Schnappauf für besseren und frühzeitigeren Verbraucherschutz
"Informationsfluss zwischen allen Behörden muss besser werden, um schnellstmöglich falsch deklarierte, ekelerregende oder gesundheitsgefährdende Lebensmittel aus den Regalen entfernen zu können"
In einem Bericht an das Bundesverbraucherschutzministerium hat Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf sich am 27. 10. 2005 für einen besseren und frühzeitigeren Verbraucherschutz stark gemacht. Um die Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam schützen zu können, ist die gegenseitige und offene Unterrichtung aller Behörden unverzichtbar. Für die Zukunft müsse der Informationsfluss verbessert werden, um schnellstmöglich etwaige falsch deklarierte, ekelerregende oder gesundheitsgefährdende Lebensmittel aus den Regalen entfernen zu können.
Im aktuellen Fleischskandal hatten die Zollfahnder in Bayern vorbildliche Ermittlungsarbeit geleistet und das zuständige Bundesfinanzministerium nach eigenen Angaben ''frühzeitig'' informiert. Von dort aus ist das Bayerische Verbraucherschutzministerium jedoch bis heute nicht informiert worden. Es stellt sich die Frage, ob das Bundesfinanzministerium das Bundesverbraucherschutzministerium informiert hat.
Das Bayerische Verbraucherschutzministerium hat von dem Verdacht der Umdeklarierung von Schlachtabfällen deshalb erstmals am 11. Oktober Kenntnis erhalten. Und zwar zeitgleich durch das Veterinäramt Deggendorf, das tags zuvor von der Zollfahndung Lindau telefonisch informiert wurde und durch eine Mitteilung des Niedersächsischen Verbraucherschutzministeriums. Darin hieß es, dass eine niedersächsische Firma eine Lebensmittellieferung aus Deggendorf wegen Untauglichkeit zurückgewiesen hätte. Diesen Informationen ist das Bayerische Verbraucherschutzministerium unverzüglich nachgegangen, hat seinerseits Ermittlungen angestellt, eine landesweite Razzia durchgeführt, die Öffentlichkeit informiert, einen Maßnahmenkatalog erstellt und dessen Umsetzung bei Bundesverbraucherminister Jürgen Trittin und EU-Kommissar Markos Kyprianou eingefordert. Umfassende Informationen des Zolls über Einzelheiten der Ermittlungen erhielt das Bayerische Verbraucherschutzministerium dann auf Nachfrage am 17. Oktober.
In Bayern werden alle EU-rechtlichen Kontrollpflichten erfüllt. Deshalb hat das Veterinäramt Deggendorf die Deggendorfer Frost GmbH jährlich routinemäßig zwei- bis dreimal nach den EU-Bestimmungen kontrolliert. Bei einer dieser Kontrollen (1. Juli) wurden hygienische und bauliche Mängel festgestellt; bei einer Nachkontrolle am 4. Juli weitere Mängel; ein Bescheid zur Mängelbeseitigung wurde erstellt. Am 25. Juli und am 28. Juli wurde die Behebung der Mängel kontrolliert. Da insbesondere die bauliche Mängelbeseitigung noch nicht fertig gestellt war, wurde die Frist zur Mängelbeseitigung um einige Tage verlängert. Bei der Nachkontrolle am 18. August waren die Mängel immer noch nicht behoben; darüber hinaus bestanden wiederum Defizite in Bezug auf Reinigung und Desinfektion. Deshalb wurde der Betrieb geschlossen und das vorübergehende Ruhen der Zulassung bis zur Mängelbehebung angeordnet. Am 22. August erkundigte sich das Zollkriminalamt Lindau telefonisch nach einem Schreiben des Bundesamtes für Veterinärwesen Bern, da darin die Deggendorfer Frost GmbH genannt sei. Das Schreiben lag und liegt dem Veterinäramt nicht vor. Obwohl das Zollkriminalamt nicht um eine Überprüfung des Betriebs bat, kontrollierte das Veterinäramt von sich aus noch am 22. August und erneut am 23. August die Deggendorfer Frost GmbH erneut. Die beanstandeten Hygienemängel waren zwischenzeitlich jedoch behoben; neue Mängel fanden sich nicht, die Betriebseinstellung musste deshalb aufgehoben werden. Auch eine weitere Nachkontrolle am 20. September ergab nur kleinere hygienische Mängel.
Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand hat die Umdeklaration der Schlachtabfälle zu Lebensmitteln während des Straßentransports stattgefunden. Das erklärt auch, warum die kriminellen Machenschaften trotz der wiederholten Betriebskontrollen nicht aufflogen. Die Ware ist ganz offensichtlich nicht im Deggendorfer Betrieb zwischengelagert worden, sondern direkt per Lkw von Österreich oder der Schweiz zu den außerbayerischen Abnehmern verbracht worden. Die Begleitpapiere wurden offensichtlich auf der Fahrt ausgetauscht.
Der Maßnahmenkatalog Bayerns hat zum Ziel, diese Überprüfungslücke zu schließen und besteht im wesentlichen aus vier Punkten:
- Die K1-, K2- und K3-Behälter sowie die Begleitpapiere sind europaweit einheitlich und auffällig zu kennzeichnen. Die Behälter müssen mit perforierten, farbigen, z.B. roten, gelben und grünen Aufklebern versehen werden; die Begleitpapiere ebenfalls in den gleichen Farben gehalten sein. Eventuell sind die Container zu verplomben.
- Die für Lebensmitteltransporte geltende Zulassungspflicht muss auf Transporteure von Fleischabfällen ausgeweitet werden.
- Ein Rückmeldesystem der Begleitscheine ähnlich wie bei der Abfallverbringung wird eingeführt; d.h. die Kopien werden nach Ankunft der Ware beim Empfänger an den Absender zurückgesandt, um sicherzustellen, dass die Klassifizierung der Ware nicht beim Transport verändert wurde.
- Das K3-Material sollte mit Lebensmittelfarbe (vgl. Speisesalz und Streusalz), Fisch- oder Leberaromen für den menschlichen Verzehr ungenießbar gemacht werden.
Quelle: München [ stmlu ]