Raiffeisen-Bilanz 2004 – Ausblick 2005: nicht alles glänzt

Leichtes Umsatzplus – Chancen auf den Agrarmärkten - Vieh- und Fleischwirtschaft mit tief greifenden Strukturveränderungen

Ende 2004 waren 3.235 Genossenschaften (Vorjahr 3.286) als Vermarkter und Dienstleister der Landwirtschaft tätig. Als Unternehmen der Landwirte sind die Genossenschaften ein wichtiger Teil des Agribusiness. Rund 7 % der volkswirtschaftlichen Bruttowertschöpfung in Deutschland entfällt auf die Agrarwirtschaft mit ihren vor- und nachgelagerten Wirtschaftsstufen. Im Jahr 2004 erzielten die Raiffeisen-Genossenschaften ein Umsatzplus von 1,5 % auf 36,1 Mrd. Euro (Vorjahr 35,5 Mrd. Euro).

„Die Aufgaben der Genossenschaften gehen weit über die Herstellung hochwertiger Nahrungsmittel hinaus. Sicherung von Einkommen, Arbeitsplätzen und vielfältige Dienstleistungen im ländlichen Raum sind wichtige volkswirtschaftliche Leistungen. Den ländlichen Genossenschaften kommt eine Schlüsselrolle bei der Qualitätssicherung in der gesamten Lebensmittelkette vom Acker bis zur Ladentheke zu. Sie stärken den Agrarstandort Deutschland, indem sie z. B. die Landwirte in Produktions- und Marktfragen beraten und sie fit machen für den Wettbewerb in der erweiterten Europäischen Union“, erklärte Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), bei der Bilanzpressekonferenz in Berlin.

Vieh- und Fleischwirtschaft: Tief greifende Strukturveränderungen

Die Unternehmen der genossenschaftlichen Vieh- und Fleischwirtschaft erzielten 2004 ein Umsatzplus um 10 % auf 5 Mrd. Euro. Vor allem Preissteigerungen bei Schlachtvieh und höhere Vermarktungsmengen bei Schweinefleisch führten zu diesem Ergebnis. Einer stabilen Fleischnachfrage stand ein aggressiver Preiskampf gegenüber, der vom Verdrängungswettbewerb zwischen den Vertriebsschienen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) angetrieben wurde. Die Discounter haben ihren Marktanteil sowohl bei Frischfleisch als auch bei Wurstwaren weiter deutlich erhöht. Sie sind inzwischen die zweitwichtigste Absatzschiene.

2005 markiert den Einstieg in die EU-Agrarreform und damit veränderte Rahmenbedingungen für die Tierproduktion. Verschiebungen zwischen Produktionsregionen innerhalb der EU und rückläufige Mengen werden vor allem in der Rindfleischvermarktung erwartet. Erfreulich entwickelt sich die Nachfrage nach hochwertigen Spezialitäten in den EU-Beitrittsländern.

Qualität und Sicherheit: Durchbruch bei Schweinefleisch

Die Qualität und Sicherheit GmbH zählt aktuell 1.072 Systempartner. Mittlerweile werden knapp 50.000 landwirtschaftliche Betriebe gebündelt. Auf dieser Stufe hat das System weiter an Flächendeckung gewonnen. Die Betriebe der Futtermittelwirtschaft und der Fleischbranche sind zum überwiegenden Teil nach QS-Kriterien zertifiziert. Angesichts dieser Vorleistungen ist nun der LEH am Zug, QS-Ware zu listen. Für QS-Schweinefleisch ist nach Vereinbarungen mit den europäischen Partnern aus den Niederlanden und Dänemark der Weg frei für einen breiten Einstieg. „Seit Mitte Februar 2005 listet und bewirbt die Metro AG QS-Schweinefleisch in ihren deutschen Vertriebslinien. Damit ist der Durchbruch erreicht“, so Nüssel.

Bürokratie verhindert QS-Rindfleisch

Verhalten ist nach wie vor das Wachstum bei QS-Rindfleisch, bei dem die Etikettierung das Hauptproblem für die Vermarktung darstellt. Die im europäischen Vergleich einzigartige Rechtsauffassung der deutschen Behörden unterbindet bislang jeden Versuch, über das Produkt Rindfleisch mehr Informationen als „Herkunftsland Deutschland“ zu vermitteln. Überregulierung und Bürokratie drohen, QS-Rindfleisch aus dem Markt zu drängen. „Staatliche Stellen mischen sich in unzulässiger Weise in das Marketing und in Produktinformationen ein. Ich fordere die politisch Verantwortlichen auf, diese Interpretationsspielräume zu schließen und für klare Vorgaben zu sorgen“, kritisierte der DRV-Präsident.

Kerngeschäft: Handel und Vermarktung

2004 sank die Zahl der Unternehmen, die im Handel und in der Verarbeitung von Getreide, Futtermitteln, Milch, Vieh und Fleisch, Obst und Gemüse, Wein, Brennstoffen u. a. m. tätig sind, um 4,4 % auf 1.470 (Vorjahr 1.537). Auf rund 80 genossenschaftliche Unternehmen entfallen mittlerweile 75 % der addierten Jahresumsätze in der Raiffeisen-Organisation.

Trotz des fortgesetzten Kostendrucks auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten blieben die Umsätze, vor allem in den Kerngeschäften, stabil. Die anhaltend schwache Konjunktur und das Preisdiktat der Lebensmittel-Discounter begrenzen die Erlöse. „Die Genossenschaften vollziehen einen kontinuierlichen und erfolgreichen Anpassungsprozess. Sie bauen die Wertschöpfungstiefe aus, optimieren ihre Produktionsprozesse und Sortimente. Sie stärken ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den nationalen und internationalen Märkten“, so Nüssel.

Der DRV-Präsident beurteilt die Perspektiven für den Agrar- und Nahrungsmittelhandel in der erweiterten Europäischen Union und auf dem Weltmarkt insgesamt positiv. 2004 stiegen die genossenschaftlichen Agrarexporte insbesondere bei Fleisch und Milch auf 3,3 Mrd. Euro. Positiv entwickelten sich die Ausfuhren in die EU-Beitrittsländer. Nüssel erwartet auch eine steigende Nachfrage nach veredelten Produkten im asiatisch-pazifischen Raum.

Unsicherheit herrscht derzeit noch bezüglich der Auswirkungen der EU-Agrarreform. Der DRV rechnet mit Rückgängen in der tierischen Produktion und vor allem mit Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU, da die Mitgliedstaaten die Reformbeschlüsse unterschiedlich umsetzen und somit abweichende Produktionsanreize geben.

Warenwirtschaft: Umsatzstarke Sparte

Die Geschäftsentwicklung in der genossenschaftlichen Warenwirtschaft, zu der sechs Hauptgenossenschaften und 667 Primärgenossenschaften zählen, wurde durch Rekordernten und insbesondere mengenbedingte Umsatzzuwächse von knapp 2 % auf 16,8 Mrd. Euro bestimmt. „Der Produktionsanstieg auf den nationalen und internationalen Märkten für Getreide und Ölsaaten führte allerdings zu einem dramatischen Preisverfall. Zurzeit drängen erhebliche Getreidemengen, die zunächst auf den landwirtschaftlichen Betrieben eingelagert wurden, auf den Markt“, erläuterte Nüssel.

Zur Marktentlastung hat der DRV wiederholt von der EU-Kommission eine aktivere Exportpolitik gefordert. Nüssel kritisiert, dass die Exportausschreibung für Weizen erst im Februar 2005 und damit viel zu spät eröffnet wurde. Zum Ende des laufenden Getreidewirtschaftsjahres erwartet der DRV erhebliche Lagerbestände, die bereits jetzt die nächste Vermarktungskampagne belasten.

Das Geschäft mit Betriebsmitteln war durch ein leichtes Umsatzplus bei Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln sowie Rückgänge beim Saatgut gekennzeichnet. Die Agrartechnik-Sparte ist nach wie vor durch die Verunsicherung der Landwirte als Folge der Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik geprägt. Der Absatz leidet zudem unter dem Strukturwandel in der Landwirtschaft mit der Folge, dass Werkstätten unrentabel werden. Großmaschinen werden verstärkt für den überbetrieblichen Einsatz geordert. Zugleich sinkt die Nachfrage nach Gebrauchtmaschinen. Positiv hat sich der Verkauf über das Internet-Angebot raiffeisen.com entwickelt.

Die Diversifikationssparten – dazu zählen 1.600 Raiffeisen-Märkte und mehr als 620 Tankstellen – unterliegen konjunkturellen und internationalen Marktparametern. Die Lage im Baugewerbe bleibt nach einer kurzen Belebung im Zuge der Diskussion um die Abschaffung der Eigenheimzulage weiterhin angespannt. Die 650 Raiffeisen-Baustoff-Fachhandlungen konnten sich durch neue Warensortimente, beispielsweise für die energetische Gebäudesanierung, positiv von den großen SB-Baumärkten abheben. Beim Kraftstoffabsatz sind ausreichende Margen angesichts der Wettbewerbssituation im Tankstellenbereich nach wie vor schwierig zu erzielen. Mit der EU-Osterweiterung hat sich in grenznahen Regionen zudem das Problem des Tanktourismus verschärft. Der Heizölabsatz wird durch das außerordentlich hohe internationale Preisniveau gebremst.

Futterwirtschaft: Auswirkungen der EU-Agrarreform

Die Zunahme der Mischfutterproduktion in Deutschland um 2,9 % auf 20,3 Mio. t im abgelaufenen Wirtschaftsjahr darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die Lage für die Hersteller angespannt bleibt. Gründe dafür sind u. a. der Rückgang der Viehbestände sowie zahlreiche Änderungen und Verschärfungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Das Inkrafttreten der EU-Gentechnik-Kennzeichnungsvorschriften hat die öffentliche Diskussion um den Einsatz von Gentechnik in Futtermitteln erneut belebt, obwohl die Rohstoffverfügbarkeit, z. B. „gentechnikfreies“ Sojaschrot, auf dem Weltmarkt äußerst begrenzt ist und sog. gentechnisch veränderte Futtermittel bereits seit Jahren legal eingesetzt werden.

Die DRV-Arbeit konzentriert sich 2005 auf die dringend erforderliche Versachlichung der Gentechnik-Diskussion und auf die Durchsetzung eines risikoorientierteren Umgangs mit Schadstofffunden. Kritisch bewertet Nüssel das geplante Lebens- und Futtermittelgesetzbuch, das nach dem Willen der Bundesregierung u. a. eine Reihe von Ermächtigungen und Verpflichtungen zur Offenlegung sensibler Unternehmensdaten vorsieht.

Milchwirtschaft: Preisanhebungen durchsetzen

Die 74 milchverarbeitenden Genossenschaften erzielten 2004 einen Umsatz von 9,6 Mrd. Euro (Vorjahr 9,7 Mrd. Euro). Der deutsche Markt war durch rückläufige Milchanlieferungen und eine höhere Nachfrage aus dem In- und Ausland gekennzeichnet. Dank der erfolgreichen wirtschaftlichen Tätigkeit der Molkereigenossenschaften wirkte sich die erste Stufe der Milchreform nicht negativ auf das Marktgeschehen aus. Die Unternehmen erschlossen neue Absatzpotenziale in den EU-Beitrittsländern.

Die Erzeugerpreise gaben um rund einen halben Cent bzw. etwa 2 % auf knapp 28 Cent/kg nach. Der Rückgang der Milcherzeugerpreise konnte im Vergleich zu den beiden Vorjahren deutlich gebremst werden. Der DRV-Präsident geht allerdings davon aus, dass die EU-Kommission weiterhin konsequent auf Preissenkungen setzt.

Die Milchwirtschaft sieht sich auch 2005 mit deutlichen Kostensteigerungen konfrontiert. Neben höherem Aufwand, u.a. für Zutaten, Verpackungen und Personal, sind es vor allem die Positionen Energie und infolge der LKW-Maut Transport und Logistik, die mit zweistelligen Raten zu Buche schlagen. „Diese zusätzlichen Belastungen machen Preisanhebungen für Milchprodukte unumgänglich. Hochwertige, gesundheitsfördernde Nahrungsmittel haben einen fairen Preis verdient. Sie dürfen nicht Spielball von Rabattschlachten sein“, betonte Nüssel.

Der Strukturwandel in der Milcherzeugung wird sich 2005 im Zuge der EU-Agrarreform beschleunigen. Die genossenschaftliche Milchwirtschaft wird durch Kooperationen und Fusionen weitere Synergieeffekte ausschöpfen. Kostensenkungspotenziale in Verarbeitung und Vermarktung werden konsequent genutzt. Die Produktionsprozesse werden weiter gestrafft; Innovationen und Dachmarken ausgebaut. Die Molkereiunternehmen stellen verstärkt Großverbraucher und die weiterverarbeitende Lebensmittelindustrie in den Fokus ihrer Absatzstrategien.

Weinwirtschaft: Discounter und „Neue Welt“

Der Weinjahrgang 2004 übertraf die Erwartungen der deutschen Weinwirtschaft hinsichtlich Qualität und Erntemenge. Die 232 Winzergenossenschaften haben rund 3,5 Mio. hl Most von guter bis sehr guter Qualität geerntet. Die deutsche Weinmosternte 2004 wird auf rund 10,5 Mio. hl (Vorjahr 8,2 Mio. hl) veranschlagt und liegt damit um 27,5 % über der witterungsbedingt niedrigen Ernte des Vorjahres und um 8 % über dem zehnjährigen Mittel. Die Qualität und bundesweit leicht überdurchschnittliche Menge werden als marktkonform eingestuft.

Das anhaltend schwache Konsumklima hat sich auch tief greifend auf den deutschen Weinmarkt ausgewirkt. Im Weinwirtschaftsjahr 2003/2004 wurde noch ein konstanter bis leicht steigender Konsum verzeichnet. Das ausgeprägte Preisbewusstein der Verbraucher und die rückläufige Ausgabenbereitschaft führen aber zu sinkenden Weinumsätzen. Der Trend zu den marktbestimmenden Discountern setzt sich fort. Sie decken hierzulande inzwischen knapp 50 % der gesamten Nachfrage privater Haushalte an in- und ausländischem Wein ab. Der hohe Anteil von preisgünstigen ausländischen Weinen, insbesondere aus der „Neuen Welt“, in den Regalen der Discounter, machen den intensiven Preis- und Strukturwettbewerb deutlich. Die heimischen Erzeuger sind einem hohen Preisdruck ausgesetzt. Die Winzergenossenschaften haben in diesem schwierigen Umfeld ihre Marktposition behauptet. Dennoch sind strukturelle Anpassungen erforderlich, um weiterhin erfolgreich zu sein.

Obst-, Gemüse- und Gartenbau: Ein schwieriges Jahr

Nach zwei ertragsschwachen Jahren fiel 2004 die Obsternte in Deutschland insgesamt „normal“ aus. Bei Erdbeeren verzeichnete man eine Rekordernte; auch bei Pflaumen, Süßkirschen und Birnen waren die Erträge reichlich. Die Apfelernte fiel mit rund 945.000 t deutlich höher aus als 2003, blieb aber insgesamt unter ihrem Potenzial. Das große Angebot an Steinobst aus Südeuropa, das zu Dumpingpreisen angeboten wurde, setzte die deutschen Vermarkter zunehmend unter Druck.

Die Gemüsesaison war durch hohe Erträge und eine weitere Flächenausdehnung um 11,4 % auf insgesamt 112.000 ha geprägt. Ein Überangebot und bislang ungekannter Preisverfall waren die Folge. Die Einkaufsmengen stiegen nur geringfügig. Die Gemüsevermarkter melden Umsatzrückgänge um bis zu 30 %.

Bei Blumen und Zierpflanzen lagen die Umsätze auf Vorjahresniveau. Bei Topfpflanzen gab es konjunktur- und wetterbedingte Umsatzeinbrüche.

Ein Schwerpunkt der DRV-Arbeit 2004 waren die Vorbereitung und Einführung der QS-Zertifizierungen. Mit der Saison 2005 beginnt die Rückstandsüberwachung von QS-Ware in den Bereichen frisches Obst, Gemüse und Kartoffeln.

Agrargenossenschaften: Betriebsergebnisse stabilisiert

Die wirtschaftliche Lage der 801 Agrargenossenschaften in Ostdeutschland hat sich trotz erneut nicht einfacher Bedingungen stabilisiert. Nach dem sehr schwierigen Vorjahr sanken die Markterlöse im Wirtschaftsjahr 2003/2004 im Gesamtdurchschnitt um etwa 2,8 % auf 1,73 Mio. Euro je Unternehmen. Ausschlaggebend waren die witterungsbedingt niedrigen Getreideerträge und die Erlösrückgänge in der Veredlungsproduktion.

Für das Wirtschaftsjahr 2004/2005 erwartet der DRV u. a. aufgrund der guten Ernte eine weitere Stabilisierung. Diese Erwartung wird von den derzeit günstigen Preisentwicklungen bei Rind- und Schweinefleisch gestützt. Die Märkte für Milch und Milchprodukte zeigten sich Anfang 2005 ebenfalls in einer stabilen Verfassung.

Nachdem die lange diskutierte Altschuldenregelung 2004 Gesetzeskraft erlangt hat, prüfen die betroffenen Agrargenossenschaften die Möglichkeiten, über Ablösebeträge diese finanzielle Altlast zu vertretbaren Bedingungen abzutragen.

Quelle: Berlin [ drv ]

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