Tiergesundheit: Bedeutung bislang unterschätzt
Wachstum, Immunsystem, Energiehaushalt: Die Bedeutung von Phosphor für die Tiergesundheit wird bislang eher unterschätzt, so die Ergebnisse des Forschungsprojektes microP der Universität Hohenheim. Darin untersuchte ein Forschungsteam der Agrarwissenschaften ausführlich und mit neuesten Methoden, wie Tiere Phosphor im Verdauungstrakt verwerten und welche Faktoren die tierische Phosphorausbeute beeinflussen. Die Ergebnisse der Grundlagenforschung sind vielversprechend: so scheint die Phosphorverwertung u.a. auch genetisch bedingt – was der Tierzucht die Möglichkeit einräumen könnte, Tiere mit besserer Phosphorverwertung zu züchten. „Unsere Ergebnisse zeigen Chancen auf, die unbedingt ergriffen werden sollten. Davor gibt es allerdings noch viel Forschungsbedarf“, so Projektleiter Prof. Dr. Markus Rodehutscord von der Universität Hohenheim.
Damit sie für die Nahrungsmittelproduktion schnell wachsen und dabei noch in großen Mengen Milch oder Eier produzieren, ist Phosphor im Futter von Nutztieren essentiell. Doch auch für Immunsystem und Energiestoffwechsel hat Phosphor eine Bedeutung, die bislang eher unterschätzt wurde, wie die Ergebnisse des Forschungsprojektes microP belegen.
„Im tierischen Verdauungstrakt regelt ein kompliziertes Zusammenspiel von Mikroorganismen die Verwertung von Nährstoffen aus dem Futter mit. Wenn diese Mikroorganismen weniger Phosphor zur Verfügung haben, sind sie auch beim Verarbeiten anderer Nährstoffe weniger aktiv. Das ist zum Beispiel für die Energieeffizienz des Tieres schlecht“, erklärt Jun.-Prof. Dr. Jana Seifert vom Institut für Nutztierwissenschaften der Universität Hohenheim.
Verdauungstrakt muss den pflanzlichen Phosphorspeicher knacken
Grund für die schwierige Verwertung des pflanzlichen Phosphors ist die komplexe Chemie des Nährstoffs. In Pflanzensamen ist Phosphor in einem ringförmigen Molekül gebunden, je sechs der wertvollen Phosphor-Bausteine sind mit dem Kohlenstoffring verknüpft. Diese Phosphor-Bausteine gilt es mithilfe eines Enzyms abzulösen.
Doch Nutztiere wie Schweine und Hühner sind nicht in der Lage, ausreichende Mengen dieses Enzyms zu produzieren. Bislang umgehen Landwirte und Futtermittelproduzenten dieses Problem durch zwei Maßnahmen: indem sie zusätzlichen Phosphor beimischen und in dem sie das Spezialenzym zur Freisetzung des Phosphors zusetzen. Beides hat Nachteile: der zugesetzte Phosphor wird aus Gesteinsphosphaten gewonnen. Die weltweiten Vorräte sind jedoch stark begrenzt und werden in absehbarer Zeit aufgebraucht sein. Das Spezialenzym kann zwar aus Pilzen und Bakterien gewonnen und ohne gesundheitliche Risiken für die Tiere dem Futter beigemischt werden. Dieser Zuschlag bedeutet jedoch zusätzlichen Aufwand und Mehrkosten für die Landwirte. Das Forschungsteam aus dem Institut für Nutztierwissenschaften der Universität Hohenheim hat darum in einem mehrjährigen Projekt genau unter die Lupe genommen, wie der Phosphor-Abbau im Verdauungssystem von Hühnern, Schweinen und Wachteln abläuft. Die Erkenntnisse sollen es ermöglichen, die Verwertung von Phosphor im Verdauungstrakt von Nutztieren effizienter zu machen.
Auswirkungen auf Stoffwechsel und Immunsystem
Bei der Forschung stieß das Team jedoch noch auf weitere verblüffende Erkenntnisse. So stellten die Wissenschaftler fest, dass die Phosphor-Versorgung im Verdauungstrakt auch bislang kaum erforschte Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Tiere hat. Bei Vergleichsversuchen bekamen Schweine über mehrere Wochen unterschiedliche Mengen von Phosphor und Calcium in ihrem Futter. Verhaltensphysiologe Prof. Dr. Volker Stefanski und Doktorandin Charlotte Heyer untersuchten anschließend Blut, Kot, Milz, Lymphknoten sowie Darmbakterien der Tiere und stellten fest: Die Gruppe mit der niedrigeren Phosphor-Zugabe produzierte weniger Antikörper. Zudem zeigten sich deutliche Auswirkungen auf die Anzahl und die Funktion von wichtigen Immunzellen. „Zusammengenommen deuten die Veränderungen im Immunsystem und im Bereich der Darmbakterien darauf hin, dass eine ausreichende Menge an Phosphor einen positiven Effekt auf die Darmgesundheit hat“, fasst Prof. Dr. Stefanski zusammen, „und dies könnte auch bedeuten, dass eine zu geringe Phosphormenge die Tiere anfälliger für Krankheiten macht.“
Effiziente Phosphor-Verwertung – eine Frage der Gene
Die zweite überraschende Erkenntnis: Sowohl bei Hühnern als auch bei Schweinen fanden die Wissenschaftler Hinweise darauf, dass die Fähigkeit zur Verwertung von Phosphor im Erbgut angelegt ist. Die Erkenntnis wurde durch die Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet des Züchtungsexperten Prof. Dr. Jörn Bennewitz herausgefunden. „Langfristig wäre es sicher möglich diese Fähigkeit durch Züchtung zu stärken“, betont Prof. Dr. Rodehutscord die Bedeutung dieser Erkenntnis.
Methodischer Durchbruch ermöglichte die Forschung
Möglich wurden diese Ergebnisse durch einen Durchbruch in der Methodik: Zum ersten Mal ist es dem Team gelungen, alle Abbauprodukte nachzuweisen, die bei der Phosphorfreisetzung im Verdauungstrakt entstehen.
Prof. Dr. Rodehutscord erklärt: „Um die genaue Aufgabe der beteiligten Mikroorganismen bei der Phosphor-Verwertung zu verstehen, mussten wir sie erst nachweisen. Dass uns das dank der Investitionen in modernen Ausstattung und der Etablierung des Forschungsschwerpunkt „Microbiota bei Nutztieren“ der Universität Hohenheim gelungen ist, ist ein Meilenstein für die weitere Forschung auf dem Gebiet.“
Tier- und Pflanzenernährung stehen in Verbindung
Die Tierforscher tauschen sich zu diesem Thema auch mit Experten für Pflanzenforschung aus. Schnittstellen bestehen zum einen bei der Frage, wie die Pflanzenzüchtung und die Pflanzenernährung das bestehende Vorkommen an Phosphor beeinflussen können. Zum anderen denken die Tierforscher bereits einen Schritt weiter: Alles, was die Tiere nicht verwerten, wird schließlich ausgeschieden und kehrt so als Dünger zu den Pflanzen zurück. Jun.-Prof. Dr. Seifert findet diesen interdisziplinären Ansatz wichtig. „Phosphorknappheit ist ein globales Problem. Wir müssen es deshalb in der gesamten Kette der Lebensmittelgewinnung ansehen und dürfen uns nicht nur auf einzelne Stationen konzentrieren.“
Große Chancen – und hoher Forschungsbedarf
Dass Aspekte wie der Zusammenhang zwischen Phosphor-Verwertung und Immunsystem bislang so gut wie gar nicht untersucht waren, zeigt Tierernährungs-Experte Prof. Dr. Rodehutscord: „Hier besteht noch viel Forschungsbedarf.“ Dank der bislang gesammelten Daten und neu entwickelten Methoden sehe er die Universität für diese Aufgabe jedoch sehr gut aufgestellt. „Mit den Grundlagen aus dem Projekt haben wir den Boden bereitet, um dem globalen Problem der Phosphorverknappung besser zu begegnen. Nun gilt es diese Erkenntnisse weiterzuverfolgen.“ Dazu gehöre es zum Beispiel, die Ergebnisse umfassend und detailliert für einzelne Tierarten zu vertiefen. Interdisziplinären Verbundforschungen käme hierbei eine besondere Bedeutung zu.
Hintergrund: Einsatz von Tieren im Projekt
Für das Projekt untersuchten die Wissenschaftler 31 Schweine, 1140 Hühnerküken und 920 Wachteln. Von allen Tieren wurden Exkremente gesammelt und analysiert. Die Wachteln kamen dafür für 5 Tage in Einzelhaltung jedoch mit Sichtkontakt zueinander. Den Schweinen wurden über einen Zeitraum von 9 Wochen einmal pro Woche Exkremente und Blut entnommen. Dafür standen sie in durch Gitter getrennten Einzelboxen. Nach 3-4 Wochen wurden die Hühner geschlachtet – das kommt dem üblichen Schlachtalter in der Praxis nahe. Die Wachteln wurden nach 2 Wochen geschlachtet, die Schweine nach 9 Wochen, um den gesamten Verdauungstrakt zu entnehmen und die dort vorhandenen Abbauprodukte zu analysieren.
Hintergrund: „microP“
Das Projekt „microP“ startete im Dezember 2012 und ist inzwischen abgeschlossen. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg förderte es mit 372.000 Euro. Hinzu kamen 149.854 Euro aus dem Juniorprofessurenprogramm des Ministeriums für das von Jun.-Prof. Dr. Seifert geleitete Teilprojekt ‚Metaproteomische Analysen der Mikrobiota in monogastrischen Tieren (Broiler, Schwein) bei unterschiedlicher Phosphatverfügbarkeit im Futter‘.
Beteiligt waren die Fachgebiete für Tierernährung, Futtermittelkunde, Infektions- und Umwelthygiene bei Nutztieren, Verhaltensphysiologie von Nutztieren, Tiergenetik und Züchtung sowie die Junior-Stiftungsprofessur Feed-Gut Microbiota Interaction.
Text: Barsch / Klebs