Air Liquide darf Messer Griesheim übernehmen

Kommission genehmigt den Erwerb der deutschen, französischen und US-amerikanischen Messer-Aktivitäten durch Air Liquide unter Auflagen

Die Europäische Kommission hat den Erwerb der Aktivitäten der Messer-Gruppe in Deutschland, im Vereinigten Königreich und in den USA durch das französische Industriegasunternehmen Air Liquide unter der Fusionskontrollverordnung freigegeben. Die Kommission war besorgt, dass der Erwerb zu höheren Preisen für Industriegaskunden insbesondere in Deutschland führen könnte, wo Air Liquide eine starke Position eingenommen hätte. Das Unternehmen hat jedoch bedeutende Veräußerungen angeboten, die eine Freigabe ohne vertiefte Hauptprüfung erlaubten.

Air Liquide (Frankreich) und die Messer-Gruppe (Deutschland) sind Industriegasunternehmen. Ihre Tätigkeit umfasst die Produktion und den Vertrieb von technischen und medizinischen Industriegasen sowie die damit verbundenen Dienstleistungen. Industriegase werden in verschiedenen Branchen genutzt, unter anderem zur Herstellung von Eisen, Stahl, Glas, Papierzellstoff und elektronischen Produkten sowie in der chemischen Industrie, der Lebensmittelherstellung, der Metallurgie, im Gesundheitswesen und in der Luftfahrt.

Am 30. Januar 2004 meldete Air Liquide bei der Kommission das Vorhaben an, die Aktivitäten der Messer-Gruppe in Deutschland, im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten zu übernehmen. Messer wird seine Aktivitäten in anderen Ländern fortführen.

Das Geschäft wird Air Liquide, dem Weltmarktführer im Bereich der Industriegase, den Eintritt in das Vereinigte Königreich ermöglichen, aber es wird es auch neben der Linde AG zu einem der beiden größten Anbieter in Deutschland machen. Dies wirft Fragen im Hinblick auf die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung oder die Bildung eines Duopols auf.

Wettbewerbsbedenken

Die Ermittlungen der Kommission ergaben Bedenken im sogenannten „Tonnage-Markt". Dieser Markt umfasst die Lieferung von Gasen an große Industriekunden, die entweder eine Gasproduktionsanlage auf dem eigenen Betriebsgelände oder die direkte Belieferung durch ein Rohrleitungsnetz benötigen. Es handelt sich dabei in der Regel um Unternehmen der Petrochemie oder der Stahlindustrie.

In diesem Markt würde Air Liquide durch den Erwerb von Messers Rohrleitungsnetzen im Rhein/Ruhrgebiet sowie an der Saar, wo bedeutende europäische Industriekunden angesiedelt sind, eine europaweit sehr starke Position erwerben.

Die Transaktion warf auch im Hinblick auf elektronische Spezialgase (ESGs) Bedenken auf. ESGs werden von der elektronischen Industrie zur Herstellung von Halbleitern benutzt. In diesem Bereich erhielte das zusammengeschlossene Unternehmen sehr hohe Marktanteile bei bestimmten Gasen, insbesondere bei WF6 (Tungstenhexafluorid).

Auf nationaler Ebene hatte die Kommission Wettbewerbsbedenken im Hinblick auf den deutschen Markt. Dies betraf die Lieferung sowohl von Flüssiggasen in Tanks als auch von Gasflaschen für den industriellen sowie für den medizinischen Gebrauch. Diese Märkte sind bereits hochkonzentriert und die Kommission hatte Bedenken, dass die Transaktion zu einer gemeinsamen Marktbeherrschung durch das zusammengeschlossene Unternehmen und Linde führen könnte. Diese beiden Unternehmen gemeinsam hätten auf dem deutschen Markt einen Marktanteil von 70 bis 80% erlangt.

Im Vereinigten Königreich bestanden dagegen seitens der Kommission keine Wettbewerbsbedenken, da sich die Tätigkeitsbereiche nicht überschnitten.

Zusagen

Um die Wettbewerbsbedenken der Kommission zu entkräften und eine weitere, tiefergehende Prüfung zu vermeiden, hat Air Liquide angeboten, Teile des eigenen Geschäfts und/oder der Aktivitäten von Messer in Deutschland zu veräußern. Diese Veräußerungszusagen erreichen insgesamt einen Umsatz von mehr als € 200 Millionen was mehr als 20% des erworbenen Geschäfts entspricht. Air Liquide hat sich verpflichtet:

    • Die Hälfte der Messer Rohrleitung an Rhein/Ruhr (Rhein-Strecke) und Messers gesamtes Rohrleitungsnetz an der Saar sowie mehrere Tonnage-Anlagen zur Produktion von gasförmigem Sauerstoff und Stickstoff, von denen drei mit dem Rohrleitungsnetz verbunden sind, zu veräußern. Darüber hinaus wird Air Liquide Messers Aktivitäten im Bereich der Kohlenmonoxid-Tonnage abstoßen.
    • Im Tankgeschäft wird Air Liquide verschiedene Verflüssigungsanlagen für Luftgase mitsamt der dazugehörigen Kundenbasis veräußern, um einen Wettbewerber zu schaffen, der so wirkungsvoll ist wie Air Liquide vor dem Zusammenschluss war, und um die Entstehung eines Duopols zu verhindern.
    • Um Bedenken im Hinblick auf den Kohlendioxidmarkt auszuräumen, wird Air Liquide seine CO2-Quelle in Burgbrohl sowie seine Bezugsrechte aus zwei Verträgen in Deutschland und Österreich veräußern.
    • Im Bereich der Gasflaschen wird Air Liquide Abfüllzentren und Kunden abgeben. Der Gesamtumfang und die geographische Reichweite der Veräußerungen entsprechen etwa der Situation von Air Liquide vor dem Zusammenschluß. Damit sollen Marktbedingungen verhindert werden, die zu einer Marktaufteilung zwischen Air Liquide/Messer und Linde sowie zu einer noch stärkeren Konzentration auf regionaler Ebene führen könnten.
    • Air Liquide wird schließlich auch Messers Beteiligung an seinem Joint Venture mit Nippon Sanso aufgeben. Dieses Gemeinschaftsunternehmen produziert ESGs.

Die Kommission hat verlangt, das Tonnage- sowie das Tankgeschäft, welche eng miteinander verknüpft sind, an ein und dasselbe Industriegasunternehmen zu verkaufen. Die Aktivitäten in den Bereichen Gasflaschen, CO2-Tanklieferungen und das ESG-Geschäft können an verschiedene Käufer veräußert werden.

Aufgrund der von Air Liquide gemachten Zusagen ist die Kommission der Meinung, dass weiterhin ausreichend Wettbewerb in den betroffenen Märkten verbleiben wird und dass der Zusammenschluss vorbehaltlich der Einhaltung der Zusagen fortgesetzt werden kann.

Quelle: Brüssel [ eu ]

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