Funkchips liefern Daten für wirtschaftlichen Warenfluss

Auf der Fachmesse EURO ID 2011 Anfang April auf dem Berliner Messegelände informierten sich rund 3700 Besucher bei 101 Ausstellern sowie in einem umfangreichen Rahmenprogramm über die neuesten Entwicklungen aus der Transponder-Szene.

Der Umfrage „RFID-Monitor 2011“ zufolge, welche die PAV Card GmbH aus Lütjensee gemeinsam mit dem Fachmagazin „RFID im Blick“ im Vorfeld der Messe durchführte, ist die RFID-Technologie (Radio Frequency Identification) weiter im Aufwind. Mehr als neun von zehn Unternehmen in Deutschland beabsichtigen, in diesem Jahr verstärkt kontaktlose Lösungen umzusetzen. Fast jede dritte Anwendung wird dabei in der Industrie (31 Prozent) realisiert, gefolgt vom Transportwesen (15 Prozent), der öffentlichen Verwaltung und dem Facility-Management (beide 7,35 Prozent). An der Online-Umfrage nahmen 239 Entscheider teil. Frithjof Walk, Präsident des Branchenverbands AIM Deutschland e.V., hob hervor, dass die präsentierten Produkte und Systeme die positiven Signale aus den Anwenderunternehmen verstärken: „Die Firmen sind dringend auf der Suche nach Lösungen zur Optimierung von Produktions- oder Logistikprozessen. Da kommen ihnen Angebote gerade recht, die nicht nur Abläufe verbessern, sondern auch kreativ sind.“ Und Anja Van Bocxlaer, Chefredakteurin von „RFID im Blick“, betonte auf dem Messegelände: „Die in Berlin gezeigten Lösungen und Anwendungen zeigen, dass wir uns in einem lebendigen Markt befinden, in dem neben stabilen Entwicklungen nach wie vor Aufbruchstimmung herrscht.“

1 PDA, 22 Module, 280 Konfigurationen

So führte die Psion GmbH aus Willich ihre Differenzierungsstrategie „Open Source Mobility“ vor. Erstes Ergebnis dieser Strategie ist die modulare PDA-Plattform Omnii, auf der auch der neueste Industrie-Handheld XT10 entwickelt worden ist. Bei dem Gerät handelt es sich um den ersten Rechner der neuen Psion-Serie von Industriecomputern der nächsten Generation, die im Rahmen von „Ingenuity Working“, der Online-Community von Psion-Kunden, Partnern und Entwicklern entstanden ist. Das Design des PDA ist komplett modular und lässt sich mit aktuell 22 verfügbaren Erweiterungsmodulen zu mehr als 280 Konfigurationen umbauen. An Zusatzmodulen stehen beispielsweise Kameras für den verkehrspolizeilichen Einsatz, GPS-Module für die Verfolgung von Lieferungen, Fingerabdruck-Scanner, Ausweisleser oder RFID-Reader zur Verfügung. Dazu Jürgen Hein, Chef der Psion Deutschland GmbH: „Auf der Messe konnten wir unser innovatives Geschäftsmodell Open Source Mobility (OSM) optimal positionieren. OSM wird die Problemlösungsstrategien und das Einkaufsverhalten der Kunden verändern, das wurde auch in Berlin anhand der vielen positiven Reaktionen der Fachbesucher deutlich. Den Rahmen für das OSM-Konzept bildet die Online-Community „IngenuityWorking.com“, in der Psion die Tools der sozialen Netzwerke nutzt, um Kunden, Entwickler und Partner zusammenzubringen. Für uns ist das die Zukunft von mobilen Industriecomputern.“

Identitäten sicher handhaben

Im Projekt „myID.privat“ zeigte der Aussteller Fraunhofer Fokus Institut für offene Kommunikationssysteme in Berlin Konzepte und Technologien, die Datenschutz und Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern beim Einsatz elektronischer Identitäten unterstützen. Florian Weigand zufolge besitzt jeder Bürger neben seinen Daten im Personalausweis noch eine Vielzahl weiterer Attribute für unterschiedliche Lebenslagen, z. B. Nummern für Bankkonten, Versicherungen, Steuern, Kreditkarten, aber auch Spielernamen für Online-Spiele, E-Mail- oder Firmenaccounts. Weigand beschäftigt sich im Fraunhofer Institut mit neuen Anwendungen im Bereich eGovernment und erläutert: „Im Projekt „myID.privat“ werden Lösungen erarbeitet, die es ermöglichen, Identitätsattribute aus verschiedenen Quellen für die Nutzung von Dienstleistungen im Internet vertrauenswürdig und sicher zusammenzuführen.“

Neue Herausforderungen für die Bereiche Privatsphäre und Datenschutz seien offensichtlich. Die beteiligten Anbieter von Diensten oder Attribut-Provider sollen nicht mehr Informationen über eine Person erhalten als sie benötigen. Um den vielfältigen Anforderungen hinsichtlich Benutzbarkeit und Transparenz der Attributverarbeitung nachzukommen, haben die Wissenschaftler von Fraunhofer FOKUS das sogenannte Identity-Cockpit entwickelt. Mit seinem Identity-Cockpit behält der Nutzer jederzeit den Überblick und die Kontrolle darüber, welche Attribute er an wen übermitteln möchte und erhält dabei datenschutzfördernde Hinweise.

Ein Fingerscan ersetzt den Schlüsselbund

Bei Privathäusern und öffentlichen Gebäuden können sichere Identitäten die Rolle herkömmlicher Schlüssel ersetzen. Entsprechend elektronisch realisiert, stellt der menschliche Finger schon heute das individuelle Zugangsmedium dar. Die Fingerscanner der ekey biometric systems Deutschland GmbH aus Nidderau bei Frankfurt ermöglichen es Privaten, Vereinen und Unternehmen mit bis zu 2000 Mitarbeitern, mittels Fingerscan ihren Gebäudezugang abzusichern. Damit lassen sich Zeiterfassung, Druckerfreigaben, Maschinen- oder Aufzugsteuerungen clever organisieren. Hierfür sind Fingerscanner mit 40, 200 oder 2000 Finger-Speicher in vier Gehäusevarianten und hunderten von Variationsmöglichkeiten verfügbar. Beliebig viele Scanner lassen sich auch in einem Netzwerk betreiben und von einer Software zentral steuern. Erst durch Biometrie wird sichergestellt, dass die Berechtigung an eine Person gebunden ist und nicht an einen Code, einen Schlüssel, einen Transponder oder ein anderes Trägermedium. Anwendungsbereiche sind Zugangslösungen bei Feuerwehren, Banken, Freizeitparks oder Kindertagesstätten.

Hierzulande gehen pro Jahr rund 800.000 Schlüssel oder Schlüsselbünde verloren. Dadurch entsteht ein Schaden von über 100 Millionen Euro pro Jahr. Aus diesem Grund setzen Unternehmer und Private verstärkt auf die sichere und komfortable Zutritts-Lösung durch Fingerscanner. Neben mehr Komfort und Sicherheit sind die Kostenersparnis und der reduzierte Verwaltungsaufwand ein entscheidender Grund für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, auf Fingerscanner umzurüsten. Auf Wunsch können Fingerscanner zusätzlich auch mit RFID-Karten oder -Schlüsselanhängern bedient werden, um externen Personen wie Servicepersonal oder anderen temporär anwesenden Mitarbeitern Zugang zu ermöglichen. Mehr als 100 Millionen Fingerscanner wurden in den letzten Jahren weltweit auf den Markt gebracht. Von allen biometrischen Verfahren ist das Fingerprint-Verfahren auf Grund der Kosten, Benutzerakzeptanz, Sicherheit und des Entwicklungsstandes am besten geeignet und hat einen Marktanteil von über 50 Prozent innerhalb der Biometrie. Für Signot Keldorfer, Geschäftsführer Marketing/Vertrieb bei ekey, war der Messeauftritt in doppelter Hinsicht ein voller Erfolg: „Vor allem freuen wir uns natürlich über die Auszeichnung mit dem diesjährigen EURO ID Award in der Kategorie „Sichere Identität“. Der Preis ist für unsere Mitarbeiter ein schöner Ansporn, diese Technologie permanent weiter zu entwickeln. Aber auch die Messe selber ist für uns gut gelaufen. Bis dato verwenden über 100.000 zufriedene Kunden in rund 60 Ländern weltweit täglich ekey Fingerscanner. – Nach der Messe werden es mehr.“

Strom laden leicht gemacht

Auch im Boomsektor Elektromobilität hilft RFID-Technik, Nutzeridentität, Verbrauchsmengen und Entgeltprofile von Kunden an Stromzapfsäulen zu koordinieren und abzurechnen. Bis zum Jahr 2020 sollen auf den Straßen in Deutschland und Frankreich Elektrofahrzeuge im Straßenbild keine Seltenheit mehr sein. Voraussetzung dafür ist eine flächendeckende Infrastruktur mit leistungsstarken und standardisierten Stromladestationen. Dazu zeigten Rittal und Feig in Berlin eine neu entwickelte Ladesäule mit RFID-basierter Abrechnungseinheit zum „Betanken“ von Elektroautos. Um dem erklärten Ziel näher zu kommen, Deutschland und Frankreich zu Leitmärkten der Elektromobilität in Europa auszubauen, ist eine flächendeckende Infrastruktur mit standardisierten Stromladestationen erforderlich. Das heißt, sowohl der elektrotechnische Aufbau und die Funktionen als auch die Ladestation und damit die Gehäusetechnologie sind zu vereinheitlichen.

Das elektrische Ladesystem der modular aufgebauten Stromtankstellen von Rittal ist wahlweise 1- oder 3-phasig für 16 bis 63 A ausgelegt. Als Überwachungs- und Schutzeinrichtungen sind für jeden Ladepunkt elektronische Wirkleistungszähler beziehungsweise Fehlerstromschutzschalter integriert. Auch die Einspeisung über den Netzanschluss erfolgt 1- oder 3-phasig über genormte Verteiler (IP 65 Schutzklasse 2) sowie die entsprechenden Absicherungen. Die optionale Ausstattung reicht von einem Touchdisplay für die Bedienung über integrierte Lesegeräte für Kunden- oder Guthabenkarten bis hin zu einem GSM/GPRS-Modem zur Fernüberwachung und Übermittlung der Verbrauchsdaten. Neben dem Standgehäuse für den Outdooreinsatz soll es in Zukunft auch eine Indoorvariante mit Wandmontage geben, beispielsweise für Parkhäuser oder private Unternehmen.

Funkchips mit integrierten Monitor

Bei der Herstellung elektrischer Energie kommen seit Neuestem ganz besondere Funkchips zum Einsatz. Mit Hilfe des batterielosen, visuellen V-RFID-Labels der Evonik Energy Services GmbH aus Essen lassen sich die auf dem RFID-Chip gespeicherten Informationen gleichzeitig auf einer im Transponder integrierten Anzeigeeinheit darstellen. Bisher ließen sich die auf den herkömmlichen Transpondern gespeicherten Informationen nur mit mobilen Endgeräten auslesen und anzeigen. Deshalb mussten häufig zusätzlich Schilder beispielsweise an Anlagenkomponenten angebracht werden. Mit dem V-RFID-Label sind Informationen nun erstmals direkt auf dem Display des RFID-Chips darstellbar.

Bei Evonik schafft die neue Technologie ein zeit- und wegesparendes, papierloses System und führt insgesamt zu einer Optimierung im Bereich der Mobilen Instandhaltung von Energieanlagen. Die Verwendung der V-RFID-Label für die Freischaltung und Wartung wurde von Evonik patentiert. Energie bezieht der Bildgebende Transponder aus dem Funkfeld des PDA. Diese versorgt nicht nur den RFID-Chip, sondern auch die in ePaper-Technik realisierte Displayeinheit mit Spannung. Die Anzeige des V-RFID-Labels bleibt im Anschluss auch im spannungsfreien Zustand unverändert erhalten. Wolfgang Offermanns zufolge, Berater Betriebsmanagement bei Evonik, bot die EURO ID genau den richtigen Rahmen für die Präsentation der innovativen RFID-Entwicklung seines Unternehmens: „Wir hatten viele und gute Kontakte auf der Messe und konnten unser neues Produkt erfolgreich vermarkten. Wir sind in unserer Abteilung ein Stab von drei Mitarbeitern sowie zwei Technikern der Entwicklungsfirma Sil aus Paderborn und haben einiges an Entwicklungsarbeit in dieses Produkt investiert. Dafür sind Fachmessen mit Fachbesuchern genau das Richtige.“

Kommunizierende Mülltonnen

Bereits seit Anfang der neunziger Jahre werden RFID-Systeme in der hiesigen Abfallwirtschaft zur automatischen Erkennung von Abfallbehältern eingesetzt. Automatische Identifikation wird für die Abfuhr-Identifikation der Mülltonnen und für die Gebührenabrechnung verwendet. Nur Behälter, die mit gültiger Identifikationsnummer gekennzeichnet sind, dürfen geleert werden. Spannend wird die Verwendung von Funkchips dann, wenn die Abfallgebühren einen Vermeidungsanreiz für die Bürger schaffen sollen. So wird insbesondere in den Kommunen der neuen Bundesländer bereits wesentlich mehr Restmüll vermieden als im Westen, weil der Ost-Bürger seinen Abfallbehälter nur zur Entleerung bereitstellen und bezahlen muss, wenn dieser auch wirklich voll ist. Nach Auskunft von Uwe Neidhardt, Gruppenleiter Vertrieb bei der MOBA Mobile Automation AG aus Dresden werden bis dato bereits rund 30 Prozent aller Abfallbehälter in Deutschland per RFID-Technik identifiziert. In den neuen Bundesländern sei dabei die Ausrüstungsquote mit etwa 90 Prozent weit höher als in den alten Bundesländern.

Für das entsprechende RFID-System haben sich die Interessenvertreter der Entsorgungsbranche VKS (Verband der kommunalen Abfallwirtschaft und Städtereinigung) und BDE (Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft) auf Transponder entsprechend der ISO-Norm 11784 / 11785 mit der festgelegten Frequenz von 134,2 kHz und dem Nur-Leseverfahren (read only) festgelegt. Damit ergibt sich Neidhardt zufolge ein breites Anbieterspektrum für die Identifikationssysteme: „Es besteht keine Abhängigkeit von bestimmten Lieferanten, und wir haben günstige Preise für Entsorger und Verbraucher, weil kompatible, modulare und austauschbare Systemkomponenten verwendet werden.“

Nie mehr Tupfer im Patienten vergessen

NXP Semiconductors gab im Umfeld der Messe bekannt, dass die Firma ClearCount Medical Solutions die RFID-Lösungen von NXP in ihrem SmartSponge System einsetzt. Damit gehören zumindest bei OP´s vergessene Wattebäusche künftig der Vergangenheit an. Auf einfache und zuverlässige Weise kann das SmartSponge System alle Tupfer, die während eines chirurgischen Eingriffs im Körper des Patienten platziert werden, registrieren und erkennen. Das SmartSponge System besteht aus chirurgischen Tupfern, die mit RFID-Chips versehen sind, sowie einem RFID-Lesegerät namens SmartWand, das sämtliche verwendeten Tupfer registriert und per Software mitzählt, ob alle verwendeten Pads auch tatsächlich im mitgelieferten Disposal-System landen.

Die Möglichkeiten, Produktions- oder Lagerprozesse mit Ident-Technik zu verbessern, sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Dazu Marc Onnen, Kenner der RFID-Szene und beim Systemintegrator Dimension Data aus Oberursel für automatische Identifikationssysteme verantwortlich: „Wer genau weiß, was läuft, kann präziser entscheiden und handeln. Also müssen wir bestehende RFID-Inseln verknüpfen.“ Für den Aufbau kompletter RFID-Systeme kooperieren die Oberurseler mit spezialisierten Softwarefirmen wie etwa dem Berliner Austeller Silverstroke GmbH aus Ettlingen. Denn in gewachsenen RFID-Installationen sind meist Transponder, Leseschranken und Verarbeitungssoftware mehrerer Hersteller im Haus. Erst eine so genannte Middleware von Anbietern wie Silverstroke oder RF-IT aus Graz führt die Daten aus allen Einzellösungen tatsächlich zu einer Gesamtsicht zusammen.

Die 8. Internationale Fachmesse und Wissensforum für automatische Identifikation findet am 24. bis 26. April 2012 in Berlin statt: www.euro-id-messe.de

Quelle: Berlin [ EURO ID ]

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