Wenn mehr als Produktivität zählt
Anreizsysteme sollen Wunsch und Wirklichkeit der Produktionslogistik zusammenführen
In einem 21-monatigen Forschungsprojekt haben das IPH – Institut für Integrierte Produktion Hannover und Partner aus Industrie und Wissenschaft eine Software konzipiert, die Unternehmen bei der Entwicklung von Anreizsystemen unterstützt. Die Mitarbeiter produzierender Unternehmen sollen dadurch zukünftig nicht nur für ihre Produktivität belohnt werden. Auch Termintreue, Bestände und Durchlaufzeiten sollen eine Rolle spielen.
Eine hohe Termintreue, kurze Durchlaufzeiten, eine hohe Auslastung und niedrige Bestände – die Logistikleistung von produzierenden Unternehmen ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Doch was tun, wenn Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander liegen und die Logistikleistung insgesamt nicht stimmt? Durch Anreize wie Provisionen oder zusätzliche Urlaubstage versuchen viele Unternehmen, ihre Mitarbeiter zu mehr Leistung zu motivieren. Bislang beziehen sich externe Anreize meist auf die Produktivität der Belegschaft. Damit neben der Auslastung auch die Termintreue, die Durchlaufzeiten und die Bestände stimmen, sollten Arbeitgeber jedoch auch diese Faktoren in ihren Anreizsystemen berücksichtigen, sagen Ingenieure aus Hannover.
Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie haben das IPH und das Institut für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) der Leibniz Universität Hannover ein Instrument entwickelt, das Unternehmen bei der Schaffung eigener Anreizsysteme unterstützt. Mit Hilfe der Software können Arbeitgeber herausfinden, an welche Kennzahlen sie ihr Anreizsystem koppeln müssen, um die logistische Zielerreichung zu unterstützen. Sollen die Mitarbeiter beispielsweise für niedrige Bestände sorgen, so könnten sie eine Prämie erhalten, wenn die Kennzahl Bestand unter einem bestimmten Wert liegt.
Dass seine Mitarbeiter stets im Sinne des Unternehmens handeln, wünscht sich jeder Arbeitgeber. In der Praxis liegen die Interessen einzelner Mitarbeitergruppen hingegen oft weit auseinander. Um die Bestände niedrig zu halten und flexibel auf spontane Kundenwünsche reagieren zu können, möchten beispielsweise Produktionsplaner die Aufträge erst so spät wie möglich freigeben. Dieses Verhalten sorgt für kurze Durchlaufzeiten und eine hohe Termintreue, lastet die Produktion aber nicht immer voll aus. Im Gegensatz zu den Produktionsplanern haben die Meister in der Fertigung großes Interesse daran, dass die Aufträge so früh wie möglich freigegeben werden. Sie können dadurch besser planen und sind flexibler in der Fertigung. Ihr Fokus liegt eher auf einer hohen Auslastung und einer hohen Termintreue als auf niedrigen Beständen.
In dem Forschungsprojekt des IPH wurden zunächst Mitarbeiter der Industriepartner anonym zu ihrer Motivation befragt. Auch die Freiheitsgrade des einzeln während der Arbeit wurden erfasst. Im nächsten Schritt legten die Ingenieure fest, wie sich die Mitarbeiter verhalten sollen, um die Logistikleistung zu unterstützen, und wie dieses Verhalten anhand von Kennzahlen gemessen und mit Anreizen verknüpft werden kann. Die Ergebnisse wurden schließlich in einer Software zusammengeführt. Sie kann in Kürze als Open Source-Lösung kostenlos auf der Internetseite www.soconau.de heruntergeladen werden.
Das Forschungsprojekt „Steigerung der Logistikleistung durch die Abstimmung von Anreizsystemen auf logistische Ziele mithilfe eines soziotechnischen Controllings in der Auftragsabwicklung“ wurde vom IPH gemeinsam mit dem Institut für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) der Leibniz Universität Hannover durchgeführt. Zudem waren unter anderem die Unternehmen Eilhauer Maschinenbau GmbH, Sartorius Weighing Technology GmbH und Paul Beier Werkzeug- und Maschinenbau GmbH & Co. KG beteiligt.
Gefördert wurde das Forschungsvorhaben mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" e. V. (AiF) im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e. V.. Das Projekt mit 21-monatiger Laufzeit endete zum 31. Dezember 2011.
Quelle: Hannover [ IPH ]