EU-Osterweiterung: Internationale Expertenrunde diskutierte Aspekte für Fleischwirtschaft und Handel
Voorlichtingsbureau Vlees lud zur 5. Berliner Runde ein
Am 1. Mai 2004 wurde die bisher umfangreichste Erweiterung der Europäischen Union vollzogen. Die Gemeinschaft vergrößerte sich um zehn neue Mitglieder, von denen acht in Osteuropa liegen. Diese Länder sind agrarisch geprägt und bringen neben ca. 70 Millionen Menschen auch rund 10 Millionen Stück Rindvieh und annähernd 29 Millionen Schweine in die EU ein. Wie schätzen die Fleischwirtschaft und der Handel in den alten EU-Ländern diese Situation ein? Wo liegen die Chancen, und was sind die Bedrohungen? Das Informationsbüro der Niederländischen Fleischwirtschaft ging diesen Fragen nach und beleuchtete im Rahmen der 5. Berliner Runde die verschiedenen Aspekte der EU-Osterweiterung.
Die Teilnehmer der Berliner Runde 2004: vordere Reihe v.l.n.r.: Henk Smit (Dumeco GmbH), Jaap Pape (Botschaftsrat der Kgl. Ndl. Botschaft), Karl Schmiedbauer (Wiesbauer österreichische Wurstspezialitäten GmbH), Martin Gremmer (MG food consulting und Moderator der Veranstaltung), Sylvia Deepen (Agrarattaché der Kgl. Ndl. Botschaft), Thomas Wandel (Nölke Fleischwaren Fabrik GmbH & Co. KG) hintere Reihe v.l.n.r.: Claus Dölling (Döllinghareico GmbH & Co. KG), Jos Jongerius (Productschappen Vee, Vlees en Eieren PVE), Fons van Leeuwen (Informationsbüro der Niederländischen Fleischwirtschaft), Erich Petz (Informationsbüro der Niederländischen Fleischwirtschaft), Hans-Peter Winter (Kaufland Tschechien), Paul Daum (Kaiser's Tengelmann) Bild: Informationsbüro der Niederländischen Fleischwirtschaft |
Erfahrungen und Erwartungen
Die meisten Teilnehmer verfügten bereits vor der Osterweiterung über mehr oder minder intensive Kontakte oder Geschäftsbeziehungen in die neuen Länder, zumeist nach Polen und Ungarn. Die einhellige Meinung der Experten lautete daher, dass diese Länder eher import- als exportorientiert sind, zumal die Mehrzahl der neuen EU-Staaten im Osten nur über einen niedrigen Selbstversorgungsgrad verfügt. Somit sei eine potentielle Bedrohung durch qualitativ bedenkliche Ostimporte im alten EU-Bereich eher gering. Darüber hinaus darf ein Großteil der Ost-Betriebe ohnehin nur für den heimischen Markt produzieren. Neben einem Anstieg des Exportvolumens im Westen wird aber vor allem ein starker Know-how-Transfer zum Thema Qualitätssicherungssysteme erwartet.
Aus niederländischer Sicht sollten dennoch zwei potentielle Gefahrenquellen beobachtet werden. Dies sind zum einen die noch vollen Futtermittellager in den Ostländern und zum anderen die möglicherweise durchlässigen neuen Ostgrenzen der EU.
Relativierter Vorteil
Die Einrichtung einer Dependance in den neuen EU-Ostländern erscheint einigen Unternehmen aufgrund des niedrigeren Lohnniveaus und der geringeren Bürokratie als lohnenswerter Schritt. Allerdings, so die Expertenmeinung, relativiert sich dieser Vorteil, wenn der Faktor Produktivität einbezogen wird. Grundsätzlich sollte man sich immer vorher überlegen, für welchen Markt, also West oder Ost, produziert wird. Die hohen Ansprüche der westlichen Verbraucher an Qualität und Lebensmittelsicherheit können - zumindest vorerst - in den neuen Ländern nur schwer erfüllt werden. Für die Zukunft ist die Vereinbarung von Basiskriterien und die Kommunikation dieser Kriterien in den neuen Ländern unerlässlich, um eine Gefährdung der westlichen Qualitätssicherungssysteme zu vermeiden. Besonders im Bereich des Tierschutzes besteht großer Handlungsbedarf bei den EU-Neulingen. Nach Expertenmeinung wird es sich schwierig gestalten, die westlichen Tierschutz-Standards im Osten zu realisieren, da dort die westlichen Befindlichkeiten zu diesem Thema weitgehend fremd sind.
Erfahrungen berücksichtigen
Alles in allem, so das Resümee der Teilnehmer, stellt die EU-Osterweiterung - unabhängig von potentiellen Chancen oder Risiken - eine große Herausforderung dar. Sich dieser Herausforderung erfolgreich zu stellen, heißt auch, Erfahrungen, wie zum Beispiel aus der deutschen Wiedervereinigung, zu berücksichtigen. In der ersten Euphorie verschwanden damals viele Ostprodukte vom Markt, um durch Westmarken ersetzt zu werden. Dieser Fehler sollte in den neuen EU-Ländern nicht wiederholt werden. Nach Meinung der Experten, die bereits über langjährige Erfahrungen bei den neuen EU-Nachbarn verfügen, lautet das Erfolgsrezept, die bewährten Ostmarken zu erhalten und nicht als Fremder sondern als Einheimischer aufzutreten.
Quelle: Düsseldorf / Berlin [ NED.WORK ]