
Dieser Kommentar ist zuerst auf Ulrike Gonders Webseite www.ugonder.de erschienen. Wir danken für die Erlaubnis der Wiedergabe.
Quelle: Hünstetten [ Ulrike Gonder ]