Nüssel warnt vor agrarpolitischem Flickenteppich

Deutscher Raiffeisentag in Köln

Bei der nationalen Umsetzung der EU-Agrarreform werden hierzulande die Folgen für die Wettbewerbsposition der deutschen Land- und Agrarwirtschaft in Europa viel zu wenig beachtet. „Es drohen sinkende Umsätze vor allem bei tierischen Erzeugnissen und der Verlust von Arbeitsplätzen in der gesamten Wertschöpfungskette vom Acker bis zum Teller. Da jedes EU-Mitgliedsland zudem sein eigenes Modell umsetzen will, droht in Europa ein agrarpolitischer Flickenteppich. Und damit wird der einheitliche Binnenmarkt in Gefahr gebracht“, warnte Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), beim Raiffeisentag in Köln.

Die auch nach der Agrarreform vorgesehene Zwangsstilllegung von Anbauflächen bewertet Nüssel als inkonsequente Maßnahme. Angesichts weltweit enger Versorgungsbilanzen bei Getreide und Ölsaaten sollte das System der Flächenstilllegung in der EU vollständig abgeschafft werden. Praxisfern ist auch die Ausgestaltung der EU-Energie-pflanzenprämie. „Obwohl beim Anbau von nachwachsenden Rohstoffen auf Stilllegungsflächen gute Erfahrungen gemacht wurden, dürfen Genossenschaften nicht die vertragliche Bündelung des Energiepflanzen-Angebots vornehmen. Die Verarbeiter, z. B. Ölmühlen, sind nicht daran interessiert, mit Tausenden von Landwirten einzelne Verträge abzuschließen. Das ist originäre Aufgabe der Genossenschaften. Mit der jetzigen Energiepflanzen-Prämienregelung kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen groß- und kleinstrukturierten landwirtschaftlichen Regionen in Deutschland“, befürchtet Nüssel.

Angesichts der bereits heute schwierigen Lage in der Milchwirtschaft fordert der DRV-Präsident eine konsequente Mengenbegrenzung auf europäischer Ebene, um den Preisverfall zu stoppen. „Wenn die Milchquote in Zukunft einen Effekt haben soll, dann muss sie als Regulativ eingesetzt werden. Die Politik muss die Milchquote zu einem dynamischen Steuerungsinstrument weiterentwickeln“, so Nüssel. Der DRV tritt deshalb dafür ein, dass die mit der Agrarreform beschlossene Quotenaufstockung um 1,5 % nur dann in Kraft tritt, wenn dies die Marktentwicklung tatsächlich zulässt.

Das Angebot der EU-Kommission, auf Exporterstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu verzichten, um den stockenden WTO-Agrarverhandlungen neuen Schwung zu verleihen, kritisiert Manfred Nüssel. „Weder Zeitpunkt noch Inhalt der Initiative sind sinnvoll gewählt. Das Risiko ist groß, dass dieses weit reichende Angebot von den WTO-Verhandlungspartnern ohne Gegenleistungen einkassiert wird“, so Nüssel.

Es muss sichergestellt werden, dass sämtliche Formen von Ausfuhrstützung, wie sie andere Länder mit Krediten, Nahrungsmittelhilfen und Staatshandelsunternehmen praktizieren, tatsächlich auf den Prüfstand kommen. Dieser Vorstoß lässt sich auch nach vollständiger Umsetzung der Agrarreform nicht mit den EU-Marktordnungen in Einklang bringen. Verschiedene Produkte, allen voran im Milchbereich und bei Rindfleisch, sind auch beim künftig gegebenen EU-Preisniveau auf Exporterstattungen angewiesen, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein.

Darüber hinaus hat die EU-Kommission den Mercosur-Ländern zollbegünstigte Importquoten u. a. für 100.000 Tonnen Rindfleisch, 11.000 Tonnen Schweinefleisch und 1 Mio. Tonne Bioethanol aus Brasilien angeboten. „Mit dieser Offerte setzt die EU ihre Märkte und damit die Land- und Agrarwirtschaft verstärkt unter Druck“, so der DRV-Präsident an EU-Agrarkommissar Dr. Franz Fischler, der heute beim Deutschen Raiffeisentag zum Thema „Weichenstellungen für Politik und Märkte – Chancen und Risiken für die Unternehmen“ spricht.

Quelle: Köln [ drv ]

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