Ozon - Mehr als gründliche Desinfektion
Die Aussicht auf eine schnellere und umweltverträglichere Reinigung von Anlagen in der Getränkeindustrie hat 40 Teilnehmer zu einem Workshop über den "Einsatz von Ozon zur Reinigung und Desinfektion in der Lebensmittelindustrie" nach Bremerhaven geführt. Zum dritten Bremerhavener Workshop zu diesem Thema lieferten erste Ergebnisse aus gerade abgeschlossenen Testreihen in der Wein- und Bierindustrie eine wichtige Diskussionsgrundlage.
Ozon bewährt sich in Praxistests als Detergent für die Getränkeindustrie Bei der Anlagenreinigung Wasser einzusparen, ist eine Frage der Strategie nicht eine Frage des Reinigungsmittels. Die These von Christoph Kunzmann von der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin forderte von den Teilnehmern Offenheit bezüglich des eingesetzten Detergents. Auf dieser Basis war ein unvoreingenommener Vergleich der Wirkung von Chlordioxid und Ozon möglich. Beim Einsatz des Ozonecip-Prototypen wurde der Systemvorteil durch eine Wasserkreislaufführung gewährleistet. Laut Kunzmann werden 3,5-4 Liter Wasser pro Liter verkauftem Bier eingesetzt. Davon entfallen 10 Prozent für CIP (Cleaning In Place)-Prozesse, die eine Desinfektion der inneren Oberfläche der Getränkeanlage sicherstellen. Beim Ozonecip-Prototypen wird eine Abwasserreduktion um rund 60 Prozent möglich: die Konstruktion für eine Kreislaufführung und der Wegfall der Notwendigkeit des Nachspülens beim Einsatz von Chemikalien ermöglichen diese Einsparung.
Doch der Einsatz von Ozon bietet nicht nur in puncto Wassereinsparung Vorteile: Zu 60 Prozent wird bei der Reinigung mit chlorhaltigen Chemikalien kaltes Wasser benötigt und zu 33 heißes, berichtet Kunzmann. In Wasser eingeleitetes Ozon entfaltet allerdings die höchste Reinigungswirkung, wenn es als kalte Sprühung beziehungsweise Spülung eingesetzt wird, so die Ozonecip-Projektmanagerin Birte Ostwald. Energie, die zuvor zum Erhitzen des Wassers benötigt wurde, kann somit eingespart werden.
Die hohe antimikrobielle Wirkung des Ozons ist bedingt durch sein hohes Oxidationspotenzial von E°= 2,07 V, das den Wert herkömmlicher Desinfektionsmittel übersteigt. Wenn Ozon mit einem Mikroorganismus in Kontakt kommt, wird dessen Zellmembran oxidiert und somit die Zelle vernichtet. Die mikrobiologische Reinigungsleistung liegt bei <1 KBE/cm2 und ist somit anderen Reinigungsmitteln ebenbürtig. Nach der Verbindung mit Verunreinigungen zerfällt Ozon wieder rückstandslos zu Sauerstoff. Dieser Restsauerstoff muss so abgeführt werden, dass die Sauerstofffreiheit beim Bier garantiert ist, um geschmackliche Veränderungen auszuschließen. Dass die "Ozon-Atmosphäre" in der ausgewaschenen Flasche die Rekontamination durch Umgebungsluft beim Transport zum Füller verhindert, weist Ansgar Brockamp von AirTree Europe, einem Hersteller von Ozongeneratoren und Ozonanlagenkomponenten, als weiteren Vorteil der Ozontechnologie aus.
Birte Ostwald hat die Tests bei dem Ozonecip-Projektpartner AINIA in Valencia begleitet. Acht Wochen Dauerbetrieb hat der Prototyp, der aus fünf Tanks jeweils für Klarwasser, Lauge, Säure, ozonisiertes Wasser und dem zu reinigen Zielbehälter besteht, nun absolviert. Konstruiert und gebaut wurde er von dem spanischen Technologiecenter AINIA, das das Projekt Ozonecip koordiniert. Ein spezieller Prototyp, der Reinigungen sowohl mit herkömmlichen Chemikalien als auch mit ozonisiertem Wasser durchführen kann, ermöglicht einen direkten Vergleich. Durch einen Sprühkopf gelangten 50 Liter in einen 250 Liter fassenden Kessel. Dabei wurden Dauer, Temperatur und Dosierung der unterschiedlichen Spülungen variiert. Zum Beispiel wurden bei den Wein-Testreihen in der Bodega von Domecq drei Weinarten gewählt, die einen hohen Verschmutzungsgrad erzielen: Sehr junger Rotwein, ein stark vergorener Wein,eine mit Mikroorganismen versetzte Weinmischung sowie ein mit Tartraten versetzter Wein. In allen Testreihen konnte Ozon die gleiche Entkeimungswirkung wie herkömmliche Chemikalien bei zugleich erheblich geringerem Abwasseraufkommen und geringerer Abwasserbelastung erreichen. Die im Rahmen des EU- Projektes Ozonecip durchgeführten Untersuchungen werden Ende November mit Beendigung einer dritten Testreihe in der Milchindustrie abgeschlossen.
Dabei zeigten sich die Probleme, welche die Reinigung generell schwierig machen: Der Bereich am Tankstutzen war nicht zu erfassen. "Ein so genanntes Hygienic Design stellt die Erreichbarkeit der gesamten Oberfläche während des Reinigungsvorganges sicher. Hier sind die Anlagenbauer gefordert", so Dr. Gerhard Schories, technischer Leiter des ttz Bremerhaven. Er weist auch auf weitere Stolpersteine in CIP-Prozessen hin: Die Oberflächenspannung des Wassers wirkt einer vollständigen Bedeckung der Maschinenoberfläche im Inneren entgegen.
Außerdem kann die Entstehung von Biofilmen durch Ablagerungen und Restschmutz die Reinigungswirkung beeinträchtigen. Eine entsprechende Vorbereitung und Betreuung des Reinigungsprozesses kann diesen Beeinträchtigungen der Mikrobiologie entgegenwirken.
Auch der Einfluss von Ozon auf Werkstoffe und Dichtungsmaterialien muss vor einer Umstellung bedacht werden. Um auf der sicheren Seite zu sein, kann eine einmalige Umstellung der Materialien erforderlich werden. Auch die Eigenschaften des Wassers beeinflussen die Reinigungsleistung des Ozons. "Ein ozonbasiertes System ist umso effektiver, je niedriger der pH-Wert des Wassers ist", hat Alfred Schneider von der MAS Industrieservice GmbH ermittelt. Auch der Härtegrad ist ein Parameter, der die Leistung bestimmt. Mit speziellen Herstellungsverfahren kann dem entgegengewirkt werden: "Bei der elektrolytischen Ozonerzeugungin situ wird ein hoher Eintragswirkungsgrad ins Wasser erreicht. Das hat den Nebeneffekt, dass Wasser mit kritischen Härtegraden behandelt werden kann", berichtet Dirk Schulze von der Innovatec Getränketechnik GmbH. Das Unternehmen produziert Mikrozellen zur Ozonerzeugung, die selbst an kritischen Stellen - zum Beispiel an der Spitze einer Tauchlanze - appliziert werden können.
Während das EU-Projekt Ozonecip, welches das ttz Bremerhaven als Pro- jektpartner begleitet, auf die Getränkeindustrie fokussiert ist, sind bereits weitere Anwendungsfelder erschlossen: "Ozon kann mehr als nur desinfizieren, sozum Beispiel die Oxidation von Rohwasser in der Trinkwasseraufbereitung (Eisen, Magnesium, Huminstoffe) begünstigen, Prozesswasserkreisläufe in der kosmetischen / pharmazeutischen Industrie keimfrei halten, die Kühlwasserbehandlung umweltverträglicher gestalten, Schwimmbäder desinfizieren sowie Brauchwasserrecycling und die Abwas-seraufbereitung zuverlässig umsetzen. Partikelfreies Ozongas ist sogar in der Halbleiterindustrie erlaubt", berichtet Ansgar Brockamp. Die Baureihe seines Unternehmens AirTree Europe GmbH umfasst Geräte für die Produktion von 40 g/h bis 200 g/h Ozon und ermöglicht somit unterschiedlichste Anwendungen. Alfred Schneider von der MAS Industrieservice GmbH berichtet von der Ozonanwendung in Großküchen und Schlachthöfen.
Bei dem Einsatz an diesen sensiblen Punkten stellt sich auch die Frage nach dem rechtlichen Haftungsrisiko für Produzenten.Der Maßstab für eine rechtliche Bewertung des Einsatzes von Ozon zur Reinigung von Getränkeanlagen ist Art. 14 VO (EG) Nr. 178/2002. Ozon gilt als Verarbeitungshilfsstoff, da es nicht im Endprodukt enthalten ist.
Somit ist es nicht zulassungspflichtig. Die Zulässigkeit ist an den allgemeinen Anforderungen zur Sicherheit von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen zu messen. "Aus spezialgesetzlichen Vorschriften, etwa dem Zusatzstoffrecht, ergeben sich keine weiteren Beschränkungen für die Verwendung von Ozon im Rahmen der Lebensmittelherstellung (...)", bringt Dr. David Zechmeister von Krohn Rechtsanwälte die rechtliche Lage auf den Punkt.
Das ttz Bremerhaven versteht sich als innovativer Forschungsdienstleister und betreibt anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung. Unter dem Dach des ttz Bremerhaven arbeitet ein internationales Team ausgewiesener Experten in den Bereichen Lebensmitteltechnologie und Bioverfahrenstechnik, Analytik sowie Wasser-, Energie- und Landschaftsmanagement, Gesundheitssysteme sowie Verwaltung & Software.
Quelle: Bremerhaven [ ttz ]