Zuwenig Rindfleisch? Anklage gegen Tönnies
Tönnies-Verfahren landet nach mehr als dreijährigen Ermittlungen vor Gericht – Tod eines Kronzeugen wird wieder problematisiert
Im September 2006 wurden verschiedene Geschäfts- und Privaträume im Umfeld von TönniesFleisch untersucht. Die zuständige Staatsanwaltschaft (Bochum) versprach eine Anklageerhebung im Oktober. Nun ist es doch November geworden, November 2009. Die Anklagepunkte sind bis auf einen verschwunden. Um dieses Verfahren gab es immer mal wieder lautstarke Gefechte vor der Presse. Die jetzt veröffentlichten Pressetexte wirken in dem Zusammenhang sehr zurückhaltend. War doch nicht soviel Fleisch an der Sache.Hier ein kurzer Überblick zu dem was im November 2009 zu dem Fall passierte. Begonnen hat es mit einer Spiegel-Vorabmeldung die am 31. Oktober veröffentlicht wurde und wortgleich im Spiegel 45/2009 vom 2. November 2009 zu lesen war:
Schlachter belastet
Im Betrugsverfahren gegen den größten deutschen Fleischfabrikanten Clemens Tönnies belasten neue Vorwürfe den Unternehmer. So soll er versucht haben, einen Zeugen zu beeinflussen. Tönnies habe ihm telefonisch einen neuen Job angeboten, wenn er seine Aussage vor der Staatsanwaltschaft überdenke, behauptet der ehemalige Mitarbeiter, ein inzwischen arbeitsuchender Programmierer. Der 45-Jährige hat nach eigenen Angaben zuvor gegenüber Bochumer Ermittlern ausgesagt, Tönnies habe mit ihm 1999 vertraulich Möglichkeiten besprochen, wie die Waage für die Schlachttiere elektronisch zugunsten der Firma beeinflusst werden könne. Außerdem habe er für ein Tönnies-Unternehmen ein Computerprogramm entwickelt, mit dem Abrechnungen frisiert werden konnten. Tönnies bestreitet die Vorwürfe. "Es hat auch keine Zeugenbeeinflussung gegeben", teilte sein Anwalt Sven Thomas mit. Die seit Jahren andauernden Ermittlungen gegen den Unternehmer aus Rheda-Wiedenbrück stehen kurz vor dem Abschluss. Die Staatsanwaltschaft Bochum plant offenbar, Tönnies und mehr als zehn Mitarbeiter in den kommenden Tagen wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in über ein Dutzend Fällen anzuklagen. Im Mittelpunkt der Vorwürfe sollen Tricksereien bei der Zusammensetzung des gemischten Hackfleisches stehen (SPIEGEL 9/2009).
Soweit der Spiegeltext.
Am Dienstag den 10. November verschickte Tönnies eine Pressemitteilung mit folgendem Inhalt:
Presserklärung TönniesFleisch zum laufenden Verfahren
Am 04.11.2009 hat die Staatsanwaltschaft Bochum Anklage gegen insgesamt 13 jetzige und frühere Angehörige des Unternehmens TönniesFleisch beim Landgericht Essen erhoben. Von den ursprünglich 24 erhobenen Vorwürfen wurden bereits 23 von der ermittelnden Staatsanwaltschaft Bochum fallen gelassen. Unternehmensinhaber Clemens Tönnies und seine Verteidigung begrüßen es ausdrücklich, dass sich nach nunmehr fast drei Jahren Ermittlungszeit endlich ein unabhängiges Gericht der Sache widmen kann und die Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft Bochum, deren Zuständigkeit nur durch eine überaus fragwürdige Zuweisung des Generalstaatsanwalts begründet werden konnte, beendet ist. Von einer weiteren Erklärung nehmen Clemens Tönnies und seine Verteidigung derzeit Abstand, da es sich nunmehr um ein bei Gericht anhängiges Verfahren handelt. Sollte die Staatsanwaltschaft Bochum eine weitergehende Presseerklärung abgeben – die nunmehr erfolgte Anklageerhebung wurde bereits vor einer Woche vorab vom SPIEGEL publiziert – wird auch die Verteidigung – ungeachtet der nunmehr begründeten gerichtlichen Zuständigkeit – zu den Hintergründen des Verfahrens und der jetzigen Anklage Stellung nehmen.
Am 11. September 2009 veröffentlicht die Bochumer Staatsanwaltschaft folgenden Kurztext:
Staatsanwaltschaft Bochum erhebt Anklage gegen Verantwortliche des Tönnies-Konzerns
Die Staatsanwaltschaft Bochum hat gegen Klemens Tönnies sowie zwölf weitere, zum Teil ehemalige Mitarbeiter des Tönnies-Konzerns wegen des Vorwurfs des Betruges Anklage zum Landgericht Essen erhoben. Die Angeschuldigten sollen entgegen den mit den Abnehmern getroffenen Vereinbarungen gemischtes Hackfleisch mit einem zu geringen Rindfleischanteil produziert, unzutreffend ausgezeichnet und geliefert haben. Da der Rindfleischanteil den Ermittlungen zufolge wertbildender Faktor für den vereinbarten Preis gewesen ist, soll den Abnehmern nach Anklage hierdurch ein Schaden in Millionenhöhe entstanden sein.
Die Angeschuldigten haben diesen Vorwurf, soweit sie sich zur Sache eingelassen haben, in Abrede gestellt.
Soweit die Bochumer Staatsanwaltschaft.
Am 13. November titelt die Neue Westfälische:
Neues Gutachten zu Tod des Tönnies-Kronzeugen
Staatsanwaltschaft Oldenburg will Todesumstände klären
In dem Artikel setzt sich Hubertus Gärtner damit auseinander, dass die Oldenburger Staatsanwaltschaft zum Tod eines Kronzeugen im Tönniesverfahren ein weiteres rechtsmedizinisches Gutachten angefordert hat. Grund seien ungewöhnlich hohe Cadmiumkonzentrationen, die bei einer Zweitobduktion im Körper des Toten aufgefallen seien. In einem ersten rechtsmedizinischen Gutachten war von einer "natürlichen" Todesursache ausgegangen worden.
Quelle: Rheda-Wiedenbrück, Bochum, Oldenburg [ Thomas Pröller ]