Diolog-Workshop der Tönnies Forschung

v.l. Robert Tönnies, Jens-Uwe Göke, Prof. Friedhelm Taube

Tierwohl und Emissionen - wie schaffen wir die optimale Haltung? Mit dieser Frage haben sich die Akteure beim jüngsten Workshop der Tönnies Forschung gGmbH befasst. Wege aufzuzeigen, wie diese beiden Aspekte in der Nutztierhaltung optimal zu vereinen sind, dazu waren Erzeuger, Wissenschaftler und Vertreter von Unternehmen, landwirtschaftlichen Organisationen sowie aus dem Lebensmitteleinzelhandel in der Klosterpforte in Marienfeld zusammengekommen. Am Ende stand die Erkenntnis: Gute Ideen, gelungene Praxisbeispiele und zielführende Ansätze gibt es viele, allerdings auch ebenso viele dicke Bretter, die da noch zu bohren sind.

„Bemerkenswert ist, dass das Plenum den größten Teil des deutschen Lebensmitteleinzelhandels abdeckte, zugleich Landwirtschaft, Fleischindustrie und Forschung miteinander in die Diskussion eingestiegen sind“, würdigte Professor Dr. Hans-Joachim Bätza, Vorsitzender des Kuratoriums der Tönnies-Forschung. Die eine Quintessenz gebe es nicht, vielmehr eine Fülle von Bausteinen, die es sich noch sehr viel intensiver zu betrachten lohne – beispielsweise Futtereffizienz, verbesserte Stallbedingungen, selektive Züchtung, Gesundheitsmanagement, emissionsarme Fütterung, Managementsysteme für Gülle und Mist, alternative Proteinquellen, Bildung und Schulung.

„Die weitere Optimierung ist grundlegend für den Wandel hin zu nachhaltigeren Systemen“, unterstreicht Dr. Gereon Schulze Althoff, Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation. Aus der Kombination dieser und weiterer Maßnahmen könne eine Nutztierhaltung wachsen, die sich konsequent am Tier ausrichtet und zugleich Umweltbelange berücksichtigt. Es brauche langlebige, gesunde und resiliente Nutztiere, ein genetisches Leistungsniveau, das dem Produktionspotenzial des verfügbaren Futters entspricht, und konsequente Förderung der Tiergesundheit. „Alles in allem ist das nichts anderes als eine professionelle Kreislaufwirtschaft.“

Das Podium war hochkarätig besetzt. Professor Dr. Dr. Kai Frölich (Arche Warder) machte deutlich, wie intensive und extensive Nutztierhaltung zusammenpassen und wie die Arche Warder mit der Erhaltung bedrohter Rassen dazu beiträgt. Weidehaltung, Emissionen und Biodiversität rückte Professor Dr. Friedhelm Taube in den Fokus. Lars Broer (Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt der Landwirtschaftskammer Niedersachsen) beleuchtete den Zusammenhang zwischen Offenstall und Emissionsreduzierung. Neue Stallbaukonzepte sowie deren Vor- und Nachteile legte Bernhard Feller von der Landwirtschaftskammer NRW dar.

Frölich fordert eine stärkere Orientierung der Nahrungsmittelproduktion an Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und Regionalität. Sein Konzept stellt gewissermaßen eine Rückbesinnung auf eine Form von Landwirtschaft dar, die zur wichtigen Säule des Naturschutzes werden könnte und in der alte Nutztierrassen wichtige Rollen spielen. Von zentraler Bedeutung wäre zunächst eine detaillierte Bestimmung und Unterscheidung geeigneter Flächen, die entweder im Rahmen von Precision Farming intensiv oder bei weniger Ertragspotenzial in einer extensiven Landwirtschaft genutzt würden. „Dabei müssen klein- und mittelbäuerliche Strukturen erhalten bleiben und Landwirte mit dieser Nutzungsform gezielt unterstützt werden“, sagt Frölich. Staatliche Förderinstrumente sollten nicht mehr wie bislang die Größe der Fläche berücksichtigen, sondern sich überwiegend am Ausmaß der jeweiligen Ökosystemleistungen orientieren, beispielsweise dem Konzept der Gemeinwohlprämie des Deutschen Verbands für Landschaftspflege.

Die Rolle der Nutztierhaltung im Kontext der Sicherung der Welternährung ebenso wie im Kontext der ökologischen Intensivierung thematisierte Professor Dr. Friedhelm Taube von der Universität Kiel am Beispiel der Rinderhaltung. Es vertritt die Ansicht, dass die Sicherung der Welternährung mit einer erheblichen Reduktion des Konsums tierischer Lebensmittel in den reichen Ländern in Verbindung stehe. Für die deutsche und europäische Landwirtschaft bedeutet dies für den Bereich Milcherzeugung, dass Milch zukünftig primär vom Grünland erzeugt werden sollte und nicht - wie im aktuellen Trend erkennbar - zunehmend vom Acker mit Futtermais und Konzentratfuttermitteln. Darüber hinaus sei das Maß der Tierhaltung an die Erfüllung der Ökosystemleistungen in den Bereichen Wasserschutz, Klimaschutz und Biodiversität anzupassen. Mit den Ergebnissen des Projekts ‚Ökoeffiziente Weidemilcherzeugung Lindhof‘‘ zeigt Taube beispielhaft, dass dieser ganzheitliche Ansatz gelingen kann. „Mit der Kombination aus Elementen des Ökolandbaus im Futterbau (Kleegrassysteme) und des integrierten Landbaus im Marktfruchtbau hin zu ‚Hybridsystemen‘ wird die Zielerreichung der europäischen Farm-to-Fork-Strategie bei gleichzeitig hohem Produktionsniveau gewährleistet, dies ist durch Politik und Handel zu unterstützen“, argumentiert Professor Taube.

Ergebnisse aus einer vom Land Niedersachsen geförderten Untersuchung lassen den Schluss zu, dass die Geruchsausbreitung ausgehend von Außenklimaställen begrenzt zu sein scheint: Das zumindest folgert Lars Broer von der LUFA Nord-West aus den Daten. Emissionen gehen demnach nur vom Funktionsbereich des Absetzorts von Kot und Harn aus. Voraussetzung ist eine Strukturierung der Bucht. Der Auslauf sollte unbedingt überdacht sein und der „Toilettenbereich“ aus Spaltenboden bestehen, lautet Broers Empfehlung. „Je trockener der Bereich, desto weniger Ammoniak-Emissionen.“

Bernhard Feller von der Landwirtschaftskammer NRW kann dem nur zustimmen: Moderne Stallbaukonzepte müssen die Anforderungen höherer Tierwohlstandards, geringerer Umweltwirkungen und Arbeitswirtschaft erfüllen. Häufig würden Bestandsgebäude geöffnet und zum Außenklimastall umgebaut. Allerdings: Die Genehmigung dazu unterliegt dem Immissions- und Naturschutzrecht „und stellt damit eine wesentliche Hürde dar“. Entscheidungsgrundlage für ein Stallsystem sei heute die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, Einstreumaterial sowie Genehmigungsfähigkeit und ein Preisgefüge, das eine wirtschaftliche Haltung ermöglicht.

Zum Abschluss der Veranstaltung diskutierten die vier Redner mit den eingeladenen Expertinnen und Experten über die Frage, welche drängenden Forschungsfragen nun beantwortet werden müssen, um angesichts des anhaltenden Ausbleibens staatlicher Planungssicherheit und -förderung beim Tierwohl und Klimaschutz weiter zu kommen. Dabei wurde deutlich, dass insbesondere Fragen der Vermarktungs- und Vertragsgestaltungsstrategien die Einbindung von Sozialwissenschaften zur Verminderung der Hemmschuhe im sogenannten Consumer Citizen Gap erfordern. Was jeder will, jedoch keiner kauft – diesen Widerspruch zu lösen, ist die große Herausforderung.

Hintergrund
Tönnies Forschung ist eine gemeinnützige Forschungsplattform über die Zukunft des Tierschutzes und der Nachhaltigkeit der Nutztierhaltung. Hierzu initiiert und unterstützt sie seit 2010 Forschungsprojekte und Studien mit dem Ziel, eine Verbesserung der Nutztierhaltung unter Berücksichtigung von Tier-, Klima-, Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz sowie gesunder Ernährung zu erreichen, sowie die Verbreitung der Ergebnisse und deren Anwendung in der Praxis zu fördern. Mehr zur Tönnies Forschung unter: www.toennies-forschung.de

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