Institut reagiert auf Schnitzel-Kommentar
Sehr geehrter Herr Pröller,
vielen Dank für die schnelle Meldung zu unserer Studie "Was kostet ein Schnitzel wirklich?" und für die kritische Durchsicht der Kurzfassung. Wir sind mit Ihnen auf die weiteren Reaktionen gespannt und stellen uns gerne einer fachlichen Diskussion zu Methoden und Ergebnissen.
In Ihrem inhaltlich interessanten Kommentar bescheinigen Sie uns "einige handwerkliche Schwächen" und führen dazu eine Reihe von Details auf. Wir halten die von Ihnen benannten Punkte für unzutreffend und wollen dies gerne anhand Kurzfassung der Studie, auf die Sie sich beziehen, im Einzelnen darstellen. Zitate aus Ihrem Kommentar sind den Erläuterungen jeweils vorangestellt:
1. "Auch in dieser Studie wird die Zahl, die zum Fleischverbrauch gehört als Verzehr gewertet. Aber auch wir unerzogenen Verbraucher verschlingen weder Knochen noch Zerlegungsabfälle ..."
Die IÖW-Studie gibt für Deutschland im Jahr 2003 einen Verzehr von 40,3 kg Schweinefleisch pro Kopf an (S. 9). Dieser Wert ist dem Ernährungs- und agrarpolitischen Bericht 2004 der Bundesregierung entnommen (Tabelle 22 im Anhang, S. 122). Das BMVEL nennt als Quelle Schätzungen des Bundesmarktverbandes für Vieh und Fleisch. Die angegebene Menge versteht sich also ohne Knochen, Futter, industrielle Verwertung und Verluste.
[Thomas Pröller: Asche auf mein Haupt, hier hat hat Herr Korbun recht, der handwerkliche Fehler lag auf meiner Seite die 40,3 g Schweinefleisch entsprechen praktisch den anderswo genannten 39,x kg und sind tatsächlich die offiziellen Meßgröße für den Verzehr]
2. "Auch bei den Umweltkosten bleibt es unscharf. Auch das Ökoschwein scheidet aus, verursacht Transportkosten ... Hier kann also höchstens eine Kostendifferenz zu Lasten der konventionellen Tiere gewertet sein."
Dem Systemvergleich der konventionellen und der ökologischen Produktion liegt, wie von Ihnen richtig vermutet, eine methodisch sinnvolle Differenzbetrachtung zugrunde. Die Methode dafür ist in der IÖW-Studie im Kapitel 6 "Externe Kosten" klar benannt: "Für die ... Umweltaspekte wurden Vermeidungskosten abgeleitet. ... Differenzbeträge aus den Vermeidungskosten für eine Umweltwirkungskategorie werden jeweils dem ökologisch schlechteren Modellbetrieb zugeordnet. Das ökologisch beste System wird somit auf Null gesetzt." (Kurzfassung der IÖW-Studie, S. 19). Die von Ihnen wahrgenommene Unschärfe besteht also nicht.
[Thomas Pröller: Richtig, sogesehen keine Unschärfe, trotzdem sollte auch aus dieser Richtigstellung klar bleiben, dass auch das beste ökologische System nicht ohne Belastung für die Umwelt ist. Natürlich ist es legitim, die geringste Belastung als 0-Wert zu definieren. Damit allerdings bleibt zuallermindest ein Großteil der Berichterstattung über die Studie unscharf, weil die genau diese Vorgabe ignorieren,]
3. Es "fehlt ... u.a. noch der Faktor Weg des Fleisches zum Verbraucher."
Der Bilanzraum der Ökobilanz in der IÖW-Studie umfasst die Schweinemast einschließlich der Vorketten (Vorproduktion, Futtermittelanbau, -aufbereitung und -transporte - ohne Ferkelerzeugung). Dies verdeutlicht die Abb. 1 der Kurzfassung der IÖW-Studie (S. 13). Die Schlachtung, sowie Verarbeitung und Vertrieb von Schweinefleisch wurden im Rahmen der Öko-Bilanz nicht untersucht. Also bleibt der Weg zum Verbraucher hier unberücksichtigt. Grund ist, dass für diese Bereiche keine oder nur unzureichende Daten vorliegen.
[Thomas Pröller: Auch hier haben die Berichterstatter die Studie nicht so wahr genommen. Unterschwellig entstand so aus den höheren Energiekosten bei der Futtermittelproduktion ein insgesamt hoher Transportaufwand für die nicht Öko-Tiere.]
4. "Auch scheint die längere Mastzeit der Ökotiere mit schlechterer Futterverwertung nicht berücksichtigt."
Wodurch Ihr Eindruck entstanden ist, ist uns unklar. Die IÖW-Studie berücksichtigt die längeren Mastzeiten. Die in der Ökobilanz zugrunde gelegten Mastperioden beruhen auf den unterschiedlichen täglichen Zunahmen und den unterschiedlichen Mastendgewichten der typischen Modellbetriebe. Für die Öko-Betriebe wurden sowohl geringere tägliche Zunahmen als auch ein geringeres Endgewicht angenommen. Eine Übersicht der angenommenen Werte findet sich in Tab. 1 der Kurzfassung (S. 11). Daraus wurden dann beispielsweise die Futtermengen berechnet, deren Umweltwirkungen bilanziert wurden. Für die weiteren Umweltwirkungen sind die Annahmen jeweils in der Studie (tlw. nur in der Langfassung) benannt.
Eine ausführlichere Darstellung der Methoden und weiterer Einzelwerte enthält die Langfassung der Studie, die als IÖW-Schrifenreihe 171/04 (ISBN 3-932092-72-4) erschienen ist und für 19,50 Euro bestellt werden kann [Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!].
Wenn diese Erläuterungen ausreichen, Ihren Eindruck von "handwerklichen Schwächen" auszuräumen, dann würde ich mich über eine Änderung ihres Kommentars bzw. die Publikation unserer Stellungnahme freuen. Wenn nicht, freuen wir uns auf weitere Nachfragen und Einschätzungen zu unseren Erläuterungen.
[Thomas Pröller: Hier habe ich die Publikation der Stellungnahme gewählt, da ich zu dem direkt nach erscheinen der Studie geschriebenen Kommentar mit oben genannten Einschränkungen auch weiterhin stehe. Ich gebe dort meine ersten Eindrücke wider, die größtenteils durchaus nachdenkenswerte Aspekte der Studie aufgriffen. Und ich empfehle dort ein genaues Lesen der Studie aus der sowohl konventionelle als auch Bio-Erzeuger etwas lernen können.]
Mit freundlichem Gruß
Thomas Korbun
Wissenschaftlicher Geschäftsführer
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) gGmbH
(Institute for Ecological Economy Research)
Potsdamer Str. 105
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http://www.ioew.de
Quelle: Berlin [ Thomas Korbun ]