Dem Herzkatheter auf den Fersen
Internationale CorE 64-Studie belegt: Die Computertomografie (CT) gewinnt als nichtinvasives Diagnoseverfahren für Gefäßverengungen des Herzens eine immer bedeutendere Rolle
Erstmals haben Radiologen in einer internationalen und multizentrischen Studie (unter anderem Charité-Universitätsmedizin Berlin, Johns-Hopkins-University, USA) die Zuverlässigkeit von CT-Befunden des Herzens im Vergleich zur minimal- invasiven Herzkatheteruntersuchung geprüft. Das Ergebnis: Mit der nichtinvasiven Computertomografie lassen sich behandlungsbedürftige Gefäßverengungen sicher erkennen, bei der exakten Beurteilung des Schweregrades von Gefäßverengungen war der Katheter der CT-gestützten Bildgebung allerdings überlegen. Privatdozent Dr. Marc Dewey, Institut für Radiologie der Berliner Charité und Leiter der Studie von deutscher Seite: "Das Ergebnis stimmt uns zuversichtlich. Die Untersuchung zeigt, dass wir mit der Computertomografie der Angiografie dicht auf den Fersen sind."
Eine tückische Krankheit
Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine der häufigsten Erkrankungen und eine der gefährlich¬sten dazu: In Amerika und Mitteleuropa ist sie die Todesursache Nummer 1. Verengun¬gen und im schlimmsten Fall Verschluss der Herzkranzgefäße (Koronarien), kön-nen von genetischen Einflüssen herrühren, doch besonders eine falsche Lebensführung (Überge¬wicht, Bewegungsmangel und Nikotinkonsum) stellt einen Risikofaktor dar. Sogenannter Goldstandard bei der Diagnose und der Therapie der KHK ist bislang die Herzkathete¬runtersuchung (Koronarangiographie). Dabei wird über eine Arterie der Leiste ein Katheter in die Herzkranzgefäße eingeleitet und in der Angiografie sichtbar gemacht. Der Arzt erkennt die Verengungen (Stenosen) der Gefäße und kann diese - wenn nötig - weiten (Ballondilatation) oder eine Gefäßstütze (Stent) einführen, die das Gefäß geöffnet hält. Das Verfahren wird häufig, allein in Deutschland jährlich rund 700.000mal, angewen¬det. Routine ist die Koronarangiografie deswegen nicht. "Die Katheteruntersuchung ist nicht risikofrei", so Dr. Dewey. "Entfernte Ablagerungen der Gefäßwände können an anderen Orten des Organs zu Verschlüssen führen, oder Gefäßwände können einreißen. Dies führt dazu, dass circa drei Viertel der Patienten die schnelle und schmerzfreie CT für zukünftige Untersuchungen bevorzugen würden."
Zudem wird nach Aussage des Radiologen bei der Katheteruntersuchung in nur einem Drittel aller Anwendungen auch therapiert, das heißt, das Gefäß geweitet. In allen anderen Fällen wird der Katheter nur zur Klärung eingesetzt.
Auf der Suche nach einem schonenden Diagnoseweg
Schon lange suchen Radiologen nach einer Möglichkeit, den Zustand der Herzkranzgefäße zuverlässig zu bestimmen und dabei den beschriebenen Komplikationen der Angiografie aus dem Weg zu gehen.Die Computertomografie zeigt dabei das größte Potenzial, die Katheterisie¬rung in Zukunft ablösen zu können, wie das internationale Team der CorE 64-Studie jetzt herausgefunden hat. Rund 400 Patienten mit bereits diagnostizierter oder vermute¬ter KHK unterzogen sich im Rahmen der Studie (mit Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz) einer doppelten Untersuchung - mit der Katheter-Methode und der Computertomografie. Das wichtigste Ergebnis fasst Dr. Dewey so zusammen: "In der Computertomografie konnten wir behandlungsbedürftige Stenosen mit der gleichen Genauigkeit wie der Herzkatheter erkennen, das heißt: die nichtinvasive und komplikationsfreie Untersuchungsme¬thode der CT liegtbei der Identifizierung gleichauf mit der Katheterisie¬rung." Zwei Parameter zeigen dem Radiologen aber auch, wo das Verbesserungspotenzial der CT liegt. Der sogenannte negative prädiktive Wert (NPW) der Wert also, der die Bestäti¬gung eines negativen Befundes anzeigt, liegt bei gerade einmal 83 Prozent.
Das bedeutet, in nur 83 Prozent der Untersuchungen, bei denen die CT keine Gefäßablagerungen zeigte, lag auch tatsächlich keine vor. Besser schnitt die CT beim positiven prädiktiven Wert (PPW) ab. "Wenn wir auf der CT-Aufnahmen eine Engstelle des Gefäßes gesehen haben, dann konnte diese in 91 Prozent der Fälle auch in der Angiogra¬fie bestätigt werden", erklärt Dr. Dewey.
Die Zukunft gehört der 320-Schicht-CT
Was bedeuten diese Ergebnisse? "Leider noch nicht, dass wir uns ab morgen alle diagnosti-schen Katheter-Untersuchungen zugunsten der Herz-CT sparen können", sagt Dr. Dewey. Hoffnungen knüpft der CT- Spezialist an den technischen Fortschritt. "In der CorE 64-Studie arbeiteten wir mit den namensgebenden 64-Schicht-CT-Geräten, die das Herz in Schichten von einem halben Millimeter abbilden. Dadurch werden feinste Gefäßverläufe sichtbar. Außer¬dem bestechen diese Geräte durch eine sehr kurze Untersuchungszeit von nur etwa acht bis zehn Sekunden, was die Strahlenexposition erheblich minimiert.
Der Zukunft gehören jedoch die 320 Schicht-Geräte, mit denen wir aufgrund der noch kürze-ren Untersuchungszeit die Strahlenexposition deutlich reduzieren und die Genauigkeit vermutlich verbessen können."
Doch schon heute stellt die Computertomografie das Verfahren der Wahl dar, so bei bestimmten Patienten mit einer mittleren bis geringen Wahrscheinlichkeit einer KHK. Schließlich verweist Dr. Dewey auf den diagnostischen Mehrwert der CT: "Wir können mit den CT-generierten Bildern nicht nur das Gefäßinnere (Lumen) beurteilen, sondern zugleich auch die Gefäßwände und damit auch Ablagerungen (Plaques) sichtbar machen, die für die Diagnose und Prognose der KHK von hoher Bedeutung sind."
Die Ergebnisse von CorE 64 wurden erstmals im New England Journal of Medicine (2008; 359: 2324-36) veröffentlicht.
Quelle: Berlin [ DRG ]