Etwas mehr Rindfleisch in 2006
EU-Verbrauch aber weiterhin klar höher als Erzeugung
Der EU-Rindfleischmarkt ist im Umbruch. Die Umsetzung der Agrarreform, die Wiederzulassung von britischem Rindfleisch, MKS in Brasilien und am Horizont die WTO-Verhandlungen sind Faktoren, die zukünftig das Marktgeschehen beeinflussen werden. Nach der Einschätzung des Prognoseausschusses der EU-Kommission für Rindfleisch ist der EU-Rinderbestand in diesem Jahr weiter geschrumpft. Mit Ausnahme der Niederlande und Polens wurden im Sommer durchweg niedrigere Bestandszahlen in den Mitgliedstaaten festgestellt, so dass die EU-Herden im Schnitt um ein Prozent verkleinert wurden.
Deutlicher als der Bestand dürfte die Rind- und Kalbfleischerzeugung gefallen sein. In den alten EU-Staaten ist mit einem Minus in Höhe von 150.000 Tonnen oder zwei Prozent zu rechnen; vor allem in Deutschland, Italien, Dänemark und Irland ging es nach der weitgehend vollständigen Entkopplung der Prämien bergab. In den östlichen Beitrittsländern sieht die Lage nicht viel anders aus. Lediglich in Polen wurde nach offiziellen Daten im bisherigen Jahresverlauf mehr Rindfleisch erzeugt. Insgesamt dürfte sich die Rind- und Kalbfleischerzeugung der Beitrittsländer um rund 25.000 Tonnen verringern, so dass in der EU-25 mit etwas mehr als 7,82 Millionen Tonnen gut zwei Prozent weniger zur Verfügung stünden.
Exporte rückläufig
Der Verbrauch von Rindfleisch entwickelte sich 2005 nach Einschätzung der Experten im Prognoseausschuss überwiegend freundlich. So soll in der EU-15 in diesem Jahr der Verbrauch die Erzeugung um 375.000 Tonnen übertreffen. Insofern sollte der Einfuhrüberschuss ungleich größer ausfallen als ein Jahr zuvor. Dies liegt zum einen an den stetig steigenden Importen, die dieses Jahr wegen erhöhter Einfuhren aus Südamerika um rund drei Prozent zulegen könnten. Es liegt aber vor allem an den deutlich rückläufigen Drittlandsexporten. Sowohl der Lebendviehexport in den Libanon als auch der Fleischexport nach Russland haben in 2005 viele Federn lassen müssen. Am Jahresende könnten sich die EU-Ausfuhren nur noch auf 250.000 Tonnen belaufen, denen Einfuhren in Höhe von 550.000 Tonnen gegenüberstehen.
Das relativ knappe Schlachtviehangebot hat zu einem deutlichen Anstieg der Preise geführt. Wurden vergangenes Jahr im Schnitt der Gemeinschaft für R3-Bullen 2,70 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht gezahlt, so dürften es dieses Jahr 2,88 Euro sein. Besonders in Frankreich und Deutschland zogen die Preise mit einem Zuwachs von rund 30 Cent überdurchschnittlich an.
Viele Unsicherheiten für 2006
Die Prognose für das kommende Jahr 2006 ist von vielen Unsicherheitsfaktoren geprägt. Da ist zum einen die teilweise Prämienentkopplung in den wichtigen Erzeugungsländern Frankreich und Spanien. Hier wie dort rechnet man mit einem Rückgang der Rindfleischerzeugung 2006 von gut einem Prozent. In Deutschland wird die Produktion wohl auch weiter abnehmen, der Rückgang dürfte aber lange nicht so drastisch ausfallen wie 2005.
Ganz anders ist die Situation im Vereinigten Königreich. Dort läuft das Over-Thirty-Month-Sheme (OTMS) am 23. Januar 2006 aus. Danach müssen Tiere, die im Alter von über 30 Monaten geschlachtet werden, nicht mehr vernichtet werden, sondern gelangen nach den üblichen BSE-Vorsorgeschutzmaßnahmen wieder in die Nahrungskette. Daher ist 2006 mit einem deutlichen Anstieg der Erzeugung auf der Insel zu rechnen, der rund 125.000 Tonnen erreichen soll. Das dürfte die britischen Rindfleischimporte massiv zurückdrängen; die britische Meat und Livestock Commission erwartet einen Rückgang von 30 Prozent. Auf der anderen Seite gehen die Briten davon aus, ab 2006 wieder Rindfleisch in größeren Mengen in die EU exportieren zu können.
Alles in allem dürfte die Rindfleischerzeugung in der EU-15 um 40.000 Tonnen oder 0,6 Prozent steigen. Für die Beitrittsländer liegen keine Zahlen vor, jedoch zeichnet sich auch in Tschechien und Polen eine etwas höhere Erzeugung ab. Grob geschätzt könnte sich somit in der EU-25 ein Anstieg der Erzeugung um 55.000 Tonnen auf 7,87 Millionen Tonnen ergeben. Der Verbrauch von Rindfleisch wird als relativ stabil eingeschätzt, so dass sich die Lücke zwischen Erzeugung und Verbrauch im kommenden Jahr etwas verringern könnte. Dennoch wird die EU-25 mit einen Defizit von geschätzten 350.000 Tonnen ein Nettoimporteur bleiben.
Preise bleiben hoch
Trotz aller Unwägbarkeiten wird die Preissituation im kommenden Jahr vom Prognoseausschuss als relativ fest eingestuft. Bei den Erzeugerpreisen für Jungbullen könnte nach dem deutlichen Anstieg im vergangenen Jahr eine leichte Abkühlung der stellenweise überhitzten Preise eintreten. Ein großer Preisabschwung scheint jedoch nicht in Sicht, da das männliche Schlachtvieh eher knapp verfügbar bleiben wird.
Etwas deutlicher könnten die Schlachtkuhpreise nachgeben, da der Markt nach dem Ende des OTMS reichlicher mit Kuhfleisch versorgt sein wird und zudem einige EU-Länder Probleme mit der Einhaltung der Milchquote haben. Lediglich Großbritannien könnte da eine Ausnahme bilden: Wurden bisher im Vernichtungsprogramm umgerechnet etwa 1,30 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht gezahlt, wird im kommenden Jahr mit einem Marktpreis von umgerechnet rund 1,85 Euro gerechnet.
Quelle: Bonn [ zmp ]