Insolvenzvorhersage mit nur einem Parameter

Rostocker Statistiker empfiehlt Banken: Vergesst mir Merton nicht!

Gute Nachrichten für Banken: Im Kampf um eine angemessene Eigenkapitalausstattung wird immer wieder auf die hohe Komplexität von Insolvenzen hingewiesen und die zunehmende Mathematisierung beklagt. Vielleicht ist aber alles gar nicht so schlimm. „Ein Parameter nur reicht, um die Insolvenzwahrscheinlichkeit von Schuldnern passabel vorherzusagen“, sagt Prof. Dr. Rafael Weißbach in einer Studie des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Universität Rostock.

Das Thema der Überschuldung von Staaten und Banken hat sich zu einem schmerzhaften Dauerbrenner entwickelt. Und auch die amtsstatistischen Zahlen lassen nichts Gutes ahnen. Ging von 1000 deutschen Unternehmen in den 1960er Jahren nur eines pro Jahr in die Insolvenz, so gilt dieses aktuell für eines von 100. Die Insolvenzquote hat sich verzehnfacht. Umso wichtiger ist es, dass Banken, also die „Risikopuffer“ unserer Gesellschaft, die Insolvenzen ihrer Schuldner vorhersehen können. Die Analyse der geschichtlichen Verläufe von circa 8000 Unternehmen brachte den Rostocker Statistiker Rafael Weißbach am Institut für Volkswirtschaftslehre zum Schluss, dass es sich für Banken lohnt, auch vermeintlich einfache ökonomische Theorien zu studieren, wenn sie aus den Zahlen ihrer immensen Datenbanken auf die Höhe ihres ökonomischen Kapitals schließen wollen. Das ökonomische Kapital ist der Eigenkapitalwert, der die Bank vor der eigenen Insolvenz infolge von Insolvenzen ihrer Schuldner schützen soll, dem berüchtigten Dominoeffekt.

Banken liegen natürlich die internen qualitativen Expertenmeinungen über ihre Schuldner vor. Nur wie daraus eine quantitative, also numerische, Größe für den Ausfall des verliehenen Geldes machen? Hierin scheiden sich die Geister, viele Forscher geben hoch-dimensionalen Modellen den Vorrang. Ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zu einem mathematisch einfachen Vorgehen war die Erkenntnis, dass sich auch aus den qualitativen Einschätzungen der Bankanalysten eine (quantitative) Metrik formulieren lässt. „So wie der Abstand zweier fahrender Autos leicht messbar ist und erahnen lässt, wann ein Aufprall, zu erwarten ist, kann auch der Abstand eines Kreditnehmers zu seinem Ausfall gemessen werden“, ist Weißbach überzeugt.

Wie Prof. Weißbach in einem Aufsatz, der gerade in dem angesehenen Journal of the Korean Statistical Society vorab erschienen ist, schreibt, hat die ökonomische Gleichgewichtstheorie eine erhebliche Vereinfachung zur Folge. Ein Gleichgewichtsmodell für das Kreditrisiko von Schuldnern aus dem Jahre 1974 legt nahe, dass eine nieder-dimensionale Beschreibung bei der Insolvenzvorhersage ausreicht. Sein Verfasser Robert C. Merton wurde 1997 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Nun ist es Professor Weißbach gelungen zu zeigen, dass sogar nur ein Parameter, nämlich die kurzfristige Wahrscheinlichkeit die sogenannte Ratingklasse um eine Stufe nach oben oder unten zu wechseln, für die langfristige Insolvenzvorhersage weitgehend ausreicht. „Dass sich derartige nieder-dimensionale Modelle leicht und sicher kalibrieren lassen ist ein erfreulicher Nebeneffekt. Das weckt Hoffnung, denn zuletzt waren selbst Modelle mit einer Million Parametern keine Seltenheit mehr“, so Weißbach. Sein Fazit: „Vergesst mir Merton nicht!“

Literatur:

http://dx.doi.org/10.1016/j.jkss.2011.05.001

Quelle: Rostock [ Universität ]

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