Chancen für Polens Rinderhalter

Zunehmende Rindfleischerzeugung nach EU-Beitritt?

Polen ist der mit Abstand bedeutendste Rindfleischproduzent der zehn Beitrittsländer. Gleichwohl spielt Rindfleisch im Vergleich zu den übrigen Bereichen der polnischen Fleischproduktion eine eher geringe Rolle. Dies gilt nicht nur für die Erzeugung, sondern auch für den Verbrauch.

Das in Polen erzeugte Rindfleisch stammt hauptsächlich von selektierten Milchkühen oder von Kälbern und Jungrindern aus der Milchproduktion. Eine spezialisierte Rindfleischerzeugung wie in Westeuropa existiert bisher kaum. Dies könnte sich allerdings im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt und der EU-Agrarreform ändern: Polnische Erzeuger dürften von dem als Folge der Entkoppelung erwarteten Rückgang der Rinderbestände in Westeuropa profitieren. Die Angebotslücke in den Län-dern der alten EU könnte dann teilweise durch Lieferungen aus Polen gedeckt werden.

In Polen bietet die Rindfleischproduktion gerade für kleinere Betriebe durchaus eine Alternative zur Milcherzeugung, die erheblich höhere Investitionen und die Einhaltung von höheren Produktions- und Qualitätsstandards erfordert. Bereits in der Vergangenheit haben die Betriebe mit drei bis fünf Milchkühen einen wesentlichen Teil ihres Einkommens aus dem Verkauf von Kälbern und Jungrindern für den Export erwirtschaftet. Dort ließen sich erheblich höhere Erlöse erzielen als bei der Produktion für den polnischen Inlandsmarkt. Diese Betriebe könnten nach dem EU-Beitritt aus der Milchproduktion ausscheiden und sich verstärkt der Erzeugung von Rindfleisch zuwenden. Beobachter halten einen Ausbau der spezialisierten Rindfleischerzeugung in Polen in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren für möglich.

Anpassungsprozess in vollem Gange

Die Rindfleischerzeugung in Polen ist seit den 90er Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Anders als im Schweinesektor gab es in diesem Bereich keinerlei staatliche Stützungs- oder Schutzmaßnahmen. Von 2000 bis 2003 nahm die Zahl der Rinder um weitere zwölf Prozent ab, die Zahl der Milchkühe um zehn Prozent. Die Rindfleischproduktion schrumpfte während dieser Zeit um zwölf Prozent, gleichzeitig brach der Verbrauch um fast ein Viertel ein. Trotz der rückläufigen Produktion vergrößerte sich deshalb der Angebotsüberschuss stetig. An dieser Entwicklung hat der BSE-bedingte Verbrauchsrückgang allerdings einen erheblichen Anteil.

2003 gab es aber einen überraschend kräftigen Anstieg der Rindfleischproduktion um sieben Prozent. Er hat nach Meinung von Beobachtern seine Ursachen in der Vorbereitung der polnischen Milchbauern auf die neuen Rahmenbedingungen am EU-Milchmarkt. In erheblichem Umfang selektierten die Landwirte ältere und schwerere Kühe aus, die nicht mehr die künftigen Leistungs- und Qualitätsanforderungen erfüllen. Dafür wurden verstärkt leistungsfähigere Jungkühe und Färsen eingestallt.

Für das Jahr 2004 wird infolge der strukturellen Anpassungen aus dem Vorjahr mit einem Rückgang der Produktion um neun Prozent gerechnet. Der Rinderbestand dürfte aus den genannten Gründen jedoch nur um ein Prozent zurückgehen. Beim Verbrauch rechnen Beobachter im laufenden Jahr ebenfalls mit relativ stabilen Werten.

Polen essen wenig Rindfleisch

Der polnische Inlandsverbrauch von Rindfleisch ist ausgesprochen niedrig – sowohl im Vergleich mit den Ländern der EU-15 als auch gegenüber den übrigen Bei-trittsländern. Nach westeuropäischen Maßstäben ist das polnische Rindfleisch von geringer Qualität. Auf Erzeugerebene wie auch im Einzelhandel liegen die Preise von Schweinefleisch deshalb über denen von Rindfleisch. Darüber hinaus hat die BSE-Krise in Polen dem Verbrauch erheblich geschadet. Von rund acht Kilogramm pro Kopf im Jahr 1999 schrumpfte der Verbrauch um fast 40 Prozent auf fünf Kilogramm im Jahr 2002. Erstmals seit langem war 2003 wieder ein Anstieg auf etwa sechs Kilogramm zu beobachten.

Geringe Qualitäten – niedrige Preise

Im Jahr 2003 erlösten die polnischen Landwirte – bezogen auf das Kilogramm Lebendgewicht – für ihre Rinder etwa 20 Prozent weniger als für die Schlachtschweine. Und dies trotz der 2003 sehr niedrigen Schweinepreise. Die Erzeugerpreise für Schlachtrinder waren dagegen im Vergleich zu den Vorjahren nur leicht rückläufig. Im Durchschnitt bekamen die Landwirte 2003 etwa 0,54 Euro je Kilogramm Lebendgewicht für ihre Schlachtkühe. Für ein einjähriges weibliches Jungrind erlösten polnische Bauern etwa 200 Euro, und eine Milchkuh handelte man im Schnitt für rund 300 Euro. Der Preis für eine deutsche Schlachtkuh der Klasse O3 lag auf Lebendgewicht umgerechnet zuletzt etwa bei 0,85 Euro je Kilogramm. Färsen und Jungkühe werden in Deutschland für etwa 1.000 Euro je Tier gehandelt.

Lebendexport wichtige Einkommensquelle

Polen exportierte 2003 rund 60.000 Tonnen Rindfleisch sowie etwa 500.000 Kälber und Jungrinder zur Weitermast. Die ausgeführten Rinder sind in der Hauptsache die in der Milchproduktion anfallenden männlichen Kälber. Für diese bestand bislang am polnischen Inlandsmarkt kaum Verwendung. Hauptabnehmer der polnischen Kälber ist offenbar Italien. Dorthin gingen nach polnischen Angaben zuletzt zwischen 40 und 50 Prozent der ausgeführten Tiere. Der deutsche Markt nahm nach polnischen Angaben weniger als drei Prozent und damit höchstens 10.000 bis 15.000 Kälber auf. Das Statistische Bundesamt weist für das Gesamtjahr 2003 dagegen eine Kälbereinfuhr aus Polen von mehr als 100.000 Tieren aus.

Nur noch wenig Rindfleisch nach Russland

Die Ausfuhr von Rindfleisch konzentrierte sich bis 2002 auf den russischen Markt. Nach dem ersten BSE-Fall in Polen gestattete Russland allerdings nur noch die Einfuhr entbeinter Ware. Hinzu kam 2003 die Einführung von Importkontingenten durch die russische Regierung. Daraufhin suchten polnische Exporteure nach alternativen Absatzmöglichkeiten. Im vergangenen Jahr nahmen offenbar Mazedonien, die Niederlande und Bosnien die Hauptmenge des exportierten Rindfleisches auf.

Nur noch gut zehn Prozent der Ausfuhren gingen nach Russland. Nach Deutschland gelangten schätzungsweise acht bis zehn Prozent der polnischen Ausfuhren.

Fleischimport ohne große Bedeutung

Der Import von Rindfleisch hat für den polnischen Markt kaum Bedeutung. 2003 kamen gerade 5.000 Tonnen auf den polnischen Markt. In den Jahren zuvor war es noch weniger. Gleichwohl besteht seit 1995 eine Quotenregelung. Diese ermöglicht die Einfuhr von insgesamt 23.000 Tonnen Rindfleisch zu einem ermäßigten Zollsatz von 30 Prozent. Ab Mai 2004 gelten dann die Einfuhrbestimmungen der EU.

Bedeutender als die Fleischeinfuhr war in der Vergangenheit der Import von Rinderinnereien aus den USA und aus Australien. Zwischen 10.000 und 12.000 Tonnen gelangten jährlich nach Polen. Außerdem wurden pro Jahr knapp 10.000 Zuchtrinder eingeführt. Diese Tiere kamen größtenteils aus Deutschland, den Niederlanden und Frankreich.

Quelle: Bonn [ ZMP ]

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