Verstöße gegen den Verbraucherschutz - Behördendaten bleiben unter Verschluss
Verwaltungsgericht Schleswig weist Auskunftsklage des vzbv über Verstöße gegen das Eichgesetz ab
Sensible Behördendaten über Verstöße gegen den Verbraucherschutz bleiben weiter unter Verschluss. So die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts in einem vom vzbv angestrebten Verfahren gegen die Eichdirektion Nord. Auslöser der Klage war die Verweigerung der Eichdirektion, konkrete Auskünfte über Kontrolldaten zu Mogelpackungen zu erteilen. "Das Urteil macht deutlich, dass deutsche Behörden ihre Akten immer noch als Geheimsache behandeln und Verbrauchern damit wichtige Informationen vorenthalten", so Patrick von Braunmühl, stellvertretender Vorstand des vzbv. "Es ist höchste Zeit für ein bundeseinheitliches Informationsfreiheitsgesetz, das Rechtssicherheit schafft."Die Begründung des Verwaltungsgerichts, das Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen über das Interesse des Verbraucherschutzes zu stellen, hält der vzbv für nicht haltbar. Laut Gericht unterliegen die behördlichen Daten aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen selbst dann der Geheimhaltung, wenn es sich um ein rechtswidriges Verhalten der Unternehmen handele. Nur bei Gefahren für Leben und Gesundheit überwiege das Interesse der Verbraucher an der Information, so die Richter. Dagegen führten die festgestellten Ungenauigkeiten bei der Abfüllung für die Verbraucher nur zu einem geringfügigen Nachteil. "Es ist absurd, die Verweigerung der Informationen mit der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu begründen", so von Braunmühl. "Wettbewerb funktioniert durch Transparenz, nicht durch Geheimhaltung." Der Verbraucher habe ein Recht zu erfahren, welche Unternehmen sich an die Gesetze halten und welche nicht. Der vzbv wird Berufung gegen das Urteil einlegen.
Mogelpackungen auf der Spur - der Hintergrund des Rechtsstreits
Eine Flasche Sekt enthält 0,75 Liter - sollte man meinen. Tatsächlich jedoch sind, nicht nur bei Sekt, zahlreiche Lebensmittelpackungen zu gering befüllt. Den Verbrauchern entstehen durch diese Unterfüllungen Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Überprüft wird die korrekte Befüllung von den Eichbehörden der Länder.
Doch wie gut funktioniert die Kontrolle? Was tun die Eichämter eigentlich gegen Firmen, die ihre Packungen möglicherweise systematisch zu gering befüllen? Um Antwort auf diese Frage zu bekommen, ersuchte der vzbv im Dezember 2002 bei den Eichbehörden der Länder Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Auskunft über die bei Füllmengenkontrollen festgestellten Beanstandungen. Dabei berief er sich auf die in diesen Ländern bestehenden Informationsfreiheitsgesetze, die den Bürgern Zugang zu Verwaltungsakten geben. Grund der Nachfrage des vzbv war eine bundesweite Zusammenfassung der Füllmengenkontrollstatistik der Mess- und Eichbehörden, die für das Jahr 2001 erhebliche Missstände durch unterfüllte Fertigpackungen aufwies.
Die Reaktionen der Behörden waren ganz oder teilweise ablehnend:
- Brandenburg teilte Beanstandungen bei zwei Importeuren mit, die Großlager in Brandenburg, allerdings nicht ihren Sitz in Brandenburg haben. Die Nachfrage, ob es auch Beanstandungen bei in Brandenburg ansässigen Abfüllbetrieben gegeben hat, blieb unbeantwortet.
- Nordrhein-Westfalen lehnte im Januar 2003 eine Auskunft über natürliche Personen ab, erteilte jedoch im Mai 2003 Auskunft über einige abgeschlossene gerichtliche Verfahren mit juristischen Personen.
- Berlin lehnte eine Auskunftserteilung unter Hinweis auf einen drohenden Schaden für die betroffenen Unternehmen ab. Hiergegen hat der vzbv im Juni 2003 Widerspruch beim Landesamt für das Mess- und Eichwesen eingelegt und inzwischen Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben.
- Schleswig-Holstein lehnte im Dezember 2002 die begehrte Auskunftserteilung ab. Über die daraufhin erhobene Klage des vzbv im Januar 2003 vor dem Verwaltungsgericht Schleswig wurde jetzt entschieden.
Deutschland - Schlusslicht bei Behörden-Transparenz
Was die Transparenz der Verwaltung anbelangt, gehört Deutschland in Europa zum Schlusslicht. So ist in der EU und in der OECD Deutschland neben Luxemburg der einzige Staat ohne ein bundesweites Informationsfreiheitsgesetz. In Deutschland gibt es Informationsfreiheitsgesetze auf Länderebene neben Schleswig-Holstein nur noch in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Wie der Fall Schleswig-Holstein zeigt, werden Auskünfte in der Praxis allerdings selbst dann verweigert, wenn die Informationsfreiheitsrechte gesetzlich geregelt sind.
Hoffnung schöpft der vzbv, der sich seit Jahren für eine Verbesserung der Informationsrechte der Verbraucher einsetzt, aus der wiederbelebten Debatte um ein bundeseinheitliches Informationsfreiheitsgesetz. Derzeit arbeitet eine Arbeitsgruppe der Regierungskoalition an einem Gesetzesentwurf - das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode kommen. Danach soll jede Bürgerin und jeder Bürger Akteneinsicht in behördliche Daten erhalten. Will die Behörde eine Anfrage ablehnen, muss sie die Ablehnung schriftlich begründen, so die Pläne. Ein bundeseinheitliches Informationsfreiheitsgesetz hatte die Bundesregierung bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung des Jahres 1998 angekündigt.
Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 24. Juni 2004, Az: 12 A 289/03, (nicht rechtskräftig)
Quelle: Berlin / Schleswig [ vzbv ]