Fleischskandale und kein Ende in Sicht...
Gefrorenes Roastbeef im Haltbarkeitsdatum um ein Jahr verlängert und Putenhackfleisch aus dem Jahre 2002, gefunden in einem Kühlhaus in Gelsenkirchen. Als Kontrolleure damit Mitte November 2005 an die Öffentlichkeit gingen, waren Teile der über 60 Tonnen schon verkauft worden und wahrscheinlich auch verzehrt. Kurz zuvor war Anfang des Monats der dritte Fleischskandal innerhalb weniger Monate bekannt geworden: Gefrorenes Geflügelfleisch war unsachgemäß aufgetaut und als Frischfleisch verkauft worden, vergammeltes war mit Wasser aufgespritzt worden. Das Fleisch wurde zu Dönern und anderen Fleischwaren verarbeitet. Zum wiederholten Mal werden damit in diesem Jahr eklatante Missstände im Fleischsektor öffentlich. Erst Mitte Oktober war bekannt geworden, dass Tonnen von ekeligen Schlachtabfällen in Lebensmitteln verarbeitet worden waren. Und im März waren im Fernsehen Bilder von Mitarbeitern der Supermarktkette „real“ zu sehen, die - mit versteckter Kamera gefilmt - altes Hackfleisch umetikettierten, um es wieder „frisch“ anbieten zu können.
Vergammeltes Geflügelfleisch
Der dritte Fleischskandal innerhalb weniger Monate: Anfang November wurde bekannt, dass eine Firma im niedersächsischen Lastrup bei Cloppenburg hat vergammeltes Geflügelfleisch verkauft hatte. Hier wurde nicht nur tiefgekühltes Fleisch als Frischware umdeklariert. Auch vom Handel beanstandetes und zurückgeschicktes Fleisch soll eingefroren und später erneut angeboten worden sein. Zusätzlich soll Geflügelfleisch mit Wasser aufgespritzt und so schwerer gemacht worden sein.
Die Spuren führen quer durch die Republik. In mindestens 15 Betrieben in Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg fanden Durchsuchungen statt. Teilweise konnte die Ware sichergestellt werden. Allein im Lastruper Betrieb waren es 20 Tonnen. Ein Großteil der Ware soll längst an Großküchen, Kliniken, Schulen oder Dönerbuden verkauft und mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits verzehrt worden sein.
Die ermittelnde Oldenburger Staatsanwaltschaft geht von Gesundheitsgefahren durch das Gammelfleisch aus. Das zuständige niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) erklärt das Fleisch für „vergammelt und nicht zum Verzehr geeignet». Zu untersuchende Proben seien schleimig und stinkend gewesen.
foodwatch fordert selbstregulierende Überwachungssysteme
Hatten Politiker, Fleisch- und Ernährungswirtschaft auf dem Höhepunkt der BSE-Krise nicht Besserung gelobt? Doch abgesehen von kosmetischen Maßnahmen hat sich in den vergangenen fünf Jahren nicht viel getan. In ersten Reaktionen auf den jüngsten Skandal im November verlangen die einen mehr Kontrolleure und schärfere Strafen, andere wiegelten ab, es bestehe keine Gesundheitsgefahr.
Die geltenden Gesetze und Überwachungsstrukturen sind veraltet. Längst ist die gesamte Ernährungswirtschaft international organisiert. Doch selbst effektivere Kontrollen wären nicht die Lösung. Eine wesentliche Verbesserung tritt nur ein, wenn Hersteller und Handel ein starkes Eigeninteresse haben, Betrügereien wie die oben genannten von vornherein zu unterbinden und zu vermeiden. Erst dann können Kontrollen greifen, weil Betrügereien dann Ausnahme und nicht mehr Normalfall sind.
Der Ruf nach mehr Kontrollen und schärferen Strafen geht am Kern des Problems vorbei
Ein Eigeninteresse der Hersteller und des Handels, diese Ekelskandale zu vermeiden, besteht nur, wenn:
- nicht nur – wie bisher – Individuen, sondern auch Betriebe zur Verantwortung gezogen werden. Bußgelder, nach Umsatz gestaffelt, sind wirksame Abschreckungsmaßnahmen.
- die derzeit auf Länderebene organisierte Lebensmittelüberwachung national organisiert wird, wirklich unabhängig ist und effektiv an Schwachstellen ansetzt.
- Bürger – oder Verbände in Vertretung der Bürger – auf Schadensersatz klagen können, wenn sie verdorbenes Fleisch oder Schlachtabfälle gegessen haben und Firmen entsprechend haften müssen.
- Bürger das Recht haben, von Behörden die Namen der Firmen und Produkte zu erfahren, die in Lebensmittelskandale verwickelt oder bei Kontrollen aufgefallen sind.
- die Produktverantwortung beim Lebensmittelhandel liegt. Der Handel kennt seine Lieferanten und kann entsprechende Verträge abschließen.
- die in der Europäischen Union (EU) seit dem 1. Januar 2005 gesetzlich vorgeschriebene Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln tatsächlich gewährleistet ist.
Quelle: Berlin [ foodwatch ]