Nach Ökosteuer auch noch Bioabgabe auf Fleisch
Renate Künast reagiert mit Steuervorschlag auf Schnitzelreport von foodwatch
[Aprilscherz 2004]Thilo Bode [foodwatch]
Letzte Woche veröffentlichte foodwatch eine Studie, nach der Biofleisch gegenüber herkömmlich erzeugtem Fleisch benachteiligt sei, weil dort nicht alle Kosten tatsächlich an der Ladenkasse beglichen würden. Verbraucherministerin Renate Künast hielt sich zunächst mit einer Reaktion auf diese Studie zurück, wird dort doch auch aufgezeigt wie steinig der Weg zu einer tatsächlichen Agrarwende ist. Doch scheint das die Ruhe vor dem Sturm gewesen zu sein:
Renate Künast überrascht mit Bioabgabe
Mit einer für die Berliner Republik ungewöhnlichen Diskretion gelang es Renate Künast Ressorts übergreifend einen Vorschlag zu entwickeln, mit dem zumindest ein Teil der Folgekosten der konventionellen Schnitzelproduktion über eine Sonderabgabe spürbar wird. Diese Bioabgabe solle direkt an Biobauern ausgeschüttet werden, um hier einen Ausgleich für den bisherigen Wettbewerbsnachteil zu schaffen. Renate Künast nutzte ein Ernährungsseminar für zu Hause lebende Senioren um erste Reaktionen der Öffentlichkeit zu testen.
Das Modell in Stichworten:
- Die Bioabgabe wird zusammen mit der Umsatzsteuer erhoben. Für konventionell erzeugtes Fleisch und daraus hergestellte Wurst werden statt der bisherigen 7 % ab 2005 16 % Umsatzsteuer erhoben.
- Fällig wird diese Bioabgabe bei allen Betrieben, die weniger als 20 % ihres Umsatzes mit Bioware erwirtschaften. Um die Erzeugungskette Fleisch vollständig zu erfassen, gilt diese Abgabe für alle Kettenglieder von der Futtermittelproduktion über die Erzeugung und Mast bis zur Ladentheke.
- Die Erfassung erfolgt zusammen mit der Umsatzsteuer. Da das Finanzministerium zur Bekämpfung der Steuerunehrlichkeit in diesem Bereich sowieso schon eine verstärkte Rekrutierung von Sonderprüfern plant ist gegenüber bisherigen Stellenplänen kaum mit einem höheren Personalaufwand in der Steuerverwaltung zu rechnen.
- Hans Eichel liegt an gesunder Ernährung viel ("Der gesunde Steuerzahler ist der beste Steuerzahler"). So war er auch recht schnell davon zu überzeugen, dass die zu erwartenden Mehreinnahmen von schätzungsweise rund 2,52 Mrd. € nicht zur Tilgung möglicher Haushaltslöcher genutzt werden sollte, sondern als direkte Unterstützung der Anbieter von Biofleisch. Während Renate Künast die Fördermittel gerne Biobauern zu gute kommen lassen würde, setzt sich Wirtschaftsminister Clement dafür ein insgesamt die Struktur des Biofleischmarktes zu fördern, also auch die bisher schwächelnde Infrastruktur zu stärken. Details der Förderung benötigen noch einer Feinabstimmung.
Kanzler stimmt grundsätzlich zu
Dem Vernehmen nach stimmt Bundeskanzler Gerhard Schröder den Künast'schen Abgabeplänen grundsätzlich zu. Wie von Regierungssprecher Bela Ander zu hören war, sei ja auch des Kanzlers Lieblingssnack, die Currywurst von der Abgabe nicht betroffen, da gastronomische Betriebe sowieso schon den vollen Mehrwertsteuersatz berechnen müssten.
Erste Reaktionen aus dem Biolandbau
Thomas Dosch, Bioland-Geschäftsführer zeigte sich von dem Vorschlag zunächst überrascht, um aber dann recht schnell seine Zustimmung zu signalisieren.
Dosch möchte allerdings, ebenso wie der Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, erstmal noch den offenen Verteilungsschlüssel mit diskutieren. Prinz zu Löwenstein sieht in dem Modell eine echte Chance das Bioschwein aus dem Schattendasein des Promille-Marktanteils herauszuholen.
Fleischerverband strikt dagegen
Am Rande des Sonderverbandstages des Hessischen Fleischerverbandes gelang es uns DFV-Präsidiumsmitglied Georg Kleeblatt auf die Künast'schen Pläne anzusprechen. Kleeblatt war empört und murmelte etwas von Ökosozialisten der 68er Generation, denen nichts, also auch nicht die traditionelle Handwerkskunst heilig sei und sagte dann: "Kein Wunder, wenn die Bundesrepublik nur noch im Mittelfeld landet, wenn selbst die im Ausland hoch geachtete deutsche Wurstmacherkunst mit Strafsteuern belegt werden soll!"
Europa dafür
Nicht jede Idee aus deutschen Ministerien kommt bei der EU-Kommission gut an. Das deutsche Haushaltsdefizit, wettbewerbsverzerrende Subventionen nationaler Gruppen aber auch Eingriffe in die konkurrierende Gesetzgebung verursachen Ärger. Doch hier hat Renate Künast bei Ihrem "Ressort-Kollegen", dem Verbraucherkommisar David Byrne, allem Anschein nach einen Mitstreiter gefunden. Dem Vernehmen nach möchte Byrne sich in ganz Europa für diese Bioabgabe stark machen.
In der Kürze der Zeit gelang es uns noch nicht weitere Stellungnahmen, so der im Bundestag vertretenen Parteien und des Bauernverbandes, zu erhalten. meat-n-more.info bleibt für Sie am Ball und wird aktuell weiter hierzu berichten.
Quelle: Berlin [ Thomas Pröller ]