Blick ins Innerste der Lebensmittel
Max Rubner Conference 2011 zu Food Metabolomics
International und wissenschaftlich hoch anspruchsvoll war die diesjährige Max Rubner Conference zum Thema „Food Metabolomics“, die vom im Oktober 2011 unter der wissenschaftlichen Organisation von Prof. Sabine Kulling, Leiterin des Instituts für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse am Max Rubner Institut, stattfand. Wissenschafter aus 12 Ländern kamen nach Karlsruhe, um den aktuellen Stand der Wissenschaft auf dem noch jungen und ambitionierten Forschungsfeld zu erfahren.
Metabolomics ist eine neue Technologie, in deren Mittelpunkt im Falle von Lebensmitteln die Charakterisierung und Erfassung des sogenannten Lebensmittel-Metaboloms steht. Darunter wird die Gesamtheit der kleinen Moleküle verstanden, die in einem Lebensmittel enthalten sind. Dazu zählen neben den primären und sekundären Stoffwechselprodukten auch Rückstände und Kontaminanten sowie Stoffe, die bei oder durch die Lebensmittelverarbeitung entstehen. Insgesamt sind dies mehrere tausend Verbindungen, was zum einen den hohen Anspruch der Methodik verdeutlicht, zum anderen aber auch schon erahnen lässt, welches Potential zur Charakterisierung von Lebensmitteln darin liegt. So zeigt beispielsweise ein Apfel in Abhängigkeit von Sorte, Herkunft, Anbaubedingungen, Reifegrad, Lagerbedingungen oder Schäden durch Pilzbefall ein verändertes Metabolom.
In einem einleitenden Plenarvortrag zum Thema Lebensmittel-Metabolomics zeigte Prof. Karl-Heinz Engel von der Technischen Universität München (TUM) eindrucksvoll, wie Veränderungen von Metabolitenprofilen, ermittelt über Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS), genutzt werden können, um die Qualität von pflanzlichen Lebensmitteln zu bestimmen aber auch Fragen zur Sicherheit, zum Beispiel im Falle von gentechnisch veränderten Lebensmittel zu beantworten. Er zeigte beispielhaft, wie Metabolomics dazu herangezogen werden kann, um einerseits erwünschte Veränderungen zu bestätigen und andererseits aber auch, um mögliche unerwartete und nicht beabsichtigte Effekte zu erfassen.
Um auch Neueinsteigern die Technologie Metabolomics näherzubringen und das Verständnis der anwendungsorientierten Beiträge zu erleichtern, wurden in Vorträgen zu Beginn der Veranstaltung die beiden wichtigsten analytischen Methoden im Bereich der Metabolomics, nämlich die Massenspektrometrie gekoppelt mit chromatographischen Methoden und die Kernspinresonanz (NMR = nuclear magnetic resonance), von Dr. Katja Dettmer, Universität Regensburg und Prof. Burkhart Luy, Karlsruher Institut für Technolgie (KIT), vorgestellt und dabei Stärken und Grenzen der jeweiligen Technik aufgezeigt. Im Beitrag des Potsdamer Forschers Prof. Joachim Selbig wurde klar, welche großer Bedeutung der Datenprozessierung und -analyse zukommt. Prof. David Wishart, University of Alberta in Kanada untermauerte dies und ging speziell auf die Nutzung von frei im Internet verfügbaren Datenbanken ein, um etwa unbekannte Verbindungen anhand der analytischen Daten identifizieren zu können. Die Datenbank FooDB wird gerade speziell für Food Metabolomics-Anwendungen entwickelt.
Dr. Arjen Lommen vom RIKILT-Institute of Food Safety in den Niederlanden stellte Metabolomics-Ansätze zur Rückstands- und Kontaminantenanalytik vor und Methoden, die mit Hilfe des am RIKILT entwickelten Programms „MetAlign“ effizienter und umfassender gestaltet werden können als über klassische Analysen. Ein Beispiel war dabei die Analyse von Urin von Kälbern, die mit einem natürlich vorkommenden Steroid-Vorläuferhormon behandelt wurden und der leicht von Urin nicht behandelter Kälber unterschieden werden konnten.
Prof. George-John Nychas von der Agricultural University of Athens präsentierte am Beispiel von Hackfleisch eine neue Methode, die geeignet sein soll, Fleischverderb wesentlich schneller festzustellen als dies bisher mit den klassischen Methoden der Molekularbiologie und Sensorik möglich ist. Dies soll in Zukunft in zwei Stunden statt wie bisher in etwa zwei Tagen möglich sein. Er zeigte zudem wie mit Hilfe dieser Methode die Haltbarkeit von Hackfleisch unter verschiedenen Verpackungs- und Lagerbedingungen besser eingeschätzt werden kann.
Dr. James Peter Mattheis vom United States Department of Agriculture nutzt massenspektrometrische Methoden, um den Einfluss von Lagerbedingungen auf Kernobst zu untersuchen. Damit das ganze Jahr über frische Äpfeln und Birnen angeboten werden können, wird das heimische Kernobst in den Monaten nach der Ernte in Kühlhäusern unter kontrollierter Atmosphäre gelagert. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Entstehung und Verhinderung von Krankheiten und Schäden gelegt.
Dr. Ric de Vos vom Plant Research Institute der Niederlande hob die Bedeutung des Einsatzes von Metabolomics bei der Verarbeitung von Lebensmitteln, speziell auch zur Prozessoptimierung, hervor. Er verdeutlichte dies am Beispiel der Nährstoffverluste während der Herstellung von Tomatenpüree oder Fertigsuppen in Abhängigkeit der Prozessierungsmethoden und zum anderen an der Auswirkung von Produktionsbedingungen auf die Qualität von Kaffee.
Léa Heintz von der Firma Bruker BioSpin GmbH stellte eine erste kommerziell eingesetzte Methode vor, wie mittels Kernspinresonanzspektroskopie die Qualität und Authentizität von Fruchtsäften bestimmt werden kann. Die Methode kann zuverlässig darüber Auskunft geben, ob ein Saft direkt gepresst oder aus Konzentrat hergestellt wurde, ob er aus hundert Prozent Fruchtsaft besteht und ob die dafür verwendeten Orangen zum Beispiel aus Brasilien oder aus anderen Ländern stammen. Grundsätzlich kommt diese Methode auch für die Beurteilung von Wein oder Speiseölen in Frage, hier ist aber noch Entwicklungsarbeit nötig.
Dr. Georg Langenkämper vom Max Rubner-Institut, Standort Detmold, präsentierte eine Möglichkeit Metabolomics für die Qualitätsbestimmung von Lebensmitteln zu nutzen. Ihm ist es in Zusammenarbeit mit Forschungsgruppen der Universität Bielefeld gelungen, für konventionell und für ökologisch produziertes Getreide ein so eindeutig definiertes metabolisches Profil festzulegen, dass die ersten Blindproben allesamt korrekt dem jeweiligen Anbauverfahren zugeordnet werden konnten. Er ist zuversichtlich, dass in weiteren Untersuchungen die Zuverlässigkeit der Methode bestätigt werden kann.
Im letzten Teil der Konferenz wurde dann die Brücke vom Lebensmittel zum Menschen geschlagen. Es wurden Ansätze vorgestellt, mit denen untersucht werden kann, was mit Lebensmitteln und ihren Inhaltststoffen im menschlichen Stoffwechsel geschieht und welchen Einfluss die Ernährungsweise auf den menschlichen Stoffwechsel haben könnte. Prof. John Draper von der Aberystwyth University aus Wales zeigte beispielsweise auf, wie Metabolomics in der Zukunft genutzt werden könnte, um Informationen zur Nahrungsaufnahme, wie sie für epidemiologische Studien gesammelt werden, durch Metabolomics-Methoden zu bestätigen. Erste Marker, die die Aufnahme bestimmter Lebensmittel wie Zitrusfrüchte, Himbeeren, Brokkoli oder Fisch sicher anzeigen können, wurden bereits gefunden, weitere werden gesucht.
Prof. Gerhard Rechkemmer, Präsident des Max Rubner-Instituts und die für den Forschungsbereich Food Metabolomics verantwortliche Institutsleiterin Prof. Sabine Kulling sahen sich am Ende der zweitägigen Veranstaltung darin bestätigt, dass Food Metabolomics eine zukunftsweisende Technologie im Bereich der Lebensmittel- und Ernährungsforschung darstellt. Daher laufen am MRI verstärkt Anstrengungen die Methodik in Zukunft zur Beantwortung der Vielzahl von Fragen im Zusammenhang mit gesunden, qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und im Sinne eines umfassenden Verbraucherschutzes zu nutzen.
Quelle: Karlsruhe [ Max Rubner Institut ]