Eröffnung der 44. Kulmbacher Woche
Rede des Staatssekretärs im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Herr Lindemann
Standort Kulmbach des Max Rubner Instituts ist sicher – Schlachtort vor Ort gehört dazu – Zerlegeversuche sollen Schweinevermarktung gerechter machen – Lehrgänge zur Handelsklassifizierung gehören zu Kulmbach - ! Mio. € an Sachmitteln aus Konjunkturpaket 2 – Kulmbach auch personell nicht schlecht gestelltHier der freigegebene Redetext des Staatssekretärs:
Sehr geehrter Herr Professor Rechkemmer,
sehr geehrte Damen und Herren!
Einleitung
Leider konnte ich nicht bereits gestern an der Feier auf der Plassenburg teilnehmen, aber ich wollte es mir nicht nehmen lassen, mit Ihnen gemeinsam die 44. Kulmbacher Woche zu eröffnen. Eine Veranstaltung mit so viel Tradition eröffnet man gerne. Es ist ja eine Tagung, die neben dem Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse auch die Verbundenheit mit der Stadt, dem Landkreis und der Region dokumentiert. Daran sollten wir auch in Zukunft festhalten. Dies hat bereits unser damaliger Bundeslandwirtschaftsminister und jetziger bayerische Ministerpräsident Seehofer betont und ich bekräftige es heute noch mal.
Die Region ist ein Zentrum der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Bayern und dies unterstützen wir gerne mit der Arbeit des Max Rubner-Institutes. Ich denke dabei an die Zusammenarbeit mit dem städtischen Schlachthof, der Fachschule oder den Lebens-mittel verarbeitenden Betrieben. Gut ausgebildete Kräfte
sind der Schlüssel für den Erfolg eines Unternehmens. Sie sind gleichzeitig Multiplikatoren weit über Bayerns Grenzen hinaus. Diese Unterstützung für eine gute Ausbildung wollen wir auch in Zukunft fördern. Wir werden die Lehrgänge zur Ausbildung der agrartechnischen Assistentinnen und Assistenten auch weiter beim MRI durchführen. Wir wollen auch zukünftig mit den Fachkräften des MRI die Fachschule hier in Kulmbach bei ihrer Ausbildung der Lebensmitteltechnikerinnen und -techniker unterstützen.
Ich glaube mit Stolz an dieser Stelle sagen zu können, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.
Forschung
Trotzdem haben wir keinen Anlass zur Selbstzufriedenheit. Die Wissenschaft, meine Damen und Herren, ist der Motor der modernen Welt. Auf ihren Erkenntnissen und Erfolgen beruht unsere Möglichkeit, die Welt zu gestalten und damit letztlich unseren Wohlstand. Denn gerade im Übergang von der Industrie zur Dienstleistungs- und Wissenschaftsgesellschaft sind wir erheblich mehr als früher auf wissenschaftliche Erkenntnisse angewiesen.
Forschen heißt, auf Erfahrungen aufbauen, den Fuß auf unbekanntes Land zu setzen - heißt, hinter dem Vertrauten die neue Wirklichkeit entdecken, denken und forschen -, das ist kreative, aber zugleich auch harte Arbeit. Wissenschaftliche Ergebnisse lassen sich nicht planen oder mit der Logik bürokratischer Jahrespläne erzwingen. Manchmal sind Umwege nötig, manchmal landet man auf Holzwegen.
Ich bin gespannt auf die Ergebnisse der Tagung bei
- der "Jagd auf tote Bakterien", um den Verbraucher vor Gammelfleisch-Betrug zu schützen, wie es im Programm für diese Kulmbacher Woche angekündigt ist;
- der Forschung zur Steigerung von Qualität und Genuss durch optimierte Herstellung von Brühwürsten;
- den Beiträgen der Kulmbacher Forscher für die Sicherheit der Verbraucher durch professionelle Unterstützung der europäi¬schen Referenzlabore für die Lebensmitteluntersuchung.
Diese sehr aktuellen und praxisnahen Fragestellungen sind typisch für die Kulmbacher Woche und werden präsentiert und diskutiert. Sie zeigen, wie weit vorne die Kulmbacher den Verbraucherschutz vorantreiben. Und ich sage das bewusst, es ist tatsächlich weit vorne – Universitätsinstitute sind sich für solch praxisnahe Forschung häufig zu schade.
Zerlegeversuch Schwein
In diesen Wochen beginnen hier in Kulmbach die Arbeiten am nationalen Zerlegeversuch Schwein. Dies ist ein weiteres Beispiel für die praxisnahe Forschung an diesem Standort.
Ziel der Arbeiten ist die Überprüfung und Anpassung der Schätzformeln zur Bestimmung des Muskelfleischanteils bei Schweineschlachtkörpern.
Hierzu ist eine deutschlandweite repräsentative Schweinestichprobe zu erfassen, mit allen am Markt befindlichen Messgeräten durchzuchecken und anschließend - hier in Kulmbach - nach allen Regeln der Kunst auszuwerten.
Die letzte Überprüfung liegt inzwischen über 13 Jahre zurück.
Die genaue Bestimmung des Muskelfleischanteils ist Voraussetzung für die Einstufung der Schlachtkörper in die Handelsklassen und damit in weiten Teilen auch Grundlage der Bezahlung.
Bei rd. 55 Mio. Schweineschlachtungen in Deutschland geht es dabei immerhin um einen Gesamtbetrag von über 6 Mrd. €; vermutliche Kleinigkeiten wachsen im Gesamten schnell zu großen Beträgen.
Ihre Arbeiten sind daher von großer Bedeutung.
Nicht die Augen der Welt, aber die Augen der deutschen Schweinehalter und Schlachtbranche schauen auf die Arbeiten und ihre Ergebnisse.
Ich freue mich, dass wir nunmehr nach vielen Hindernissen mit den Arbeiten beginnen können und wir einen Weg erfolgreich zum Abschluss bringen, den wir vor fünf Jahren mit der Anschaffung des Computertomographen (CT) als neuem und innovativen Verfahren begonnen haben.
Kulmbach war damals europaweit die erste Fleischforschungsanstalt, die den CT zum Einsatz brachte.
Diesem Beispiel sind mit Dänemark, Frankreich, Irland und Spanien mittlerweile weitere wichtige „Schweine“-Länder gefolgt.
Damit war der Weg frei, den CT auch auf europäischer Ebene in die einschlägigen Vorschriften aufzunehmen.
Die Diskussionen im Expertenkreis und mit der EU-Kommission waren nicht immer leicht; es kostete manchmal eine unendliche Mühe Bedenken zu zerstreuen und Hindernisse zu überwinden.
Letztlich konnte aber – auch unter maßgeblicher Berücksichtigung der Kulmbacher Erfahrungen – der Weg für eine zukunftsweisende Technik bereitet werden.
Die Finanzierung des Zerlegeversuches erfolgt in einer gemeinsamen Kraftanstrengung des Bundes, der Landwirtschaft, der Schlachtbranche und den Geräteherstellern.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Absatzfonds drohte der Zerlegeversuch noch in letzter Minute kurz von dem Beginn zu scheitern, entfiel damit doch ein wichtiger Baustein in der Finanzierung.
Nur durch eine gemeinsame Anstrengung der Wirtschaft und des Bundes konnte diese Lücke geschlossen werden, so dass nun alle Stolpersteine aus dem Weg geräumt sind.
Ich erwarte nun mit Spannung die Ergebnisse Ihrer Arbeiten, spätestens in einem Jahr wissen wir mehr.
Apparative Klassifizierung Rind
Wie die Erfolgsstory CT zeigt, bringen neue Techniken auch neue Anwendungen im Vieh- und Fleischbereich mit sich.
Ein anderes Beispiel, an dessen Entwicklung Kulmbach auch maßgeblich beteiligt ist, ist die Videobildanalyse bei Rindfleisch.
In Deutschland herrscht heute – noch – die subjektive, visuelle Klassifizierung vor, andere EU-Mitgliedstaaten, wie z. B. Irland und Frankreich, sind hier wesentlich weiter.
Mit der Videobildanalyse bietet sich nun auch bei Rindfleisch die Möglichkeit einer apparativen Klassifizierung.
Ich begrüße, dass auch die Schlachtbranche dieses erkennt und sich in diese Richtung bewegt.
Erste Gespräche zwischen Wirtschaft, BMELV, PTB und MRI sind angelaufen.
Ich hoffe, dass die noch offenen Fragen alsbald geklärt werden und wir, wie vorgesehen im Frühherbst mit der Arbeiten beginnen können.
Handelsklassenlehrgänge am Standort Kulmbach
Die wissenschaftliche Expertise im Bereich der apparativen Klassifizierung ist auch die Basis für die Durchführung der Handelsklassenlehrgänge bei Schweinen, Rindern und Schafen.
Diese Lehrgänge dienen der Aus- und Weiterbildung der Über-wacherkräfte der Länder und neutralen Klassifizierer.
Im neuen Fleischrecht, das im November 2008 in Kraft getreten ist, werden die Anforderungen an die Ausbildung der neutralen Klassifizierer bundeseinheitlich geregelt. Von den Bundesländern wurde im Rechtsetzungsverfahren nachdrücklich eine bundeseinheitliche Koordinierung gefordert.
Die Gründe, die 1971 mit der Umstellung von Lebend- zur Geschlachtetvermarktung von Schlachttieren und im Anschluss daran mit der Einführung der apparativen Klassifizierung zur Zusammenlegung von Forschung und Lehre in diesem Bereich geführt haben, gelten unverändert fort.
Eine Trennung dieser beiden Aufgaben ist daher nicht geboten.
In beiden Bereichen leistet das MRI anerkanntermaßen gute Arbeit.
Damit erfüllt das MRI am Standort Kulmbach gewissermaßen das Humboldt’sche Ideal von Forschung und Lehre.
Diesen Weg wollen wir gemeinsam weiter beschreiten.
Schlachthof Kulmbach
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch ein paar klärende Worte zum Schlachthof und der Zusammenarbeit mit dem MRI sagen. Da wird immer wieder eine „neue Sau“ durchs Dorf getrieben. Dies sollte ein Ende haben. Seit vielen Jahren wird dieser Schlachthof von unserer Forschungseinrichtung zur Beantwortung wichtiger Fragestellung genutzt.
- Wir brauchen Untersuchungen zur Tierschutzkonformität unterschiedlicher Betäubungsverfahren,
- wir brauchen Untersuchungen zu Betäubungs- und Zerlegeverfahren, wenn die Frage im Raum steht, wie wir verhindern können, das Risikomaterial im Schlachtkörper verteilt wird und
- wir brauchen Antworten auf die Fragen, wie das Tierschutz-schlachtrecht weiterentwickelt werden kann.
Dies macht deutlich, dass das Max Rubner-Institut auch in Zukunft für die Beantwortung mancher Fragestellungen auf einen Schlachthof angewiesen sein wird. Der damalige Bundesminister Seehofer hat daher sehr deutlich und klar seine Bereitschaft für eine Unterstützung eines Schlachthofes erklärt. Wir werden uns also an den Investitionen beteiligen, die für die wissenschaftlichen Arbeiten des Max Rubner-Institutes benötigt werden. Diese Zusage steht, und daran wird nicht gerüttelt. Frau Bundesministerin Aigner hat dies auch kürzlich nochmals in einem Schreiben an den Oberbürgermeister, Herrn Schramm, mitgeteilt.
Ausstattung des Standorts Kulmbach
Gleiches gilt für die immer wieder diskutierte Ausstattung des MRI Kulmbach, insbesondere im personellen Bereich. Ich möchte es an dieser Stelle auf den Punkt bringen:
- Forschung zu Sicherheit und Qualität von Fleisch hat einen außerordentlich hohen Stellenwert. Damit ist auch das Institut des MRI am Standort Kulmbach besonders wichtig.
- Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass die Bundesregierung rund 1 Mio. € aus dem Konjunkturprogramm II für das MRI Kulmbach zur Verbesserung der Analytik vorgemerkt hat.
- Zusätzlich sind etwa 900.000 € für Baumaßnahmen beantragt.
- Etwa 120 Personen sind tatsächlich am MRI in Kulmbach beschäftigt. Das liegt auch an der erfolgreichen Arbeit, die die Einwerbung von Drittmitteln ermöglicht hat. Ich gehe davon aus, dass angesichts des wissenschaftlichen Niveaus diese Größenordnung künftig mindestens so bleiben wird. Hierzu dürfte auch die Kooperation mit der Universität Bayreuth beitragen.
Wer angesichts dieser Fakten permanent den Eindruck erweckt, das Kulmbacher Institut sei nicht arbeitsfähig, gefährdet damit den Ruf der Forschung in Kulmbach. Gut gemeint ist gerade bei öffentlichen Verlautbarungen häufig das Gegenteil von gut gemacht!
Es bleibt dabei: Das MRI in Kulmbach ist für seine Aufgaben - auch personell - bestens ausgestattet.
Schluss
Meine Damen und Herren,
weit verbreitet scheint mir die Vorstellung zu sein, Wissen sei eine Art Super-Benzin, das man nur zu tanken braucht, und schon brummt der Motor. Das stimmt bekanntlich nicht, denn Wissen ist ohne praktische Anwendung wie Benzin ohne Auto.
Aber genau diesen Praxis bezogenen Umgang mit Wissen benötigen wir für die Politik, für unsere Entscheidungen, welche politischen Maßnahmen wir ergreifen müssen. Für den Gewinn dieses Wissens sehe ich unsere Ressortforschung bestens aufgestellt.
Der 44. Kulmbacher Woche wünsche ich diesen Wissensgewinn und der Veranstaltung einen guten Verlauf.
Vielen Dank
Quelle: Kulmbach [ BMELV ]