So kommt die Krabbe in die Wurst

Neue Bratwurst aus St.Peter-Ording

Etwas fehlte. Krabbe und Schwein waren längst vermengt. Doch die Gewürze wollten nicht passen. Jetzt aber jubelt der Schlachtermeister: "Der ,Porrenbiter' schmeckt wirklich prima!" So nennt Karsten Johst aus St.Peter-Ording seine Schöpfung, die Bratwurst aus Brät und Büsumer Meerestieren. Jetzt endlich landet die Wurst auf deutschen Stahlrosten. Für Grillenthusiasten aber geht's mehr als nur um den guten Geschmack. Etwa vier Wochen ist es her, da war Karsten Johst plötzlich zufrieden.

"Immer fehlte irgendetwas, nie war die Rezeptur perfekt", denkt der 33-jährige Schlachtermeister zurück an endlose Stunden des Abschmeckens. "Endlich ist die richtige Würzung gefunden", frohlockt der Erfinder des "Porrenbiters" (Krabbenbeißer) und wehrt Nachfragen umgehend ab: "Die Gewürzmischung bliebt geheim!" Johst beliefert bereits den deutschen Norden mit seiner heißen Ware: Mehrfach in der Woche machen sich in St.Peter-Ording 800 handlange Würste auf die Reise. "Und aus der Schweiz kommen schon Anfragen."

Die Wiege dieser Wurst aber steht andernorts – in Elmshorn, in der Küche der Beruflichen Schulen, um genau zu sein. Da nämlich fragte sich eines Tages Helge Lührsen (35): "Wie kommt die Nordsee in die Wurst?" Prompt schickte der Berufsschullehrer seine jungen Fleischergesellen an die Herde und ließ die Oberstufe emsig experimentieren: Die "Elmshorner Krabbenwurst" war Landesspezialität entdeckt. Hat Metzger Johst also alles nur geklaut? Mitnichten. Lührsen verneint: "Wer die Wurst am besten macht, der soll sie auch verkaufen." So kommt das fischige Fleischprodukt heute eben aus St.Peter-Ording.

Hier vermengt Karsten Johst das Brät mit ganzen Büsumer Krabben, ein Fünftel von jedem "Krabbenbeißer" kommt aus der See. Möglich macht dies eine neue Verordnung der Europäischen Union, die das Mischen von warm- und kaltblütigem Fleisch gestattet. "Aber auch die deutsche Fleischverordnung hätte dies durchaus zugelassen", erklärt Reinhard von Stutz, Fleischexperte beim Deutschen Fleischer-Verband in Frankfurt am Main. Letztlich entscheide wohl allein der Geschmack. Übrigens: "Porrenbiter"-Schöpfer Karsten Johst empfiehlt, seine Ware pur zu genießen und nicht zu Senf oder gar Ketschup zu greifen.

Doch was dem Norddeutschen mundet, das schmeckt dem Franken noch lange nicht. Genau 751 Kilometer entfernt von Karsten Johsts Geschäft steht die "älteste Bratwurstküche der Welt", die Nürnberger Gaststube "Zum Gulden Stern", die sich auf das Gründungsjahr 1419 beruft. Und da kommen die Chefgriller wohl nicht auf den Geschmack: "Zu einer Krabbenbratwurst sagen wir lieber nichts." Aber nicht nur Nürnberg gilt als Herkunftsland der deutschen Bratwurst. Ebenso gehandelt wird Thüringen. Da ist Hans-Joachim Fuchs (59) zu Hause. Er würde gerne mal den "Porrenbiter" über glimmender Kohle wenden, um seinen meisterlichen Appetit zu stillen: Der Mann ist amtierender Grill-Europameister und Weltmeister von 2002. "Klingt lecker. Und als gebürtiger Stralsunder esse ich Fisch ohnehin gerne", verrät Fuchs. Er tippt: "Eine Spur Thymian ist in der Krabbenwurst ganz sicher drin."

Kostverächter dagegen in Cabo de São Vincente. Da brutzelt sie wohl niemals auf dem Grill. Am südwestlichsten Zipfel Europas, gelegen bei Sagres in Portugal, winkt Wolfgang Bald energisch ab. Den "Porrenbiter" aus Schleswig-Holstein mag er nun wirklich nicht braten, wenn der 51-jährige Auswanderer und Firmengründer an seinem Imbissstand die "Letzte Bratwurst vor Amerika" serviert. "Eine Krabbenbratwurst ist nun mal nicht typisch deutsch", urteilt der Nürnberger. Er bedient meist Spanier, Italiener und freilich Portugiesen. "Und die bevorzugen Thüringer, Nürnberger und fränkische Würstchen."

© Kieler Nachrichten [www.kn-online.de]. Erschienen am 20.08-2004. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung der Widergabe dieses Artikels!

Quelle: St.Peter-Ording [ Jens Höhner - Kieler Nachrichten ]

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