3. Bayreuth-Kulmbacher Fachgespräch setzt bei Lebensmitteln auf Regionalität
Mit Schwung ins regionale Netzwerk
Die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel und die Universität Bayreuth veranstalteten am 17. November 2006 ihr 3. Bayreuth-Kulmbacher Fachgespräch. Regionalpolitisches rund um die Ernährung wurde diskutiert. Beispielhafter Repräsentant eines regionalen Lebensmittelunternehmens war der Kulmbacher Hersteller von Backhilfsmitteln, die Firma IREKS, die sich als Gastgeber für die Tagung zur Verfügung gestellt und den Gästen im Rahmen einer Führung Einblick in das Unternehmen gegeben hatte. Die Vorträge der Tagung richteten sich auf die bayerische Clusterpolitik, auf Strategien der Regionalentwicklung, auf das Marketing zu Produkten mit regionalen Herkunftsangaben und auf das neue EU-Hygienerecht, das mit diesem Jahr in Kraft getreten ist.
Mit dem Thema „Lebensmittel: Regionale Produktion für internationale Märkte“ setzten die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel (BfEL), Standort Kulmbach und die Universität Bayreuth die nun schon mehrjährige Tradition der Bayreuth-Kulmbacher Fachgespräche fort, die sie gemeinsam zu Fragen der Ernährung veranstalten. „Diese Tagungsserie“, so der kommissarische Leiter der BfEL Ministerialdirigent Fritz Johannes, „zeigt eine erfolgreiche Einbindung unseres Kulmbacher Standorts in die Region.“ Und der Vizepräsident der Universität Bayreuth, Prof. Dr. Franz Bosbach bekräftigte in seinem Grußwort: „Die Universität und die BfEL gehen gemeinsame Wege und zeigen Flagge in wichtigen Fachbereichen.“ Mikrobiologie, Biochemie und vor allem das Lebensmittelrecht seien Bindeglieder mit wissenschaftlichem Gewicht.
Zuvor hatte Hans Albert Ruckdeschel, geschäftsführender Gesellschafter der Fa. IREKS, bei der Begrüßung der Gäste betont, dass die Themenwahl der Tagung nur ein Anfang sein könne: „Die Wirtschaft wird nicht durch Theorien bewegt, wir müssen uns nach Fakten richten, die das europäische Umfeld setzt … und da drücken noch viele Schuhe.“ Der erste Referent blieb trotzdem zunächst bewusst abstrakt; Dr. Michael Lüdke vom Bayerischen Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten erläuterte die Grundzüge der Clusterpolitik des Freistaats: „Cluster sind kreative Netzwerke aus Wirtschaft und Wissenschaft. Der Raum Kulmbach-Bayreuth hat für solche Verknüpfungen ideale Voraussetzungen.“ Mit Hilfe der Wissenschaft müsse aber die Initiative für die stufenübergreifende Arbeit aus der Wirtschaft selbst kommen. Das setze gemeinsames Handeln in der Region voraus. Der Bayreuther Wirtschaftsgeograph Prof. Dr. Jörg Maier unterstützte dies in seinem Vortrag zu Strategien der Regionalentwicklung und deren Anwendung auf die Lebensmittelwirtschaft durch konkrete Fallbeispiele. Sein Fazit: „Im regionalen Marketing ist das Zusammengehen aller Verantwortlichen der Region ein Muss.“ Ein Ansatz also, der auch die Politik mit einbezieht. Ziel ist dabei, die Region schmackhaft zu machen, die Basis ist eine gemeinsame Idee, letztendliche also eine aussagekräftige Regionalmarke mit Lokalkolorit.
Dies griff der Agrarökonom Julian Voß auf, der zum Marketing mit regionalen Herkunftsangaben sprach. Die EU-Kommission fördert ein breites Spektrum attraktiver Regionalprodukte durch eine offizielle Anerkennung, die Mittelmeerländer nutzen das besonders erfolgreich. In Deutschland ist aber durchaus noch Nachholbedarf. Da Geld in der Region stets fehle, müsse man zu Werbeinstrumenten für den kleinen Geldbeutel greifen, riet der Wissenschaftler der Universität Göttingen: „Erzählen Sie den Verbrauchern eine Story aus der Region, die das Herzen erreicht.“ Dadurch erhalten regionale Lebensmittel Renommee und Farbe. Viele Orte, so etwa Gaststätten, Schulen und Museen, sind geeignet, eine solche Geschichte publik und bewusst zu machen. Regional erzeugte Lebensmittel haben aber auch Probleme, die nicht zuletzt im neuen Hygienerecht der EU liegen, das seit diesem Jahr gültig ist. „Die Verordnungen sind leicht zu lesen, aber gerade deshalb schwer umzusetzen“, berichtete Dr. Martin Bisping, der als leitender Veterinär am Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) über aktuelle Erfahrung in diesem Bereich verfügt. Die neuen EU-Regelungen hätten die Situation der deutschen Lebensüberwachung von Grund auf verändert, so dass nicht abzusehen sei, wohin diese Herausforderungen führen werden. „Da bleibt ein wichtiges Ziel vorerst unerreicht“, fasste Dr. Heinz-Walter Ludwigs von der Universität Bayreuth zusammen, der die Diskussionen des Tages geleitet hatte. Aus dem Auditorium wurde unterstellt, dass gerade in dem „entwurzelten Rechtssystem“ Ursachen beispielsweise für die breit öffentlich gemachten Hygieneprobleme bei Fleisch zu suchen sein könnten.
Gleichfalls mit zunächst skeptischem Blick auf das Rahmenthema schloss Dr. Wolfgang Branscheid, Institutsleiter an der BfEL, Kulmbach. Er stellte sich die Frage, ob angesichts der Lebensmittelkrisen die Regionalität wirklich ein effizienter Lösungsansatz ist, und fasste zusammen: „Wir leben vom Vergleich; nur wer etwas besser kann als andere, wird im Wettbewerb der Regionen bestehen können.“ Und vor allem daran solle man arbeiten. Zum Abschluss blieb die Feststellung: Auch Oberfranken hat mit einer starken Konzentration der Lebensmittelwirtschaft Vorzüge, die es in Clustern oder Netzwerken zu nutzen gilt.Quelle: Kulmbach [ Wolfgang Branscheid - BfEL ]