Österreichische Frischemärkte blieben von Krise verschont
Fleischsektor gewinnt auf allen Linien
Der österreichische Lebensmittelhandel bleibt weitgehend von der Krise verschont. Der Biomarkt wächst nach Zeiten der Stagnation wieder. Die Diskonter haben diese Entwicklung deutlich beschleunigt. Die allgemeine Preisaktionspolitik bestimmt allerdings zunehmend den Markt. Obwohl am stärksten von den Aktionen betroffen, gehört Fleisch mit Abstand zu den größten Gewinnern des Jahres. Die schlechten Milchpreise im Jahre 2009 sind ganz besonders auch bei der Butter spürbar. Die ESL-Milch (Länger Frische Milch) ist weiterhin klar auf der Überholspur und verdrängt dabei auch die Haltbarmilch. Dies ergab die Analyse der RollAMA* für das Jahr 2009.Gleichbleibende Umsätze im LEH
In Österreich wurden im Jahr 2009 Frischeprodukte im Wert von 5,311 Mrd. EURO verkauft. Mit einem minimalen Rückgang von 0,7% zum Vorjahr (5,347 Mrd. EURO) blieb der Lebensmittelhandel damit weitgehend von der Wirtschaftskrise verschont. Auf den klassischen Lebensmitteleinzelhandel entfielen dabei rund 67%, auf die Diskonter rund 20% und der Rest (z.B. Direktvermarkter) schnitt mit 13% Anteil im Wert ab. (Chart 1)
Fleisch und Joghurtprodukte sind Aktionsware Nr. 1
Fleisch (inklusive Geflügel) entwickelt sich zunehmend zur Aktionsware Nr. 1. 40% dieser Warengruppe wurde 2009 über Aktionen verkauft. Knapp dahinter rangieren in diesem Ranking die Produkte der Bunten Palette (Joghurt mit Frucht, Milchmischgetränke, Frischedesserts), gefolgt von Fertiggerichten mit einem Aktionsanteil von 36%. Vergleicht man diese Entwicklung mit dem dritten Trimester des Jahres 2008, so ist in fast allen Produktgruppen eine Steigerung der Aktionsanteile zu beobachten, ganz besonders trifft das aber eben auf Fleisch zu. (Chart 2)
Biomarkt wächst wieder: Diskonter mit an Bord
Der Bioanteil am Gesamtmarkt ist im Jahresvergleich zwar konstant geblieben und hat sich bei rund 6% in der Menge eingependelt. (Chart 3) Doch dass dieses konstante Ergebnis erzielt wurde, war vorzugsweise dem dritten Trimester 2009 zu verdanken. Fast alle Bio-Produktgruppen haben sich in diesem Zeitraum (September – Dezember) auffallend gut entwickelt, ganz besonders aber trifft das auf Frischmilch, ESL-Milch, Fruchtjoghurt, Butter und Erdäpfel zu, aber auch für Käse, Frischobst und Gemüse (Chart 4). Eine Erklärung dafür ist unter anderem die Umstellung diverser Produkte des führenden Diskonters auf Bioware. Der Anteil der Diskonter am Biomarkt lag im ersten Trimester mengenmäßig bei rund 28% und steigerte sich gegen Jahresende hin auf 37%. (Chart 5) Im Jahr 2009 lag der Bioanteil der Diskonter wertmäßig bereits über 25% (Chart 6).
Milchmarkt in Bewegung: ESL-Milch weiter auf Überholspur
Die Mengenentwicklung kann in den letzten Jahren im Milchsektor durchaus als stabil bezeichnet werden. Der schlechte Milchpreis des Vorjahres schlägt sich aber deutlich in der Wertentwicklung nieder. Das Milchsegment im LEH bewegte 2008 EURO 1,505 Mrd. im Folgejahr waren das nur mehr 1,440 Mrd. EURO (Chart 7). Den Preisfall mussten fast alle Milchsegmente mit machen. Der Preisunterschied zwischen bio und konventionell hat sich 2009 deutlich verkleinert. Bio Trinkmilch ist auf das Preisniveau von 2007 zurückgefallen. Alle Milchsegmente haben sich aber mehr oder weniger deutlich vom All time high zu Anfang des Jahres 2008 wegentwickelt (Chart 8).
Weiter klar auf der Überholspur ist die ESL (=länger frische) Milch. Ihre Entwicklungskurve nähert sich sowohl in Wert als auch in Menge rasant jener der klassischen Frischmilch an (Chart 9 und 10). Bereits ein Drittel der Trinkmilch ist mengenmäßig mittlerweile ESL-Milch (Chart 11). Wertmäßig sank der Frischmilch-Anteil dadurch erstmals unter 50%. Aber auch die Haltbarmilch wird zunehmend von der ESL Milch verdrängt. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass die Konsumenten auf den natürlichen Geschmack frischer Milch nicht verzichten wollen. (Chart 12)
Buttereinkäufe steigen, Preise sinken deutlich
Seit Jahren greifen immer mehr KonsumentInnen zur Butter. 2009 waren es immerhin mehr als 22.600 Tonnen, die über die Ladentische gereicht wurden (Chart 13). Der häufigere Griff zur Butter wird sicher auch durch die fallenden Preise erleichtert. Seit 2007 sind die Butterpreise im Durchschnitt immerhin um 20% gesunken (Chart 14). Je mehr zu tierischen Fetten gegriffen wird, umso weniger wird zu pflanzlichen Fetten gegriffen. Die Mengen an Margarine sind schon seit Jahren rückläufig (Chart 15). Der Anteil der Butter erreichte 2009 deshalb fast schon 60% (Chart 16).
Aktionspolitik bestimmt auch den Käsemarkt
Das Segment Käse hat im 3. Trimester 2009 in der Menge rund 1% und im Wert 5 % im Vergleich zum vorangegangen Jahr verloren, wobei es innerhalb dieser Palette zum Teil durchaus unterschiedliche Entwicklungen gab. Schmelzkäse hat am deutlichsten verloren, Weich- und Hartkäse am deutlichsten gewonnen (Chart 17). Der Aktionsanteil ist in der gesamten Gelben Palette gestiegen, mit mehr als 30% liegt der Aktionsanteil aber bei Schnittkäse am höchsten (Chart 18). Dieser hohe Aktionsanteil bedingt auch die sinkenden Preise. Das betrifft ganz besonders die Schnitt- und Hartkäse (Chart 19). Unter den Hartkäsen hat der Emmentaler seinen mengenmäßigen Vorsprung weiter ausgebaut. Der Aktionsanteil ist bei Emmentaler von 2008 auf 2009 von 16% auf 20% gestiegen (Chart 20).
Milchmischgetränke mit Umsatzminus
Dieses Segment konnte sich mengenmäßig zwar ganz gut behaupten, musste aber doch ein Umsatzminus von 6% hinnehmen, was vor allem an der schlechteren Entwicklung der höherpreisigen Joghurtdrinks liegt (Chart 21). Nur die Milchmischgetränke auf Milchbasis konnten mit einem Plus von 20% in der Menge und 18% im Wert doch deutlich zulegen, zumal der Preis sich stabil entwickelt hat. Auch die Molkebasisgetränke können sich mit einer Mengensteigerung von immerhin 5% schmücken. Hingegen haben Joghurt- und Sauermilchdrinks eher Verluste hinnehmen müssen. Obst-Gemüsedrinks können sich kaum durchsetzen (Chart 22). Insofern ist in der Bunten Palette am deutlichsten die Wirtschaftskrise bemerkbar – gespart wird vorrangig bei den Produkten, die man nicht unbedingt zum täglichen Leben braucht.
Fleisch gewinnt auf allen Linien
Das Segment Fleisch (inklusive Geflügel) erlebt zurzeit einen einzigen Höhenflug. Sowohl die Menge ist gestiegen und zwar auf über 121.000 Tonnen, als auch der Wert, der nun bei mehr als 764 Mio. EURO liegt (Chart 23). Besonders prächtig entwickelt hat sich Rind- und Kalbfleisch mit einem Plus von 9%. Auch die Wertentwicklung konnte da parallel dazu mithalten. Besonders gut abschneiden kann in diesem Segment alles, was der Bequemlichkeit und der raschen, unkomplizierten Zubereitung dient. Vorbereitetes Fleisch ist deshalb der Renner in diesem Segment und weist die größten Mengen wie Wertzuwächse auf (Chart 24).
Die Preise haben sich auf einem relativ stabilen Niveau eingependelt. Ganz besonders der Rindfleischsektor konnte sich mit seinem starken Bekenntnis zur Qualität hier sehr gut positionieren (Chart 25). Der Wurst- und Schinkensektor hat sich mengenmäßig auf gleichem Niveau gut halten können und hat im Wert sogar etwas zugelegt (Chart 26).
Einkaufsfrequenzen sinken, Diskonter werden zu Nahversorgern
„Dieses Jahr brachte einige neue Erkenntnisse zum Einkaufsverhalten der KonsumentInnen. So leiden die Frischmärkte im Jahresverlauf unter sinkenden Einkaufsfrequenzen. Die KonsumentInnen gehen also weniger oft einkaufen und erledigen ihre notwendigen Beschaffungen gerne zeitlich konzentrierter. Weniger Frequenz bedeutet unterm Strich, dass die klassischen Frischmärkte allmählich an Grenzen stoßen könnten. Auch die Rolle der Diskonter verändert sich. Diskonter werden zunehmend wie klassische Nahversorger gesehen. Immer mehr KonsumentInnen suchen Diskonter auf, kaufen aber pro Einkauf mengenmäßig weniger als früher. Die Märkte nähern sich also zunehmend an und die Konzentration schreitet voran“, so MAG. MICAELA SCHANTL, Leiterin der AMA-Marktforschung.
„Insgesamt greifen die KonsumentInnen wieder verstärkt bei Grundnahrungsmitteln zu. Die Erklärung dafür ist, dass wieder lieber und öfter zuhause gekocht wird, das zeigt sich vor allem an der besonders guten Entwicklung von Fleisch. Auch beim Restaurantbesuch sind Spartendenzen zu beobachten und das Quäntchen Extra wird gerne weggelassen. Dieser Trend ist auch im Lebensmittelhandel zu beobachten. Produkte im Hochpreissegment, die eher als Luxus angesehen werden. gönnt man sich zwar ab und zu, aber sie gehören nicht zum Standardprogramm“, analysiert DR. STEPHAN MIKINOVIC, GF der AMA Marketing, die Veränderungen.
*Die Daten der RollAMA (rollierende Agrarmarktanalyse der AMA Marketing in Zusammenarbeit mit der GfK und KeyQUEST Marktforschung) beziehen sich auf Aufzeichnungen der Einkäufe von 2.500 österreichischen Haushalten. Aufgezeichnet werden Fleisch und Geflügel, Wurst, Milch und Milchprodukte, Käse, Obst, Gemüse, Eier, Erdäpfel, Tiefkühlprodukte, teilweise Fertiggerichte, aber nicht Brot & Gebäck.
Quelle: Wien [ AMA ]