Schulverpflegung zwischen Wunsch und Wirklichkeit

BVE-Arbeitskreis Foodservice sammelt Information

Die Bundesregierung fördert mit vier Milliarden Euro im Förderprojekt "Investitionsprogramm Zukunft" die Einrichtung von 10.000 neuen Ganztagsschulen bis zum Jahr 2007. Die Zahl der Ganztagsschulen wird damit von derzeit 7.000 deutlich erhöht, doch dies bedeutet nicht, dass der Markt für Schulpflegung einfach zu bearbeiten ist. Dem Wunsch nach hochwertigem Essen stehen restriktive Preisvorgaben gegenüber. Komplizierte Spielregeln und undurchsichtige Entscheidungswege müssen erkannt und berücksichtigt werden. Der BVE-Arbeitskreis Foodservice beschäftigte sich in seiner letzten Sitzung intensiv mit diesem Thema.

Holger Pfefferle, Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE), stellte die bundesweiten Rahmenkriterien für das Verpflegungsangebot in Schulen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vor und charakterisierte damit die Anforderungen an die Schulverpflegung aus ernährungsphysiologischer Sicht. Die Rahmenkriterien betreffen die Aspekte Ernährungsphysiologie, Sensorik und Hygiene.

Zur Annäherung von Wunsch und Wirklichkeit formulierte Pfefferle klare Forderungen: Schulverpflegung sollte als professioneller Verpflegungsbetrieb organisiert sein. Die Einhaltung einheitlicher Qualitätsstandards sei vorauszusetzen. Gleichzeitig räumte der Experte ein, dass in der Praxis gerade die Kontrolle der Qualitätsstandards schwierig sei. Entscheidungsträger müssten ihr Problembewusstsein schärfen und Lehrer sollten als Schnittstelle zwischen Bildung und Verpflegung stärker eingebunden werden. Nicht zuletzt müssten bei Schülern die Grundlagen gelegt werden, um Eigenverantwortung zu entwickeln. In diesem Zusammenhang wies der Ernährungsexperte darauf hin, dass zur Zeit keine Ansätze erkennbar seien, Ernährungsbildung als eigenständiges Fach in Schulen zu etablieren, vielmehr würde die Integration von Ernährungsbildung in die bestehenden Fächer angestrebt.

"Schulverpflegung ist besser als ihr Ruf!" Zu diesem Ergebnis kam die erste repräsentative Untersuchung zur Schulverpflegung in deutschen Ganztagsschulen, so Ingo Barlovic, Geschäftsführer bei iconkids & youth international research GmbH. Das Münchner Marktforschungsunternehmen hatte 2005 die Studie im Auftrag von CMA/ZMP durchführt. Untersuchungsgegenstand war das Essverhalten von Gesamtschülern, die Angebots- und Kostenstruktur der Verpflegung an Ganztagsschulen sowie die Organisation, die Akzeptanz des Verpflegungsangebotes bei Schülern und Eltern. Darüber hinaus wurde abgefragt, worauf Schüler besonderen Wert beim Essensangebot in Schulen legen.

93 % aller Ganztagsschüler haben die Möglichkeit, mittags in der Schule auf ein Verpflegungsangebot zurückzugreifen. 62 % der Ganztagsschüler machten von diesem Angebot mehr oder weniger täglich Gebrauch. Sowohl die Schüler als auch die Mütter seien mit dem derzeitigen Mittagsangebot durchaus zufrieden. Die allgemein gute Bewertung (Note 2,1 bei den befragten Müttern, 2,2 bei den Schülern) wird mit der Qualität des Essens, d.h. vor allem ein akzeptabler Geschmack zu einem guten Preis (Durchschnittspreis 2,40 Euro) begründet.

Nachholbedarf gäbe es noch beim Geruch und beim Aussehen sowie auch bei der Auswahl der Speisen. Hier würde vielfach eine größere Komponentenauswahl und stärkere Mitsprache der Schüler bei Essensangeboten gewünscht.

Den Markt für Schulverpflegung aus Sicht des Top-Players in diesem Marktsegment stellte Andreas Krüger, Sodexho, vor. Charakteristisch für diesen Teilbereich des Außer-Haus-Marktes sei, so der Marktkenner, das gesteigerte Gesundheitsbewusstsein (Diskussion über Zusatzstoffe, Forderung nach mehr Bio-Menüs) und die starke Preisorientierung. Wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Marktbearbeitung sei der Aufbau von Vertrauen u. a. durch die gezielte Entwicklung von Netzwerken.

Krüger forderte eine stärkere Öffnung für Betreuungsleistungen der Schulen, die über die reine Vermittlung von Lehrstoff hinausgehen. Für die Verpflegungsleistung müssten ganzheitliche Ansätze entwickelt werden, da es mit einer ausschließlichen Anlieferung von Essen nicht getan sei.

Während sich der deutsche Markt für Schulverpflegung noch in den Kinderschuhen befindet, hat sich dieses Marktsegment in Großbritannien seit langem fest etabliert. Wie Evelyn Cook, Hampshire Country Council, in ihren Ausführungen über den britischen Markt für Schulverpflegung "Schoolmeals in the United Kingdom" berichtete, blickt man in Großbritannien auf eine rund 200-jährige Geschichte zurück. Cook, die in Hampshire für rund 30.000 Schulessen täglich verantwortlich ist, zeigte anhand der Entwicklungen in Großbritannien, wie stark dieser Markt von den staatlichen Rahmenbedingungen abhängig ist.

Was Ende des 19. Jahrhunderts im Vereinigten Königreich als freiwillige Leistung an unterernährte Kinder begann, wurde in den 40er Jahren als nationale Schulverpflegung fester Bestandteil der Bildungspolitik. Die Regierung übernahm zu diesem Zeitpunkt 95 % der Kosten für Schulmahlzeiten, Ende der 40er Jahre sogar die Gesamtkosten. Circa 1,8 Mio. Kinder erhielten zu diesem Zeitpunkt eine Mahlzeit.

Seit Mitte der 70er Jahre wurden die öffentlichen Ausgaben für Schulmahlzeiten schrittweise reduziert. In den 80er Jahren stellte die Regierung Thatcher jegliche finanzielle Unterstützung ein. Auf die neue Kostensituation reagierten die Schulverpfleger mit dem verstärkten Einsatz von Convenience-Produkten. Gleichzeitig gab die Regierung die ernährungsphysiologischen gesetzlichen Auflagen weitestgehend auf. Diese veränderten Rahmenbedingungen lösten einen regelrechten Fast-Food-Boom in der Schulverpflegung aus.

Aktuell steht die Schulverpflegung in Großbritannien wieder stark im öffentlichen Interesse durch die Diskussion um Übergewicht bei Kindern und die medienwirksamen Auftritte des Kochstars Jamie Oliver. In diesem Jahr wurden in England und Wales neue Ernährungsvorgaben für Schulmahlzeiten formuliert.

Quelle: Berlin [ bve ]

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